Bola Tinubu, der neue Präsident Nigerias, hat nicht lange gezaudert und mutige Entscheidungen getroffen. Zuerst hat er die Ölsubventionen gestrichen und jetzt den Wechselkurs der Naira freigegeben. Die meisten Politiker, nicht nur in Afrika, auch sonstwo auf der Welt, schrecken vor solchen Maßnahmen zurück. Wir analysieren die Folgen von Tinubus ersten Wirtschaftsreformen.
Der Bau neuer Eisenbahnlinien zählt derzeit auf dem Kontinent zu den beliebtesten Infrastrukturprojekten. Arne Schütte beschreibt das Wettrennen, das sich gerade Kenia und Tansania liefern.
Facebook hat in Afrika große Bedeutung, doch leider auch in der Verbreitung von Hass und Gewalt. Wir haben mit dem Medienexperten Christoph Plate gesprochen – auch darüber, warum russische Medien in Afrika so beliebt sind.
Wir stellen Ihnen den deutschen Unternehmer Martin Schoeller vor, der eine private Initiative für Afrika gestartet hat: Er will die soziale Marktwirtschaft und den Gebrauch von Biokraftstoffen fördern.
Und schließlich bieten wir Ihnen auch diese Woche wieder spannende Nachrichten und wertvolle Einsichten.
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Der Krieg in der Ukraine mag die globalen wirtschaftlichen Beziehungen verändert haben, doch eines bleibt: Ein guter Zugang zum Weltmarkt ist für Wachstum und Handel unerlässlich. Das gilt auch in Ostafrika, wo Kenia und Tansania ihre Transportinfrastruktur modernisieren und erweitern. Beide Länder bauen nicht nur ihre Häfen in Mombasa und Daressalam aus, sondern erweitern auch die Handelshäfen in Lamu und Tanga. Die Häfen wiederum sind an die Eisenbahn angeschlossen – und beim Ausbau ebendieser liefern sich Kenia und Tansania einen regelrechten Wettlauf.
Beim ostafrikanischen Eisenbahnrennen geht es zum einen darum, das eigene Land besser an den Weltmarkt anzuschließen und so den Handel zu erleichtern, ausländische Investoren anzulocken und die heimische Wirtschaft anzukurbeln. Der wahrscheinlich wichtigere Aspekt ist jedoch die geoökonomische Konkurrenz um die Vormachtstellung als Transportdrehscheibe Ostafrikas. Beide Länder setzen mit dem Ausbau ihrer Eisenbahnnetze darauf, die landumschlossenen Nachbarn Uganda, Ruanda und Burundi an das eigene Transportnetz anzuschließen und sich damit als unumgängliches Transitland zu positionieren.
Das ugandische Schienennetz ist zwar über Kenia bereits mit dem Indischen Ozean verbunden, jedoch sind die alten Schmalspurschienen weder in gutem Zustand noch reicht ihre Kapazität für den Gütertransport aus. In Ruanda und Burundi gibt es noch gar kein Schienennetz. Güter müssen mühsam mit Lastwagen ins Land geschafft oder teuer mit dem Flugzeug eingeflogen werden. Die drei Länder bieten großes Potenzial, was den wachsenden Gütermarkt angeht, allen voran Ruanda. In der Dekade bis 2019 war die Wirtschaftsleistung des kleinen Landes laut Weltbank im Durchschnitt um mehr als sieben Prozent jährlich gestiegen. Im vergangenen Jahr lag der Zuwachs sogar bei 8,2 Prozent. Burundi besitzt zudem Nickelvorkommen.
Die Projekte sind Teil des East African Railway Master Plan. Langfristig sollen die Strecken miteinander verbunden werden und so eine bessere regionale Interkonnektivität schaffen. Perspektivisch soll auch der rohstoffreiche Osten der DR Kongo an das Schienennetz angeschlossen werden. Dabei drängt die Zeit, denn wenn profitable Transportverträge erst einmal abgeschlossen sind, fällt es alternativen Anbietern schwer, zu konkurrieren. “Wer zuerst fertig ist, wird den Handel in der Region dominieren”, sagte ein ehemaliger kenianischer Staatssekretär im Transportministerium im Gespräch mit der tansanischen Zeitung The Citizen.
Beim Eisenbahnrennen hatte Kenia lange die Nase vorn. Schon 2011 war eine Absichtserklärung mit der China Road & Bridge Corporation über den Ausbau der Schmalspurstrecke zwischen Mombasa und Nairobi auf Normalspur von 1435 mm Spurweite (standard gauge railway, SGR) unterzeichnet worden. Die neue SGR-Bahn, zu 90 Prozent finanziert von der chinesischen Export-Import Bank, wurde 2017 eingeweiht und ist inzwischen bis Naivasha verlängert worden. Doch die Verlängerung bis zur ugandischen Grenze ist bislang nicht angelaufen, denn die Strecke Mombasa-Nairobi ist nicht profitabel, und die chinesischen Investoren sind unwillens, weitere Mittel für den Ausbau aufzubringen. Allein kann Kenia die Modernisierung nicht fortführen. Dafür ist die Finanzlage des Landes zu schlecht. Weiter nördlich plant Kenia als Teil des LAPSSET-Korridors eine zweite SGR-Strecke, die den Hafen von Lamu mit Äthiopien und der südsudanesischen Hauptstadt Juba verbinden soll. Auch der Bau dieser Strecke hat bislang nicht begonnen.

Dass der kenianische SGR-Ausbau stockt, ist auch für Uganda nicht gut. Dort ist ebenfalls eine Aufrüstung des alten Schmalspurnetzes auf SGR geplant. Doch ohne Anschluss an Kenia und damit den Indischen Ozean ist eine moderne Eisenbahn kaum etwas wert. Nun hat Uganda offenbar genug von der Warterei und will den Ausbau trotzdem versuchen: Das Land hat sich kürzlich von seinen chinesischen Partnern getrennt und eine Absichtserklärung mit dem türkischen Bauunternehmen Yapı Merkezi unterzeichnet.
In Tansania hingegen schreitet der SGR-Ausbau stetig voran. Erst im Juni hat das tansanische Transportministerium weitere 477 Millionen Dollar für das Projekt beantragt. Zwei Streckenabschnitte sind bereits abgeschlossen (Daressalam-Morogoro und Morogoro-Makutopora), gebaut von Yapı Merkezi und der portugiesischen Mota-Engil. Zwei weitere Abschnitte sind derzeit im Bau. Die Strecke Makutopora-Tabora-Isaka wird ebenfalls von Yapı Merkezi gebaut. Den Abschnitt zwischen Isaka und Mwanza übernehmen China Civil Engineering Construction und China Railway Construction Company. Der letzte Abschnitt zwischen Tabora und Kigoma soll ebenfalls von den chinesischen Unternehmen gebaut werden. Mit der DB Consulting & Engineering ist auch ein deutsches Unternehmen an den Planungsstudien des Projekts beteiligt.
Neben der Nachrüstung des bestehenden Netzes auf SGR plant Tansania außerdem den Bau komplett neuer SGR-Strecken nach Ruanda und Burundi sowie die Modernisierung der Tazara-Verbindung nach Sambia. Erst kürzlich haben sich Tansania und Burundi über den Bau einer elektrifizierten Strecke verständigt, an deren Finanzierung die Afrikanische Entwicklungsbank interessiert ist. Bis 2026 soll der Ausbau der tansanischen SGR abgeschlossen sein. In Kenia hingegen ist noch kein Datum abzusehen.
Bola Tinubu, Nigerias neuer Präsident, bricht mit der Politik seines Vorgängers Buhari: Er hat erst den Gouverneur der Zentralbank, Godwin Emefiele, abgesetzt und dann die zahlreichen Wechselkurse im Land vereinheitlicht, genauer gesagt: freigegeben. Damit verordnet er dem Land eine schmerzhafte Rosskur.
Denn das Land lebt von Öl- und Gasexporten, die rund 90 Prozent der Exporterlöse ausmachen. Immerhin ist Nigeria größter Mineralölexporteur Afrikas. Doch dafür zahlt das Land einen hohen Preis. Vor allem waren durch das Wechselkursregime Dollar und Euro notorisch knapp.
Nigeria leidet unter einem Effekt, den Ökonomen als “Holländische Krankheit” bezeichnen: Durch den Export von Erdöl fließen große Mengen an Devisen ins Land. Werden diese Dollar in nigerianische Naira umgetauscht, steigt der Wechselkurs der Naira. Dadurch werden Importe billiger und Exporte teurer, wodurch sich die internationale Wettbewerbsfähigkeit verschlechtert. Auch erhöhen sich dadurch Löhne, Immobilienpreise und die Preise für andere Güter, was für nigerianische Unternehmen zu höheren Produktionskosten führt.
Jahrelang galten in Nigeria verschiedene Wechselkurse. Den offiziellen legte die Zentralbank fest und konnte so den Außenwert der Naira künstlich niedrig halten. Daneben galt ein inoffizieller Wechselkurs. Nach diesem höheren Kurs richtete sich der Preis für importierte Waren wie Weizen, die in Dollar gehandelt werden. Für andere Branchen galten andere Kurse. Und dann gab es noch den Schwarzmarkt, auf dem der Abstand zum offiziellen Wechselkurs zum Teil 60 Prozent und mehr betrug.
Die Folge war, dass heimische Produzenten gegenüber ausländischen unter einem erheblichen Wettbewerbsnachteil litten. Tausende Hektar von Plantagen liegen brach, weil der Import günstiger ist als die Produktion eigener Lebensmittel.
Die Abschaffung der Verzerrungen am Devisenmarkt führte zu heftigen Kurssprüngen: Bis Mitte Juni wurde der Euro zwischen 490 Naira und 500 Naira gehandelt. Mit der Freigabe stürzte der Wert der nigerianischen Währung schlagartig auf bis zu 890 Naira ab. Aktuell gibt es für einen Euro rund 842 Naira.
Durch Tinubus wirtschaftspolitische Reformen schoss die Inflation schon im Mai auf ein Siebzehn-Jahres-Hoch von 22,4 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Ulrich Stephan, Chefanlagestratege der Deutschen Bank, erwartet, dass die Inflation auf mehr als 30 Prozent steigen und dass die Zentralbank den Leitzins um drei Prozentpunkte auf 21,5 Prozent erhöhen wird.
Ungeachtet der dramatischen Folgen für die Bevölkerung erhält Tinubu auch Beifall für seine Radikalkur. “Es ist sehr erfrischend, das in Nigeria zu sehen”, sagte Thys Louw, Fondsmanager in London beim Asset Manager Ninety One, dem Wall Street Journal. “Sowohl das Fiskal- als auch das Wechselkurssystem waren nicht mehr tragbar.” Das Land benötige kurzfristige Schmerzen, um langfristig Erfolg zu haben.
“Das war überfällig“, kommentierte Charlie Robertson, Leiter der Makrostrategie bei FIM Partners, einem auf Schwellenmärkte spezialisierten Vermögensverwalter: “Eine dringend notwendige Abwertung”, meinte er. “Dies sollte die Leistungsbilanz und das langfristige Investitionsklima verbessern.”
Das Argument in der Finanzwelt: Das Ende der Devisenrationierung werde die Investitionen ankurbeln, da für nigerianische Unternehmen nun der Zugang zu Dollar leichter wird. Die Abschaffung der Ölsubventionen und die Freigabe der Wechselkurse würden kurzfristig Leiden bringen, aber längerfristig gut sein. Die verteuerten Importe schafften Anreize für nigerianische Unternehmer, die inländische Produktion zu stärken.
Er habe diese Entscheidung getroffen, “um das Land vor einer finanziellen Ausblutung zu retten”, sagte Tinubu kürzlich auf einem Empfang in Lagos. Er persönlich habe ja genügend Geld, um von der Arbitrage zwischen den Wechselkursen zu profitieren. “Aber Gott bewahre, dafür wurde ich doch nicht gewählt”, sagte Tinubu weiter.
Die Liberalisierung der Devisenmärkte erleichtert es ausländischen Investoren, ihre Erlöse aus Nigeria auszuführen. Das sollte den Zufluss ausländischen Kapitals steigern und die Wirtschaft beleben. Dadurch wachsen auch die Anreize für deutsche Unternehmen, mit Nigeria Handel zu treiben oder im Land zu investieren.

Wie werden heute Medien in Afrika konsumiert?
Das wichtigste Medium ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk, den es in jedem Land gibt. Diese Sender sind wichtig, weil sie eine Informationspflicht haben, man sie überall empfangen kann und das kostenlos. Wir helfen, dass diese Sender sich wieder mehr auf ihre Grundaufgaben konzentrieren. Dann gibt es die Eliten, darunter die wachsende Mittelschicht, die für Informationen zahlen. Sie abonnieren Webseiten und Newsletter. Aber das bleibt ein Privileg der Eliten in den Städten.
Liest man in Afrika überhaupt noch Zeitung?
Sehr viel weniger als vielleicht vor 25 Jahren. Beim demokratischen Aufbruch in vielen afrikanischen Ländern zum Ende des Ost-West-Konfliktes Anfang der 1990er Jahre waren Zeitungen maßgeblich. Doch zahlreiche Verleger haben den Sprung ins Internet verschlafen. Jetzt sind sie aufgewacht. Auch deswegen ist Papier inzwischen ein Auslaufmodell.
Wie hat sich der Medienkonsum in den vergangenen Jahren verändert?
Wir beobachten in Afrika ein Phänomen, ähnlich wie in Europa, dass sich nämlich in den sozialen Medien jeder selbst journalistisch betätigen kann. Diesen Bürgerjournalismus haben wir jetzt auch in Afrika. Meist ist es ein Mitteilungsjournalismus, bei dem etwa über die nächste Gemeindesitzung informiert wird. Das ist kein kritischer Journalismus. Und ähnlich wie in Europa ist die Werbung ins Internet abgewandert. Nun ist es wichtiger denn je, die Einnahmen zu diversifizieren. Manche Medien binden Leser mit Spezialinteressen, also zum Beispiel für Bergbau.
Also bezahlen die Kunden für den Dienst?
Ja, aber die traditionellen Medienhäuser, die immer noch gerne Generalisten sein wollen, werden zunehmend Schwierigkeiten haben. Manche haben sich inzwischen auf investigative Recherche spezialisiert, decken Korruptionsfälle auf oder fokussieren sich auf Themen wie Klimawandel oder Infrastruktur.
Wie sieht es in Afrika mit Twitter und Facebook aus?
Afrika ist ein Facebook-Kontinent. Nur in wenigen Ländern wie zum Beispiel in Südafrika gibt es eine lebendige Twitter-Szene. Dort leben politische Botschaften von einer hohen Aggressivität, besonders auf Facebook und Twitter. Wir haben im vergangenen Jahr eine Konferenz zum Umgang von Medien und kritischen Journalisten gemacht, zu den Möglichkeiten sozialer Medien und den Herausforderungen hinsichtlich Tribalismus und religiöser Gewalt. Es ist besorgniserregend, was da passiert. Facebook scheint nicht bereit zu sein, seine Algorithmen dahingehend zu ändern, dass ganz brutale Posts, die auch zu politischer, ethnischer oder religiöser Gewalt auf dem Kontinent führen können, künftig gelöscht werden. Im Gegenteil. Die Algorithmen sind so zugeschnitten, dass alles Aggressive und Tribalistische sofort nach oben schießt. Das halte ich für sehr gefährlich. Facebook stellt zwar weitere Moderatoren für Afrika ein, diese decken allerdings nur rund zehn gängige Sprachen ab.
Wie kann man da gegensteuern?
Das ist schwierig. Viele afrikanische Regierungen pflegen ein gutes Verhältnis zu Facebook. Denn das Unternehmen erlaubt ihnen auch, ihre eigene Bevölkerung zu überwachen. Ich glaube, das Wichtigste wären Seminare, die über die Gefahren aufklären, so wie wir das in Deutschland schon vor zehn oder 15 Jahren hatten. Da haben wir gelernt, besser mit den sozialen Medien umzugehen.
Wie steht es um Medienfreiheit auf dem Kontinent?
Heute ist die Medienfreiheit in Afrika viel größer als vor 25 Jahren. Es gibt heute kaum noch Regierungen in Afrika, die es sich leisten können, die Medien zu ignorieren. Das sieht man vor allem in starken Ländern wie Kenia, Nigeria und Südafrika. Dennoch: Die größte Herausforderung bleibt, dass Medienkonsumenten nicht immer zwischen seriösem und unseriösen Journalismus unterscheiden können.
Wie sieht es mit Medien aus China und Russland aus?
Bei der chinesischen Berichterstattung, wie etwa bei CCTV, reden wir viel vom sogenannten Sonnenscheinjournalismus, der über alles Mögliche berichtet, aber keine kritischen Fragen stellt. Aber mit diesem Narrativ einher geht die Propagierung des chinesischen Regierungsmodells. Bei den Russen ist es vor allem Russia Today. Der Sender investiert stark in größere Präsenz in Afrika und bietet vielen afrikanischen Sendern Inhalte kostenlos an. In beiden Fällen geht es natürlich darum, Einfluss zu nehmen. Aber das russische Narrativ gefällt hier auch vielen, denn es versucht, den Westen herauszufordern. Die Doppelstandards des Westens werden von den Russen benannt, und das finden viele gut. Der Krieg in der Ukraine wird dabei einfach ignoriert.
Interessieren sich Afrikaner überhaupt für den Krieg in Osteuropa?
Ja, die Menschen, die in Politik und Wirtschaft arbeiten, möchten schon wissen, was außerhalb des Kontinents passiert. Aber das größte Interesse gilt den eigenen Ländern. Es gibt eine Selbstbezogenheit, die etwa in Südafrika beklemmend ist.
Wie wird sich die Medienlandschaft auf dem Kontinent entwickeln?
Medien werden zunehmend auf Geldgeber und Spender angewiesen sein. Nur wenige Medien haben eine Strategie, die es ihnen erlaubt, Geld zu verdienen. Ich hoffe, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk aufwacht und dass Zivilgesellschaften ihn wieder zu ihrem Rundfunk machen werden, denn das ist das Medium, das die Mehrheit der Menschen in Afrika erreicht.
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Der für August in Südafrika angesetzte BRICS-Gipfel wird in Präsenz stattfinden. Dies verkündete Präsident Ramaphosa am Sonntag. Zuvor hatte die südafrikanische Regierung in Erwägung gezogen, den Gipfel nur digital auszurichten. Damit wollte die Republik vermeiden, den russischen Präsidenten Wladimir Putin verhaften zu müssen, falls dieser das Land besuchen sollte. Gegen Putin liegt ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs vor, zu dessen Durchsetzung Südafrika als Unterzeichner der Gerichtsstatute eigentlich verpflichtet wäre. Eine Verhaftung des russischen Verbündeten ist für Südafrika jedoch undenkbar. Die Republik hat noch nicht erklärt, wie sie mit diesem Dilemma umgehen wird.
Südafrika hat derzeit den Vorsitz der BRICS inne, einer Gruppe von Schwergewichten, der auch Brasilien, Russland, Indien und China angehören. Der Wirtschaftsblock fordert auch die von den USA und Europa geführten globalen Governance-Strukturen heraus, unter anderem durch eine mögliche gemeinsame Währung. Der 15. BRICS-Gipfel wird vom 22. bis 24. August im Sandton Convention Centre in der Finanzmetropole Johannesburg stattfinden. ajs
In der vergangenen Woche hat die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) den World Investment Report 2023 veröffentlicht. Im aktuellen Bericht liefert die UNCTAD Kennziffern, unter anderem zu ausländischen Direktinvestitionen (FDI), Greenfield-Projekten und internationaler Projektfinanzierung.
Insgesamt ist das FDI-Volumen in Afrika im Jahr 2022 gesunken, was allerdings einer einzigen außergewöhnlichen Transaktion im August 2021 geschuldet ist. Damals hatte der südafrikanische Medienkonzern Naspers einen Aktientausch mit seiner niederländischen Tochtergesellschaft Prosus durchgeführt, der die FDIs in Südafrika in der Statistik in die Höhe schießen ließ. So lag das FDI-Volumen 2020 bei 39 Milliarden Dollar, im Ausnahmejahr 2021 bei 80 und im vergangenen Jahr bei 45 Milliarden Dollar. Die ausländischen Investitionen auf dem Kontinent folgen also einem positiven Trend. Auch die Zahl der Greenfield-Projekte steigt an, zuletzt um 39 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Dabei sind erhebliche regionale Unterschiede erkennbar. Im Süden und im Westen des Kontinents sind die ausländischen Investitionen um 84 beziehungsweise 35 Prozent zurückgegangen, in Zentralafrika unverändert. Nordafrika hingegen konnte einen Zuwachs von 58 Prozent verbuchen, im Osten des Kontinents waren es immerhin drei Prozent.
In einer Pressemitteilung kommentierte Christoph Kannengießer, Geschäftsführer des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft, die neuen Zahlen. Deutschland sei mit einem Volumen von 15 Milliarden nun unter den Top Ten der Investorenländer in Afrika und habe zudem beim Handelsvolumen einen neuen Rekord erreicht. “In den kommenden Jahren hoffen wir weiterhin auf einen positiven Trend”, so Kannengießer. ajs
In der vergangenen Woche hat ein chinesischer Minenkonzern in der Nähe der simbabwischen Hauptstadt Harare eine Anlage zur Verarbeitung von Lithium eröffnet, berichtet die Nachrichtenagentur AP. Betreiber ist Prospect Lithium Zimbabwe, eine Tochtergesellschaft von Zhejiang Huayou Cobalt. Die Anlage, die 300 Millionen Dollar gekostet hat, soll perspektivisch bis zu 4,5 Millionen Tonnen Lithiumkonzentrat pro Jahr produzieren. Starten soll die Produktion mit rund 450.000 Tonnen. Das Lithiumkonzentrat wird zur weiteren Verfeinerung ins Ausland exportiert.
Lithium ist ein wichtiger Bestandteil von Batterien für Elektrofahrzeuge. Um von der steigenden Nachfrage zu profitieren, hat Simbabwe im vergangenen Jahr die Ausfuhr von rohem Lithiumerz verboten. Damit hat sich Simbabwe Ländern wie Indonesien und Chile angeschlossen, die versuchen, ihre Erträge aus Lithium-, Kobalt- und Nickelvorkommen zu maximieren. Sie verlangen von den Bergbauunternehmen, dass sie vor Ort in die Raffinierung und Verarbeitung investieren, bevor sie exportieren. Simbabwe hat die größten Lithiumvorkommen in Afrika und strebt langfristig an, Batterien im eigenen Land zu produzieren. ajs
Entwicklungsministerin Svenja Schulze ist am Montag bei der Generalversammlung der Sahel-Allianz in der mauretanischen Hauptstadt Nouakchott zur Präsidentin der Gruppe gewählt worden. Deutschland übernimmt damit den Vorsitz von Spanien. Die Allianz ist der wichtigste Verbund von Unterstützern der Sahelländer und zählt 18 Mitglieder. Sie koordiniert die internationale Unterstützung der Sahelstaaten Mauretanien, Mali, Burkina Faso, Niger und Tschad, die sich in der Gruppe G5 Sahel zusammengeschlossen haben. Mali hat sich aus dem Bündnis im Mai vergangenen Jahres zurückgezogen. Neben Staaten wie Deutschland, Frankreich oder den Niederlanden sind auch multilaterale Institutionen wie Weltbank, Afrikanische Entwicklungsbank und das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen Teil der Allianz. Die Initiativen und Investitionen der Allianz-Mitglieder belaufen sich auf mehr als 28 Milliarden Euro.
Schulze will ihre Wahl als Zeichen verstanden wissen, dass die Bundesregierung im Sahel trotz des beschlossenen Endes der Minusma-Friedensmission engagiert bleibt. Dabei setzt sie auf drei Schwerpunkte: Bildung, Ausbildung und Beschäftigung sollen bessere Perspektiven schaffen. Zudem sollen die Gesellschaften durch soziale Sicherung und Ernährungssicherheit gestärkt werden sowie staatsfreie Räume durch die Bereitstellung kommunaler Strukturen zurückgedrängt werden.
Das Entwicklungsministerium verfolgt außerdem den Ansatz der Sahel-Plus-Initiative, die sich mit den Auswirkungen der Instabilität im Sahel auf die Anrainerstaaten befasst, etwa im Senegal, in der Elfenbeinküste, in Ghana, Togo und Benin. Die Arbeit im Rahmen der Initiative konzentriert sich vor allem auf zivile Stabilisierung, die Bekämpfung von Krisenursachen und humanitäre Hilfe.
Kurz vor der Generalversammlung der Sahel-Allianz traf Schulze den mauretanischen Präsidenten Ghazouani, der für eine vorsichtige Öffnung des Landes steht, zu Gesprächen über die deutsch-mauretanische Zusammenarbeit. Mauretanien leiste “einen sehr, sehr konstruktiven Beitrag für den Frieden in der Region”, sagte Schulze. In einem Monat will sie das Land erneut besuchen, auch eine Visite in Burkina Faso ist geplant. Burkina ist derzeit eines der am stärksten von terroristischer Gewalt betroffenen Länder im Sahel. ajs/lcw

Mut hatte Emmanuel Macron schon gezeigt, als er im vergangenen Dezember bei der Klimakonferenz COP27 in Ägypten ankündigte, einen globalen Gipfel zur Klimafinanzierung einzuberufen. Es ging dabei nicht um die jährlich 100 Milliarden Dollar, die die entwickelten Staaten bereits 2009 bei der Konferenz von Kopenhagen versprochen, aber nicht geliefert hatten. Es ging um ganz andere Beträge: Billionen, die gebraucht werden, um die schwächeren Teile der Weltgemeinschaft dabei zu unterstützen, sich an den eskalierenden Klimawandel anzupassen und die globale Energiewende voranzutreiben.
Macron griff mit seiner Ankündigung eine Initiative der Premierministerin von Barbados, Mia Mottley, auf. Sie war durch eine Reihe von Reden bei COP 26 in Glasgow, vor den Vereinten Nationen und bei der COP27 zur mächtigen Stimme des globalen Südens geworden. Mit ihrer “Bridgetown Agenda” forderte Mottley eine Reform des internationalen Finanzsystems.
Die Finanzierungsprobleme der Entwicklungs- und Schwellenländer haben sich durch zwei Entwicklungen verschärft: Zum einen haben die Schocks der vergangenen Jahre – von Corona über die Explosion der Nahrungs- und Energiepreise in Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine – die Schuldensituation vieler Staaten dramatisch verschlechtert. Zum anderen verteuert die von den Zentralbanken wichtiger Industriestaaten eingeläutete Zinswende massiv die Refinanzierung dieser Schulden, aber auch die Finanzierung der kapitalintensiven Klima-Investitionen in Wind, Sonne, Wasserstoff und neue Netze.
Immer mehr hoch verschuldete Länder geraten in Zahlungsschwierigkeiten: Sri Lanka, Sambia, Tschad, Ghana und Äthiopien haben bereits Umschuldungsverhandlungen eingeleitet. Etwa 60 Entwicklungs- und Schwellenländer wurden jüngst von IWF und UNDP als hoch verschuldet eingestuft. Diese neue akute Schuldenkrise schob sich im ersten Halbjahr 2023 mit Macht in den Vordergrund der Diskussionen.
Angesichts einer zunehmend multipolar gespaltenen Welt waren die Erwartungen an ein ambitioniertes Ergebnis gering. Und tatsächlich ist die Abschlusserklärung des Gipfels eine Serie von Gemeinplätzen, denen kaum jemand widersprechen konnte.
Viel bedeutsamer könnte die Entwicklung von Vorschlägen sein, die verschiedene Staats- und Regierungschefs in Paris vorgestellt haben, und um die sich Koalitionen von Willigen gebildet haben. Sie wollen sich damit über die G20 und die Verwaltungsräte der internationalen Finanzinstitutionen für Reformen einsetzen. Die französischen Gastgeber bündelten diese Vorschläge in einem “Chair’s Summary”. Mit einem detaillierten Zeitplan versehen, könnten sie wichtige Impulse für die Lösung der ausstehenden Probleme geben.
Wir wollen hier vor allem eine Initiative der kolumbianischen Regierung hervorheben, der sich Kenia und Frankreich angeschlossen haben. Sie fordern einen “Global Expert Review on Debt, Nature and Climate”, der die Zusammenhänge zwischen Verschuldung und ökologischer Krise untersuchen und konkrete Vorschläge entwickeln soll. Dabei sollen auch ambitionierte Vorschläge für eine umfassende Entschuldung für Klimaschutz auf den Prüfstand kommen, wie sie das Projekt “Debt Relief for a Green and Inclusive Recovery” entwickelt hat. In der Vergangenheit haben solche hochrangigen Kommissionen oft wichtige Impulse gegeben.
Bedeutsam ist auch eine Ankündigung am Rande des Gipfels: Die in den V20 zusammengeschlossenen Finanzminister von 58 klimavulnerablen Ländern mit 1,5 Milliarden Menschen riefen in Paris eine Koalition von Schuldnerstaaten ins Leben, die sich nun abgestimmt in die internationalen Diskussionen um Entschuldung einbringen wollen. Ein wichtiger Schritt, um das gewaltige Machtgefälle zwischen Schuldnern und Gläubigern etwas auszugleichen.
Ulrich Volz ist Professor am Centre for Sustainable Finance der SOAS University of London und Co-Chair des von der Heinrich-Böll-Stiftung mitinitiierten Projekts “Debt Relief for a Green and Inclusive Recovery”. Jörg Haas ist Referent für Globalisierung und Transformation der Heinrich-Böll-Stiftung.
The East African: EU will mehr Einfluss in Ostafrika. Europa behauptet zwar, dass es auf dem Kontinent nicht mit China konkurriert, engagiert sich jedoch vorrangig in Sektoren, die bisher von der Volksrepublik dominiert wurden. Auf dem EU-Afrika-Gipfel im Februar hat sich die EU zu Investitionen in Höhe von 150 Milliarden verpflichtet.
Al Jazeera: Nigeria will Steuererhebungsquote verdoppeln. Nigeria plant, seine extrem niedrige Steuerquote innerhalb von drei Jahren auf mindestens 18 Prozent des BIP zu erhöhen. Dies soll die Abhängigkeit von Krediten zur Finanzierung öffentlicher Ausgaben verringern, so das nigerianische Präsidentenbüro in einer Erklärung.
Bloomberg: Visa-Chaos bedroht deutsche Firmen in Südafrika. Die AHK Südliches Afrika beklagt, der Stillstand bei der Beantragung von Arbeitserlaubnissen in Südafrika behindere die Expansion deutscher Unternehmen im Land. Dies gefährde Betriebe mit insgesamt 100.000 Arbeitsplätzen.
Mail & Guardian: Weniger Stromausfälle in Südafrika. Der staatliche Stromversorger Eskom habe durch weniger Kraftwerksausfälle den Kapazitätsverlust nachhaltig reduzieren können, so Stromminister Ramokgopa. Dies habe auch die Wartungsabschaltung von mehr Anlagen als geplant ermöglicht.
Semafor: Angeschlagenes Projekt “Grüne Mauer” sucht private Investoren. Das von der Afrikanischen Union geführte Projekt, mit dem bis 2030 etwa 100 Millionen Hektar heruntergewirtschaftetes Land zwischen Senegal und Dschibuti aufgeforstet werden sollen, gerät immer wieder in Stocken. Bisher wurden nur 20 Millionen Hektar realisiert.
Le Monde: Ruanda erwartet wirtschaftliche Vorteile von militärischen Erfolgen in Mosambik. Ruandische Truppen haben mit finanzieller Unterstützung der EU die mosambikanische Provinz Cabo Delgado befriedet. Der französische Energiekonzern Total verfolgt dort ein großes Gasprojekt. Auch ruandische Unternehmen sind bereits im Land.
Devex: Schuldzuweisungen im Sudan-Konflikt. Nachdem der UN-Gesandte Volker Perthes in Sudan zur Persona non Grata erklärt wurde, gestalten sich die Friedensverhandlungen schwierig. International wird die Kritik an Perthes und der UN lauter. Diese habe den erneuten Konflikt durch ihre laxe Herangehensweise nach der Absetzung Omar al Baschirs erst ermöglicht, so der Vorwurf.
The Intercept: Marokko kauft israelische Drohnen. Seit der Normalisierung der Beziehungen mit Israel im Jahr 2020 hat das Königreich dort mindestens 150 Militärdrohnen gekauft, um sie gegen die saharauische Frente Polisario einzusetzen. Die Verbreitung von Drohnen in Marokko macht den ohnehin schon ungleichen Krieg zwischen dem Königreich und der Polisario völlig asymmetrisch.
Africa Defense Forum: Monusco-Rückzug könnte Sicherheitsvakuum hinterlassen. Die UN-Friedensmission in der DR Kongo ist bei der Bevölkerung unbeliebt. Im Dezember wird sie nach 24 Jahren auslaufen. Doch die Mission hinterlässt ein weiterhin von Konflikten schwer gebeuteltes Land, besonders in den östlichen Regionen.
African Business: Fonds der katholischen Kirche unterstützt Mikrofinanzierungen in Äthiopien. Der Global Solidarity Fund der katholischen Kirche will Kleinstkreditdienste für Binnenvertriebene und bedürftige Menschen unterstützen. Partner des Projekts sind die äthiopischen Banken Elebat Solutions und Hibret Bank.

Mit seinen Vorstellungen zu Afrika dürfte sich Martin Schoeller in Unternehmerkreisen nicht nur Freunde machen. Der Unternehmer führt mit seinem Bruder Christoph die Schoeller Group in Pullach bei München, eines der großen Familienunternehmen in Deutschland mit rund 4000 Angestellten und mehr als einer Milliarde Euro Umsatz.
Er hält es für notwendig, dass die Löhne in Afrika nennenswert steigen. Deshalb greift er auf ein berühmtes Vorbild zurück: Der Autofabrikant Henry Ford (1863 bis 1947) förderte nicht nur die Massenfertigung von Autos, sondern hob auch die Löhne der Arbeiter in seinen Fabriken überdurchschnittlich an. Seine Fabriken könnten nichts verkaufen, argumentierte Ford, wenn es keine Menschen gebe, die sich die dort hergestellten Produkte auch leisten könnten.
Höhere Löhne werden nach Schoellers Ansicht in Afrika eine positive Kettenreaktion auslösen: Kaufkraft schaffen, Nachfrage ankurbeln, Geburtenraten senken, den Wohlstand der breiten Massen mehren und somit eine Wirtschaftsdynamik erzeugen, die den Kontinent dauerhaft nach oben ziehen wird. Dies sei das Grundprinzip der sozialen Marktwirtschaft, sagt der Unternehmer, wobei er sich einer großen Hürde bewusst ist: “Der Begriff soziale Marktwirtschaft lässt sich ja gar nicht ins Englische übersetzen.”
Martin Schoeller entstammt einer der ältesten Unternehmerfamilien in Deutschland und einer besonders weit verzweigten. Die Familie engagiert sich bei Textilien, Papier, Zucker, Stahl, Schiffen, Banken und Verpackungen. Die Schoellerbank in Österreich gehört der Familie, die berühmt Marke Schoeller Eis wurde ebenfalls von ihr aufgebaut. Die monumentalen Grabdenkmäler auf dem Friedhof von Düren zeugen noch heute vom unternehmerischen Erfolg der Familie.
Die Familienmitglieder sind zwar so lose miteinander verbunden, dass all die unterschiedlichen Aktivitäten nie unter ein Konzerndach gezwängt wurden. Und doch stehen die Verwandten so eng zusammen, dass sie einen Familienverband pflegen, den Martin Schoeller lange anführte.
Der 68 Jahre alte Unternehmer studierte an der ETH Zürich und schloss sein Studium als Diplom-Ingenieur ab. Er begann seine Karriere als Betriebsleiter in Brasilien und übernahm von 1984 an die Unternehmensleitung der Schoeller Group, gemeinsam mit seinem Bruder Christoph. Der Vater war ein Pionier der Verpackungsindustrie, der den Flaschenkasten aus Kunststoff erfand, wie er heute überall gängig ist. Die nächste Generation stieß unternehmerisch dann in eine neue Dimension: Martin und Christoph Schoeller bauten das damals noch kleine Unternehmen zu einem Weltkonzern aus.
Martin Schoellers große Leidenschaft gilt Afrika. Auch wenn der Schoeller-Konzern dort, auf dem Kontinent aktiv ist, dient sein Engagement nicht nur dem wirtschaftlichen Erfolg seines Unternehmens. Zusammen mit dem Journalisten Daniel Schönwitz hat er ein Buch geschrieben, in dem er sein entwicklungspolitisches Bekenntnis vorstellt: “Africa First! Die Agenda für unsere gemeinsame Zukunft”. Darin begründet er ausführlich seine Forderung nach einer sozialen Marktwirtschaft in Afrika. Das Buch flankiert die Stiftung Africa First Foundation. Lange stand er dem Verband die Familienunternehmen in Bayern vor. Schoeller engagiert sich auch als Honorarkonsul für Togo.
Für verhängnisvoll hält Schoeller den Druck, den Europa aufbaut, um E-Fuels in Afrika zu fördern. Diese synthetischen Kraftstoffe werden aus Wasser und Kohlendioxid erzeugt, müssen aber in der Herstellung mehrere Umwandlungsstufen durchlaufen. Deshalb sei ihre Produktion viel zu aufwändig. Der Unternehmer plädiert vielmehr dafür, Biokraftstoffe zu fördern, die aus Biomasse gewonnen werden, beispielsweise aus Getreide, Ölpflanzen, Rüben oder Holz. “Biofuels aus Afrika sollten zum Pfeiler einer vernünftigen Energiewende werden”, lautet Schoellers Plädoyer.
Biokraftstoffe könnten heute in den meisten Verbrennungsmotoren mit nur wenigen Veränderungen verwendet werden und vor allem in kleinen Anlagen, dezentral hergestellt werden. Diese hätten die gleichen Eigenschaften wie Benzin oder Diesel, könnten für den aktuellen Fahrzeugbestand in Afrika genutzt werden und stünden leicht in großen Mengen zur Verfügung.
Mit seinem Engagement für Afrika denkt Schoeller eher an das große Ganze und weniger an seinen eigenen Vorteil als Unternehmer. Da will er es wohl ebenfalls mit seinem Vorbild Henry Ford halten: “Ein Idealist ist ein Mensch, der anderen zu Wohlstand verhilft.” Christian von Hiller
Bola Tinubu, der neue Präsident Nigerias, hat nicht lange gezaudert und mutige Entscheidungen getroffen. Zuerst hat er die Ölsubventionen gestrichen und jetzt den Wechselkurs der Naira freigegeben. Die meisten Politiker, nicht nur in Afrika, auch sonstwo auf der Welt, schrecken vor solchen Maßnahmen zurück. Wir analysieren die Folgen von Tinubus ersten Wirtschaftsreformen.
Der Bau neuer Eisenbahnlinien zählt derzeit auf dem Kontinent zu den beliebtesten Infrastrukturprojekten. Arne Schütte beschreibt das Wettrennen, das sich gerade Kenia und Tansania liefern.
Facebook hat in Afrika große Bedeutung, doch leider auch in der Verbreitung von Hass und Gewalt. Wir haben mit dem Medienexperten Christoph Plate gesprochen – auch darüber, warum russische Medien in Afrika so beliebt sind.
Wir stellen Ihnen den deutschen Unternehmer Martin Schoeller vor, der eine private Initiative für Afrika gestartet hat: Er will die soziale Marktwirtschaft und den Gebrauch von Biokraftstoffen fördern.
Und schließlich bieten wir Ihnen auch diese Woche wieder spannende Nachrichten und wertvolle Einsichten.
Wenn Ihnen der Africa.Table gefällt, leiten Sie uns bitte weiter. Und falls Ihnen diese Mail weitergeleitet wurde: Hier können Sie sich für den Africa.Table und weitere Themen anmelden.
Der Krieg in der Ukraine mag die globalen wirtschaftlichen Beziehungen verändert haben, doch eines bleibt: Ein guter Zugang zum Weltmarkt ist für Wachstum und Handel unerlässlich. Das gilt auch in Ostafrika, wo Kenia und Tansania ihre Transportinfrastruktur modernisieren und erweitern. Beide Länder bauen nicht nur ihre Häfen in Mombasa und Daressalam aus, sondern erweitern auch die Handelshäfen in Lamu und Tanga. Die Häfen wiederum sind an die Eisenbahn angeschlossen – und beim Ausbau ebendieser liefern sich Kenia und Tansania einen regelrechten Wettlauf.
Beim ostafrikanischen Eisenbahnrennen geht es zum einen darum, das eigene Land besser an den Weltmarkt anzuschließen und so den Handel zu erleichtern, ausländische Investoren anzulocken und die heimische Wirtschaft anzukurbeln. Der wahrscheinlich wichtigere Aspekt ist jedoch die geoökonomische Konkurrenz um die Vormachtstellung als Transportdrehscheibe Ostafrikas. Beide Länder setzen mit dem Ausbau ihrer Eisenbahnnetze darauf, die landumschlossenen Nachbarn Uganda, Ruanda und Burundi an das eigene Transportnetz anzuschließen und sich damit als unumgängliches Transitland zu positionieren.
Das ugandische Schienennetz ist zwar über Kenia bereits mit dem Indischen Ozean verbunden, jedoch sind die alten Schmalspurschienen weder in gutem Zustand noch reicht ihre Kapazität für den Gütertransport aus. In Ruanda und Burundi gibt es noch gar kein Schienennetz. Güter müssen mühsam mit Lastwagen ins Land geschafft oder teuer mit dem Flugzeug eingeflogen werden. Die drei Länder bieten großes Potenzial, was den wachsenden Gütermarkt angeht, allen voran Ruanda. In der Dekade bis 2019 war die Wirtschaftsleistung des kleinen Landes laut Weltbank im Durchschnitt um mehr als sieben Prozent jährlich gestiegen. Im vergangenen Jahr lag der Zuwachs sogar bei 8,2 Prozent. Burundi besitzt zudem Nickelvorkommen.
Die Projekte sind Teil des East African Railway Master Plan. Langfristig sollen die Strecken miteinander verbunden werden und so eine bessere regionale Interkonnektivität schaffen. Perspektivisch soll auch der rohstoffreiche Osten der DR Kongo an das Schienennetz angeschlossen werden. Dabei drängt die Zeit, denn wenn profitable Transportverträge erst einmal abgeschlossen sind, fällt es alternativen Anbietern schwer, zu konkurrieren. “Wer zuerst fertig ist, wird den Handel in der Region dominieren”, sagte ein ehemaliger kenianischer Staatssekretär im Transportministerium im Gespräch mit der tansanischen Zeitung The Citizen.
Beim Eisenbahnrennen hatte Kenia lange die Nase vorn. Schon 2011 war eine Absichtserklärung mit der China Road & Bridge Corporation über den Ausbau der Schmalspurstrecke zwischen Mombasa und Nairobi auf Normalspur von 1435 mm Spurweite (standard gauge railway, SGR) unterzeichnet worden. Die neue SGR-Bahn, zu 90 Prozent finanziert von der chinesischen Export-Import Bank, wurde 2017 eingeweiht und ist inzwischen bis Naivasha verlängert worden. Doch die Verlängerung bis zur ugandischen Grenze ist bislang nicht angelaufen, denn die Strecke Mombasa-Nairobi ist nicht profitabel, und die chinesischen Investoren sind unwillens, weitere Mittel für den Ausbau aufzubringen. Allein kann Kenia die Modernisierung nicht fortführen. Dafür ist die Finanzlage des Landes zu schlecht. Weiter nördlich plant Kenia als Teil des LAPSSET-Korridors eine zweite SGR-Strecke, die den Hafen von Lamu mit Äthiopien und der südsudanesischen Hauptstadt Juba verbinden soll. Auch der Bau dieser Strecke hat bislang nicht begonnen.

Dass der kenianische SGR-Ausbau stockt, ist auch für Uganda nicht gut. Dort ist ebenfalls eine Aufrüstung des alten Schmalspurnetzes auf SGR geplant. Doch ohne Anschluss an Kenia und damit den Indischen Ozean ist eine moderne Eisenbahn kaum etwas wert. Nun hat Uganda offenbar genug von der Warterei und will den Ausbau trotzdem versuchen: Das Land hat sich kürzlich von seinen chinesischen Partnern getrennt und eine Absichtserklärung mit dem türkischen Bauunternehmen Yapı Merkezi unterzeichnet.
In Tansania hingegen schreitet der SGR-Ausbau stetig voran. Erst im Juni hat das tansanische Transportministerium weitere 477 Millionen Dollar für das Projekt beantragt. Zwei Streckenabschnitte sind bereits abgeschlossen (Daressalam-Morogoro und Morogoro-Makutopora), gebaut von Yapı Merkezi und der portugiesischen Mota-Engil. Zwei weitere Abschnitte sind derzeit im Bau. Die Strecke Makutopora-Tabora-Isaka wird ebenfalls von Yapı Merkezi gebaut. Den Abschnitt zwischen Isaka und Mwanza übernehmen China Civil Engineering Construction und China Railway Construction Company. Der letzte Abschnitt zwischen Tabora und Kigoma soll ebenfalls von den chinesischen Unternehmen gebaut werden. Mit der DB Consulting & Engineering ist auch ein deutsches Unternehmen an den Planungsstudien des Projekts beteiligt.
Neben der Nachrüstung des bestehenden Netzes auf SGR plant Tansania außerdem den Bau komplett neuer SGR-Strecken nach Ruanda und Burundi sowie die Modernisierung der Tazara-Verbindung nach Sambia. Erst kürzlich haben sich Tansania und Burundi über den Bau einer elektrifizierten Strecke verständigt, an deren Finanzierung die Afrikanische Entwicklungsbank interessiert ist. Bis 2026 soll der Ausbau der tansanischen SGR abgeschlossen sein. In Kenia hingegen ist noch kein Datum abzusehen.
Bola Tinubu, Nigerias neuer Präsident, bricht mit der Politik seines Vorgängers Buhari: Er hat erst den Gouverneur der Zentralbank, Godwin Emefiele, abgesetzt und dann die zahlreichen Wechselkurse im Land vereinheitlicht, genauer gesagt: freigegeben. Damit verordnet er dem Land eine schmerzhafte Rosskur.
Denn das Land lebt von Öl- und Gasexporten, die rund 90 Prozent der Exporterlöse ausmachen. Immerhin ist Nigeria größter Mineralölexporteur Afrikas. Doch dafür zahlt das Land einen hohen Preis. Vor allem waren durch das Wechselkursregime Dollar und Euro notorisch knapp.
Nigeria leidet unter einem Effekt, den Ökonomen als “Holländische Krankheit” bezeichnen: Durch den Export von Erdöl fließen große Mengen an Devisen ins Land. Werden diese Dollar in nigerianische Naira umgetauscht, steigt der Wechselkurs der Naira. Dadurch werden Importe billiger und Exporte teurer, wodurch sich die internationale Wettbewerbsfähigkeit verschlechtert. Auch erhöhen sich dadurch Löhne, Immobilienpreise und die Preise für andere Güter, was für nigerianische Unternehmen zu höheren Produktionskosten führt.
Jahrelang galten in Nigeria verschiedene Wechselkurse. Den offiziellen legte die Zentralbank fest und konnte so den Außenwert der Naira künstlich niedrig halten. Daneben galt ein inoffizieller Wechselkurs. Nach diesem höheren Kurs richtete sich der Preis für importierte Waren wie Weizen, die in Dollar gehandelt werden. Für andere Branchen galten andere Kurse. Und dann gab es noch den Schwarzmarkt, auf dem der Abstand zum offiziellen Wechselkurs zum Teil 60 Prozent und mehr betrug.
Die Folge war, dass heimische Produzenten gegenüber ausländischen unter einem erheblichen Wettbewerbsnachteil litten. Tausende Hektar von Plantagen liegen brach, weil der Import günstiger ist als die Produktion eigener Lebensmittel.
Die Abschaffung der Verzerrungen am Devisenmarkt führte zu heftigen Kurssprüngen: Bis Mitte Juni wurde der Euro zwischen 490 Naira und 500 Naira gehandelt. Mit der Freigabe stürzte der Wert der nigerianischen Währung schlagartig auf bis zu 890 Naira ab. Aktuell gibt es für einen Euro rund 842 Naira.
Durch Tinubus wirtschaftspolitische Reformen schoss die Inflation schon im Mai auf ein Siebzehn-Jahres-Hoch von 22,4 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Ulrich Stephan, Chefanlagestratege der Deutschen Bank, erwartet, dass die Inflation auf mehr als 30 Prozent steigen und dass die Zentralbank den Leitzins um drei Prozentpunkte auf 21,5 Prozent erhöhen wird.
Ungeachtet der dramatischen Folgen für die Bevölkerung erhält Tinubu auch Beifall für seine Radikalkur. “Es ist sehr erfrischend, das in Nigeria zu sehen”, sagte Thys Louw, Fondsmanager in London beim Asset Manager Ninety One, dem Wall Street Journal. “Sowohl das Fiskal- als auch das Wechselkurssystem waren nicht mehr tragbar.” Das Land benötige kurzfristige Schmerzen, um langfristig Erfolg zu haben.
“Das war überfällig“, kommentierte Charlie Robertson, Leiter der Makrostrategie bei FIM Partners, einem auf Schwellenmärkte spezialisierten Vermögensverwalter: “Eine dringend notwendige Abwertung”, meinte er. “Dies sollte die Leistungsbilanz und das langfristige Investitionsklima verbessern.”
Das Argument in der Finanzwelt: Das Ende der Devisenrationierung werde die Investitionen ankurbeln, da für nigerianische Unternehmen nun der Zugang zu Dollar leichter wird. Die Abschaffung der Ölsubventionen und die Freigabe der Wechselkurse würden kurzfristig Leiden bringen, aber längerfristig gut sein. Die verteuerten Importe schafften Anreize für nigerianische Unternehmer, die inländische Produktion zu stärken.
Er habe diese Entscheidung getroffen, “um das Land vor einer finanziellen Ausblutung zu retten”, sagte Tinubu kürzlich auf einem Empfang in Lagos. Er persönlich habe ja genügend Geld, um von der Arbitrage zwischen den Wechselkursen zu profitieren. “Aber Gott bewahre, dafür wurde ich doch nicht gewählt”, sagte Tinubu weiter.
Die Liberalisierung der Devisenmärkte erleichtert es ausländischen Investoren, ihre Erlöse aus Nigeria auszuführen. Das sollte den Zufluss ausländischen Kapitals steigern und die Wirtschaft beleben. Dadurch wachsen auch die Anreize für deutsche Unternehmen, mit Nigeria Handel zu treiben oder im Land zu investieren.

Wie werden heute Medien in Afrika konsumiert?
Das wichtigste Medium ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk, den es in jedem Land gibt. Diese Sender sind wichtig, weil sie eine Informationspflicht haben, man sie überall empfangen kann und das kostenlos. Wir helfen, dass diese Sender sich wieder mehr auf ihre Grundaufgaben konzentrieren. Dann gibt es die Eliten, darunter die wachsende Mittelschicht, die für Informationen zahlen. Sie abonnieren Webseiten und Newsletter. Aber das bleibt ein Privileg der Eliten in den Städten.
Liest man in Afrika überhaupt noch Zeitung?
Sehr viel weniger als vielleicht vor 25 Jahren. Beim demokratischen Aufbruch in vielen afrikanischen Ländern zum Ende des Ost-West-Konfliktes Anfang der 1990er Jahre waren Zeitungen maßgeblich. Doch zahlreiche Verleger haben den Sprung ins Internet verschlafen. Jetzt sind sie aufgewacht. Auch deswegen ist Papier inzwischen ein Auslaufmodell.
Wie hat sich der Medienkonsum in den vergangenen Jahren verändert?
Wir beobachten in Afrika ein Phänomen, ähnlich wie in Europa, dass sich nämlich in den sozialen Medien jeder selbst journalistisch betätigen kann. Diesen Bürgerjournalismus haben wir jetzt auch in Afrika. Meist ist es ein Mitteilungsjournalismus, bei dem etwa über die nächste Gemeindesitzung informiert wird. Das ist kein kritischer Journalismus. Und ähnlich wie in Europa ist die Werbung ins Internet abgewandert. Nun ist es wichtiger denn je, die Einnahmen zu diversifizieren. Manche Medien binden Leser mit Spezialinteressen, also zum Beispiel für Bergbau.
Also bezahlen die Kunden für den Dienst?
Ja, aber die traditionellen Medienhäuser, die immer noch gerne Generalisten sein wollen, werden zunehmend Schwierigkeiten haben. Manche haben sich inzwischen auf investigative Recherche spezialisiert, decken Korruptionsfälle auf oder fokussieren sich auf Themen wie Klimawandel oder Infrastruktur.
Wie sieht es in Afrika mit Twitter und Facebook aus?
Afrika ist ein Facebook-Kontinent. Nur in wenigen Ländern wie zum Beispiel in Südafrika gibt es eine lebendige Twitter-Szene. Dort leben politische Botschaften von einer hohen Aggressivität, besonders auf Facebook und Twitter. Wir haben im vergangenen Jahr eine Konferenz zum Umgang von Medien und kritischen Journalisten gemacht, zu den Möglichkeiten sozialer Medien und den Herausforderungen hinsichtlich Tribalismus und religiöser Gewalt. Es ist besorgniserregend, was da passiert. Facebook scheint nicht bereit zu sein, seine Algorithmen dahingehend zu ändern, dass ganz brutale Posts, die auch zu politischer, ethnischer oder religiöser Gewalt auf dem Kontinent führen können, künftig gelöscht werden. Im Gegenteil. Die Algorithmen sind so zugeschnitten, dass alles Aggressive und Tribalistische sofort nach oben schießt. Das halte ich für sehr gefährlich. Facebook stellt zwar weitere Moderatoren für Afrika ein, diese decken allerdings nur rund zehn gängige Sprachen ab.
Wie kann man da gegensteuern?
Das ist schwierig. Viele afrikanische Regierungen pflegen ein gutes Verhältnis zu Facebook. Denn das Unternehmen erlaubt ihnen auch, ihre eigene Bevölkerung zu überwachen. Ich glaube, das Wichtigste wären Seminare, die über die Gefahren aufklären, so wie wir das in Deutschland schon vor zehn oder 15 Jahren hatten. Da haben wir gelernt, besser mit den sozialen Medien umzugehen.
Wie steht es um Medienfreiheit auf dem Kontinent?
Heute ist die Medienfreiheit in Afrika viel größer als vor 25 Jahren. Es gibt heute kaum noch Regierungen in Afrika, die es sich leisten können, die Medien zu ignorieren. Das sieht man vor allem in starken Ländern wie Kenia, Nigeria und Südafrika. Dennoch: Die größte Herausforderung bleibt, dass Medienkonsumenten nicht immer zwischen seriösem und unseriösen Journalismus unterscheiden können.
Wie sieht es mit Medien aus China und Russland aus?
Bei der chinesischen Berichterstattung, wie etwa bei CCTV, reden wir viel vom sogenannten Sonnenscheinjournalismus, der über alles Mögliche berichtet, aber keine kritischen Fragen stellt. Aber mit diesem Narrativ einher geht die Propagierung des chinesischen Regierungsmodells. Bei den Russen ist es vor allem Russia Today. Der Sender investiert stark in größere Präsenz in Afrika und bietet vielen afrikanischen Sendern Inhalte kostenlos an. In beiden Fällen geht es natürlich darum, Einfluss zu nehmen. Aber das russische Narrativ gefällt hier auch vielen, denn es versucht, den Westen herauszufordern. Die Doppelstandards des Westens werden von den Russen benannt, und das finden viele gut. Der Krieg in der Ukraine wird dabei einfach ignoriert.
Interessieren sich Afrikaner überhaupt für den Krieg in Osteuropa?
Ja, die Menschen, die in Politik und Wirtschaft arbeiten, möchten schon wissen, was außerhalb des Kontinents passiert. Aber das größte Interesse gilt den eigenen Ländern. Es gibt eine Selbstbezogenheit, die etwa in Südafrika beklemmend ist.
Wie wird sich die Medienlandschaft auf dem Kontinent entwickeln?
Medien werden zunehmend auf Geldgeber und Spender angewiesen sein. Nur wenige Medien haben eine Strategie, die es ihnen erlaubt, Geld zu verdienen. Ich hoffe, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk aufwacht und dass Zivilgesellschaften ihn wieder zu ihrem Rundfunk machen werden, denn das ist das Medium, das die Mehrheit der Menschen in Afrika erreicht.
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Der für August in Südafrika angesetzte BRICS-Gipfel wird in Präsenz stattfinden. Dies verkündete Präsident Ramaphosa am Sonntag. Zuvor hatte die südafrikanische Regierung in Erwägung gezogen, den Gipfel nur digital auszurichten. Damit wollte die Republik vermeiden, den russischen Präsidenten Wladimir Putin verhaften zu müssen, falls dieser das Land besuchen sollte. Gegen Putin liegt ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs vor, zu dessen Durchsetzung Südafrika als Unterzeichner der Gerichtsstatute eigentlich verpflichtet wäre. Eine Verhaftung des russischen Verbündeten ist für Südafrika jedoch undenkbar. Die Republik hat noch nicht erklärt, wie sie mit diesem Dilemma umgehen wird.
Südafrika hat derzeit den Vorsitz der BRICS inne, einer Gruppe von Schwergewichten, der auch Brasilien, Russland, Indien und China angehören. Der Wirtschaftsblock fordert auch die von den USA und Europa geführten globalen Governance-Strukturen heraus, unter anderem durch eine mögliche gemeinsame Währung. Der 15. BRICS-Gipfel wird vom 22. bis 24. August im Sandton Convention Centre in der Finanzmetropole Johannesburg stattfinden. ajs
In der vergangenen Woche hat die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) den World Investment Report 2023 veröffentlicht. Im aktuellen Bericht liefert die UNCTAD Kennziffern, unter anderem zu ausländischen Direktinvestitionen (FDI), Greenfield-Projekten und internationaler Projektfinanzierung.
Insgesamt ist das FDI-Volumen in Afrika im Jahr 2022 gesunken, was allerdings einer einzigen außergewöhnlichen Transaktion im August 2021 geschuldet ist. Damals hatte der südafrikanische Medienkonzern Naspers einen Aktientausch mit seiner niederländischen Tochtergesellschaft Prosus durchgeführt, der die FDIs in Südafrika in der Statistik in die Höhe schießen ließ. So lag das FDI-Volumen 2020 bei 39 Milliarden Dollar, im Ausnahmejahr 2021 bei 80 und im vergangenen Jahr bei 45 Milliarden Dollar. Die ausländischen Investitionen auf dem Kontinent folgen also einem positiven Trend. Auch die Zahl der Greenfield-Projekte steigt an, zuletzt um 39 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Dabei sind erhebliche regionale Unterschiede erkennbar. Im Süden und im Westen des Kontinents sind die ausländischen Investitionen um 84 beziehungsweise 35 Prozent zurückgegangen, in Zentralafrika unverändert. Nordafrika hingegen konnte einen Zuwachs von 58 Prozent verbuchen, im Osten des Kontinents waren es immerhin drei Prozent.
In einer Pressemitteilung kommentierte Christoph Kannengießer, Geschäftsführer des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft, die neuen Zahlen. Deutschland sei mit einem Volumen von 15 Milliarden nun unter den Top Ten der Investorenländer in Afrika und habe zudem beim Handelsvolumen einen neuen Rekord erreicht. “In den kommenden Jahren hoffen wir weiterhin auf einen positiven Trend”, so Kannengießer. ajs
In der vergangenen Woche hat ein chinesischer Minenkonzern in der Nähe der simbabwischen Hauptstadt Harare eine Anlage zur Verarbeitung von Lithium eröffnet, berichtet die Nachrichtenagentur AP. Betreiber ist Prospect Lithium Zimbabwe, eine Tochtergesellschaft von Zhejiang Huayou Cobalt. Die Anlage, die 300 Millionen Dollar gekostet hat, soll perspektivisch bis zu 4,5 Millionen Tonnen Lithiumkonzentrat pro Jahr produzieren. Starten soll die Produktion mit rund 450.000 Tonnen. Das Lithiumkonzentrat wird zur weiteren Verfeinerung ins Ausland exportiert.
Lithium ist ein wichtiger Bestandteil von Batterien für Elektrofahrzeuge. Um von der steigenden Nachfrage zu profitieren, hat Simbabwe im vergangenen Jahr die Ausfuhr von rohem Lithiumerz verboten. Damit hat sich Simbabwe Ländern wie Indonesien und Chile angeschlossen, die versuchen, ihre Erträge aus Lithium-, Kobalt- und Nickelvorkommen zu maximieren. Sie verlangen von den Bergbauunternehmen, dass sie vor Ort in die Raffinierung und Verarbeitung investieren, bevor sie exportieren. Simbabwe hat die größten Lithiumvorkommen in Afrika und strebt langfristig an, Batterien im eigenen Land zu produzieren. ajs
Entwicklungsministerin Svenja Schulze ist am Montag bei der Generalversammlung der Sahel-Allianz in der mauretanischen Hauptstadt Nouakchott zur Präsidentin der Gruppe gewählt worden. Deutschland übernimmt damit den Vorsitz von Spanien. Die Allianz ist der wichtigste Verbund von Unterstützern der Sahelländer und zählt 18 Mitglieder. Sie koordiniert die internationale Unterstützung der Sahelstaaten Mauretanien, Mali, Burkina Faso, Niger und Tschad, die sich in der Gruppe G5 Sahel zusammengeschlossen haben. Mali hat sich aus dem Bündnis im Mai vergangenen Jahres zurückgezogen. Neben Staaten wie Deutschland, Frankreich oder den Niederlanden sind auch multilaterale Institutionen wie Weltbank, Afrikanische Entwicklungsbank und das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen Teil der Allianz. Die Initiativen und Investitionen der Allianz-Mitglieder belaufen sich auf mehr als 28 Milliarden Euro.
Schulze will ihre Wahl als Zeichen verstanden wissen, dass die Bundesregierung im Sahel trotz des beschlossenen Endes der Minusma-Friedensmission engagiert bleibt. Dabei setzt sie auf drei Schwerpunkte: Bildung, Ausbildung und Beschäftigung sollen bessere Perspektiven schaffen. Zudem sollen die Gesellschaften durch soziale Sicherung und Ernährungssicherheit gestärkt werden sowie staatsfreie Räume durch die Bereitstellung kommunaler Strukturen zurückgedrängt werden.
Das Entwicklungsministerium verfolgt außerdem den Ansatz der Sahel-Plus-Initiative, die sich mit den Auswirkungen der Instabilität im Sahel auf die Anrainerstaaten befasst, etwa im Senegal, in der Elfenbeinküste, in Ghana, Togo und Benin. Die Arbeit im Rahmen der Initiative konzentriert sich vor allem auf zivile Stabilisierung, die Bekämpfung von Krisenursachen und humanitäre Hilfe.
Kurz vor der Generalversammlung der Sahel-Allianz traf Schulze den mauretanischen Präsidenten Ghazouani, der für eine vorsichtige Öffnung des Landes steht, zu Gesprächen über die deutsch-mauretanische Zusammenarbeit. Mauretanien leiste “einen sehr, sehr konstruktiven Beitrag für den Frieden in der Region”, sagte Schulze. In einem Monat will sie das Land erneut besuchen, auch eine Visite in Burkina Faso ist geplant. Burkina ist derzeit eines der am stärksten von terroristischer Gewalt betroffenen Länder im Sahel. ajs/lcw

Mut hatte Emmanuel Macron schon gezeigt, als er im vergangenen Dezember bei der Klimakonferenz COP27 in Ägypten ankündigte, einen globalen Gipfel zur Klimafinanzierung einzuberufen. Es ging dabei nicht um die jährlich 100 Milliarden Dollar, die die entwickelten Staaten bereits 2009 bei der Konferenz von Kopenhagen versprochen, aber nicht geliefert hatten. Es ging um ganz andere Beträge: Billionen, die gebraucht werden, um die schwächeren Teile der Weltgemeinschaft dabei zu unterstützen, sich an den eskalierenden Klimawandel anzupassen und die globale Energiewende voranzutreiben.
Macron griff mit seiner Ankündigung eine Initiative der Premierministerin von Barbados, Mia Mottley, auf. Sie war durch eine Reihe von Reden bei COP 26 in Glasgow, vor den Vereinten Nationen und bei der COP27 zur mächtigen Stimme des globalen Südens geworden. Mit ihrer “Bridgetown Agenda” forderte Mottley eine Reform des internationalen Finanzsystems.
Die Finanzierungsprobleme der Entwicklungs- und Schwellenländer haben sich durch zwei Entwicklungen verschärft: Zum einen haben die Schocks der vergangenen Jahre – von Corona über die Explosion der Nahrungs- und Energiepreise in Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine – die Schuldensituation vieler Staaten dramatisch verschlechtert. Zum anderen verteuert die von den Zentralbanken wichtiger Industriestaaten eingeläutete Zinswende massiv die Refinanzierung dieser Schulden, aber auch die Finanzierung der kapitalintensiven Klima-Investitionen in Wind, Sonne, Wasserstoff und neue Netze.
Immer mehr hoch verschuldete Länder geraten in Zahlungsschwierigkeiten: Sri Lanka, Sambia, Tschad, Ghana und Äthiopien haben bereits Umschuldungsverhandlungen eingeleitet. Etwa 60 Entwicklungs- und Schwellenländer wurden jüngst von IWF und UNDP als hoch verschuldet eingestuft. Diese neue akute Schuldenkrise schob sich im ersten Halbjahr 2023 mit Macht in den Vordergrund der Diskussionen.
Angesichts einer zunehmend multipolar gespaltenen Welt waren die Erwartungen an ein ambitioniertes Ergebnis gering. Und tatsächlich ist die Abschlusserklärung des Gipfels eine Serie von Gemeinplätzen, denen kaum jemand widersprechen konnte.
Viel bedeutsamer könnte die Entwicklung von Vorschlägen sein, die verschiedene Staats- und Regierungschefs in Paris vorgestellt haben, und um die sich Koalitionen von Willigen gebildet haben. Sie wollen sich damit über die G20 und die Verwaltungsräte der internationalen Finanzinstitutionen für Reformen einsetzen. Die französischen Gastgeber bündelten diese Vorschläge in einem “Chair’s Summary”. Mit einem detaillierten Zeitplan versehen, könnten sie wichtige Impulse für die Lösung der ausstehenden Probleme geben.
Wir wollen hier vor allem eine Initiative der kolumbianischen Regierung hervorheben, der sich Kenia und Frankreich angeschlossen haben. Sie fordern einen “Global Expert Review on Debt, Nature and Climate”, der die Zusammenhänge zwischen Verschuldung und ökologischer Krise untersuchen und konkrete Vorschläge entwickeln soll. Dabei sollen auch ambitionierte Vorschläge für eine umfassende Entschuldung für Klimaschutz auf den Prüfstand kommen, wie sie das Projekt “Debt Relief for a Green and Inclusive Recovery” entwickelt hat. In der Vergangenheit haben solche hochrangigen Kommissionen oft wichtige Impulse gegeben.
Bedeutsam ist auch eine Ankündigung am Rande des Gipfels: Die in den V20 zusammengeschlossenen Finanzminister von 58 klimavulnerablen Ländern mit 1,5 Milliarden Menschen riefen in Paris eine Koalition von Schuldnerstaaten ins Leben, die sich nun abgestimmt in die internationalen Diskussionen um Entschuldung einbringen wollen. Ein wichtiger Schritt, um das gewaltige Machtgefälle zwischen Schuldnern und Gläubigern etwas auszugleichen.
Ulrich Volz ist Professor am Centre for Sustainable Finance der SOAS University of London und Co-Chair des von der Heinrich-Böll-Stiftung mitinitiierten Projekts “Debt Relief for a Green and Inclusive Recovery”. Jörg Haas ist Referent für Globalisierung und Transformation der Heinrich-Böll-Stiftung.
The East African: EU will mehr Einfluss in Ostafrika. Europa behauptet zwar, dass es auf dem Kontinent nicht mit China konkurriert, engagiert sich jedoch vorrangig in Sektoren, die bisher von der Volksrepublik dominiert wurden. Auf dem EU-Afrika-Gipfel im Februar hat sich die EU zu Investitionen in Höhe von 150 Milliarden verpflichtet.
Al Jazeera: Nigeria will Steuererhebungsquote verdoppeln. Nigeria plant, seine extrem niedrige Steuerquote innerhalb von drei Jahren auf mindestens 18 Prozent des BIP zu erhöhen. Dies soll die Abhängigkeit von Krediten zur Finanzierung öffentlicher Ausgaben verringern, so das nigerianische Präsidentenbüro in einer Erklärung.
Bloomberg: Visa-Chaos bedroht deutsche Firmen in Südafrika. Die AHK Südliches Afrika beklagt, der Stillstand bei der Beantragung von Arbeitserlaubnissen in Südafrika behindere die Expansion deutscher Unternehmen im Land. Dies gefährde Betriebe mit insgesamt 100.000 Arbeitsplätzen.
Mail & Guardian: Weniger Stromausfälle in Südafrika. Der staatliche Stromversorger Eskom habe durch weniger Kraftwerksausfälle den Kapazitätsverlust nachhaltig reduzieren können, so Stromminister Ramokgopa. Dies habe auch die Wartungsabschaltung von mehr Anlagen als geplant ermöglicht.
Semafor: Angeschlagenes Projekt “Grüne Mauer” sucht private Investoren. Das von der Afrikanischen Union geführte Projekt, mit dem bis 2030 etwa 100 Millionen Hektar heruntergewirtschaftetes Land zwischen Senegal und Dschibuti aufgeforstet werden sollen, gerät immer wieder in Stocken. Bisher wurden nur 20 Millionen Hektar realisiert.
Le Monde: Ruanda erwartet wirtschaftliche Vorteile von militärischen Erfolgen in Mosambik. Ruandische Truppen haben mit finanzieller Unterstützung der EU die mosambikanische Provinz Cabo Delgado befriedet. Der französische Energiekonzern Total verfolgt dort ein großes Gasprojekt. Auch ruandische Unternehmen sind bereits im Land.
Devex: Schuldzuweisungen im Sudan-Konflikt. Nachdem der UN-Gesandte Volker Perthes in Sudan zur Persona non Grata erklärt wurde, gestalten sich die Friedensverhandlungen schwierig. International wird die Kritik an Perthes und der UN lauter. Diese habe den erneuten Konflikt durch ihre laxe Herangehensweise nach der Absetzung Omar al Baschirs erst ermöglicht, so der Vorwurf.
The Intercept: Marokko kauft israelische Drohnen. Seit der Normalisierung der Beziehungen mit Israel im Jahr 2020 hat das Königreich dort mindestens 150 Militärdrohnen gekauft, um sie gegen die saharauische Frente Polisario einzusetzen. Die Verbreitung von Drohnen in Marokko macht den ohnehin schon ungleichen Krieg zwischen dem Königreich und der Polisario völlig asymmetrisch.
Africa Defense Forum: Monusco-Rückzug könnte Sicherheitsvakuum hinterlassen. Die UN-Friedensmission in der DR Kongo ist bei der Bevölkerung unbeliebt. Im Dezember wird sie nach 24 Jahren auslaufen. Doch die Mission hinterlässt ein weiterhin von Konflikten schwer gebeuteltes Land, besonders in den östlichen Regionen.
African Business: Fonds der katholischen Kirche unterstützt Mikrofinanzierungen in Äthiopien. Der Global Solidarity Fund der katholischen Kirche will Kleinstkreditdienste für Binnenvertriebene und bedürftige Menschen unterstützen. Partner des Projekts sind die äthiopischen Banken Elebat Solutions und Hibret Bank.

Mit seinen Vorstellungen zu Afrika dürfte sich Martin Schoeller in Unternehmerkreisen nicht nur Freunde machen. Der Unternehmer führt mit seinem Bruder Christoph die Schoeller Group in Pullach bei München, eines der großen Familienunternehmen in Deutschland mit rund 4000 Angestellten und mehr als einer Milliarde Euro Umsatz.
Er hält es für notwendig, dass die Löhne in Afrika nennenswert steigen. Deshalb greift er auf ein berühmtes Vorbild zurück: Der Autofabrikant Henry Ford (1863 bis 1947) förderte nicht nur die Massenfertigung von Autos, sondern hob auch die Löhne der Arbeiter in seinen Fabriken überdurchschnittlich an. Seine Fabriken könnten nichts verkaufen, argumentierte Ford, wenn es keine Menschen gebe, die sich die dort hergestellten Produkte auch leisten könnten.
Höhere Löhne werden nach Schoellers Ansicht in Afrika eine positive Kettenreaktion auslösen: Kaufkraft schaffen, Nachfrage ankurbeln, Geburtenraten senken, den Wohlstand der breiten Massen mehren und somit eine Wirtschaftsdynamik erzeugen, die den Kontinent dauerhaft nach oben ziehen wird. Dies sei das Grundprinzip der sozialen Marktwirtschaft, sagt der Unternehmer, wobei er sich einer großen Hürde bewusst ist: “Der Begriff soziale Marktwirtschaft lässt sich ja gar nicht ins Englische übersetzen.”
Martin Schoeller entstammt einer der ältesten Unternehmerfamilien in Deutschland und einer besonders weit verzweigten. Die Familie engagiert sich bei Textilien, Papier, Zucker, Stahl, Schiffen, Banken und Verpackungen. Die Schoellerbank in Österreich gehört der Familie, die berühmt Marke Schoeller Eis wurde ebenfalls von ihr aufgebaut. Die monumentalen Grabdenkmäler auf dem Friedhof von Düren zeugen noch heute vom unternehmerischen Erfolg der Familie.
Die Familienmitglieder sind zwar so lose miteinander verbunden, dass all die unterschiedlichen Aktivitäten nie unter ein Konzerndach gezwängt wurden. Und doch stehen die Verwandten so eng zusammen, dass sie einen Familienverband pflegen, den Martin Schoeller lange anführte.
Der 68 Jahre alte Unternehmer studierte an der ETH Zürich und schloss sein Studium als Diplom-Ingenieur ab. Er begann seine Karriere als Betriebsleiter in Brasilien und übernahm von 1984 an die Unternehmensleitung der Schoeller Group, gemeinsam mit seinem Bruder Christoph. Der Vater war ein Pionier der Verpackungsindustrie, der den Flaschenkasten aus Kunststoff erfand, wie er heute überall gängig ist. Die nächste Generation stieß unternehmerisch dann in eine neue Dimension: Martin und Christoph Schoeller bauten das damals noch kleine Unternehmen zu einem Weltkonzern aus.
Martin Schoellers große Leidenschaft gilt Afrika. Auch wenn der Schoeller-Konzern dort, auf dem Kontinent aktiv ist, dient sein Engagement nicht nur dem wirtschaftlichen Erfolg seines Unternehmens. Zusammen mit dem Journalisten Daniel Schönwitz hat er ein Buch geschrieben, in dem er sein entwicklungspolitisches Bekenntnis vorstellt: “Africa First! Die Agenda für unsere gemeinsame Zukunft”. Darin begründet er ausführlich seine Forderung nach einer sozialen Marktwirtschaft in Afrika. Das Buch flankiert die Stiftung Africa First Foundation. Lange stand er dem Verband die Familienunternehmen in Bayern vor. Schoeller engagiert sich auch als Honorarkonsul für Togo.
Für verhängnisvoll hält Schoeller den Druck, den Europa aufbaut, um E-Fuels in Afrika zu fördern. Diese synthetischen Kraftstoffe werden aus Wasser und Kohlendioxid erzeugt, müssen aber in der Herstellung mehrere Umwandlungsstufen durchlaufen. Deshalb sei ihre Produktion viel zu aufwändig. Der Unternehmer plädiert vielmehr dafür, Biokraftstoffe zu fördern, die aus Biomasse gewonnen werden, beispielsweise aus Getreide, Ölpflanzen, Rüben oder Holz. “Biofuels aus Afrika sollten zum Pfeiler einer vernünftigen Energiewende werden”, lautet Schoellers Plädoyer.
Biokraftstoffe könnten heute in den meisten Verbrennungsmotoren mit nur wenigen Veränderungen verwendet werden und vor allem in kleinen Anlagen, dezentral hergestellt werden. Diese hätten die gleichen Eigenschaften wie Benzin oder Diesel, könnten für den aktuellen Fahrzeugbestand in Afrika genutzt werden und stünden leicht in großen Mengen zur Verfügung.
Mit seinem Engagement für Afrika denkt Schoeller eher an das große Ganze und weniger an seinen eigenen Vorteil als Unternehmer. Da will er es wohl ebenfalls mit seinem Vorbild Henry Ford halten: “Ein Idealist ist ein Mensch, der anderen zu Wohlstand verhilft.” Christian von Hiller