Bilder aus Israel und dem Gazastreifen halten aktuell die ganze Welt in Atem. Auch für die Klimadiplomatie könnte der Krieg herbe Rückschläge bedeuten. Die geopolitischen Fronten, die sich gerade in und um Gaza bilden, bedeuten nichts Gutes für die Klimaverhandlungen. Warum, erläutert Bernhard Pötter.
Wir schauen aber auch auf all die anderen Klimathemen, die aktuell wichtig sind: Während sich die EU am Montag gegen die Nutzung der umstrittenen CCS-Technik im Energiesystem ausgesprochen hat, setzen die Vereinigten Arabischen Emirate, Indien und die USA auf diese CO₂-Abscheidung und Speicherung. Doch CCS wird wegen zahlreicher technologischer und wirtschaftlicher Hürden bis 2030 kaum zur Emissionsminderung beitragen, zeigt Nico Beckert.
Außerdem blicken wir zurück auf die Weltbanktagung und die angestoßenen Reformen. Im Interview erläutert der Klimafinanz-Experte Rishikesh Bhandary, wie die Weltbank ihre neue Vision mit Inhalten füllen müsste. Mit einem Porträt von Präsidentschaftskandidaten Javier Milei schauen wir vor den Wahlen am kommenden Sonntag auch nach Argentinien. Milei gilt als argentinischer Trump und hat realistische Chancen auf den Wahlsieg – keine gute Nachricht für die Klimapolitik.
Wir bleiben für Sie dran.
Beste Grüße
Der eskalierende Krieg zwischen Israel und der Palästinenserorganisation Hamas im Gaza-Streifen gefährdet nach Befürchtungen von Diplomaten und Klimapolitikern auch die anstehenden Klimaverhandlungen. Angesichts von tausenden Toten durch die Terrorangriffe der Hamas und durch die israelischen Vergeltungsschläge im Gaza-Streifen würden die Bedingungen für eine Einigung auf der COP28 in Dubai im Dezember deutlich schlechter, meinen Beobachter. Auch steht offenbar eine Verschiebung oder Absage der Konferenz im Raum, wenn die Situation weiter eskalieren sollte.
Einen negativen Einfluss auf die COP könnten verschiedene Faktoren haben:
Russland hat von seinen Blockademöglichkeiten vor einem Jahr bei der COP27 in Sharm el-Sheikh keinen Gebrauch gemacht. Allerdings schlägt der Konflikt mit der Ukraine bei der Suche nach einem Gastgeber für die COP29 für 2024 voll durch: In der Gruppe Osteuropa, die eigentlich mit einem Gastgeber an der Reihe ist, gibt es bislang keine Einigung. Russland verhindert das EU-Land Bulgarien, die Kandidaten Armenien und Aserbaidschan fallen wegen ihres Konflikts wohl auch aus. Bisher gibt es keinen Gastgeber für die COP29.
Am späten Montagabend dieser Woche öffnete sich eine weitere Front für die nächste Klimakonferenz Ende November in Dubai: Die EU-Staaten haben sich in ihrer Position für die COP28 von einem Einsatz der CCS-Technologie in der Energiewirtschaft verabschiedet. Sie streben jetzt ein “weitgehend fossilfreies Energiesystem weit vor 2050 an”.
Die COP-Präsidentschaft, die Vereinigen Arabischen Emirate (VAE), setzt jedoch auf Carbon Capture and Storage (CCS), um weiterhin Öl und Gas fördern und verkaufen zu können. Die Öl- und Gasstaaten wollen nur “aus den Emissionen aussteigen“, wie COP-Präsident Sultan Al Jaber betont. Auch Indien, die USA und weitere Staaten bauen auf CCS. Dabei hat die Technologie in der Vergangenheit die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt, wie die Internationale Energieagentur schreibt.
Nach neusten IEA-Berechnungen müssen die Emissionen des Energiesektors bis 2030 um 35 Prozent und bis 2035 um 65 Prozent im Vergleich zu 2022 fallen, damit das Netto-Null-Ziel bis 2050 erreichbar bleibt. Die CCS-Technologie, also Abscheiden von CO₂ in Kohle- und Gaskraftwerken, wird in dieser kurzen Zeit allerdings nur einen sehr geringen Beitrag zur Emissionsminderung beitragen können. Zahlreiche technologische und wirtschaftliche Hürden stehen einem breiten Einsatz der Technologie im Wege.
Laut IEA müssten bis 2030 weltweit CCS-Anlagen installiert werden, die jährlich 1 Milliarde Tonnen CO₂ abscheiden können. Aktuell liegt die jährliche Kapazität hingegen bei lediglich 50 Millionen Tonnen. Falls alle geplanten Projekte umgesetzt werden, könnten bis 2030 rund 400 Millionen Tonnen CO₂ erreicht werden, so IEA-Prognosen.
Allerdings wurden in der Vergangenheit zahlreiche CCS-Projekte angekündigt, von denen aber die wenigsten wirklich gebaut wurden. Trotz Korrektur nach unten gegenüber einem Modell von 2021 erscheinen die IEA-Prognosen noch sehr optimistisch. Auch der Thinktank BloombergNEF schreibt, “die weltweiten Kapazitäten für die Kohlenstoffabscheidung werden nicht schnell genug ausgebaut, um die Klimaziele bis zum Ende des Jahrzehnts zu erreichen”.
Obwohl die CCS-Technologie seit Jahrzehnten durch die Debatten schwirrt, sind derzeit weltweit nur 30 CCS-Anlagen in Betrieb. Rund 70 Prozent davon dienen dazu, Erdgas von CO₂ zu reinigen, damit es überhaupt verkäuflich ist. Weltweit gibt es nur drei CCS-Anlagen an Kraftwerken, wie eine Datenbank des industrienahen Global CCS-Institute zeigt.

Die technologischen Hürden für den Einsatz von CCS in Kraftwerken sind so hoch, dass seit dem Jahr 2000 fast 90 Prozent der geplanten Projekte gescheitert sind oder frühzeitig wieder abgeschaltet wurden. Das zeigt eine Studie des Institute for Energy Economics and Financial Analysis (IEEFA). Die Probleme sind weitreichend:
Die technologischen Herausforderungen machen die Technologie teuer. Wirtschaftlich rechnet sich CCS derzeit noch nicht. Denn es gibt weitere Probleme:
In den Debatten rund um die COP zur Zukunft der Energiesysteme hat nach Ansicht der IEEFA der forcierte Ausbau der Erneuerbaren deutliche Vorteile gegenüber der CCS-Technik: Im Vergleich zu “erneuerbaren Energien und Speicherlösungen ist CCS im Energiesektor nicht wettbewerbsfähig”, so die Einschätzung der IEEFA.

Die Weltbank hat sich auf ihrer Jahrestagung in Marrakesch einen neuen Auftrag gegeben. Sie will eine Welt ohne Armut auf einem lebenswerten Planeten schaffen. Sind das nur Worte, oder steckt mehr dahinter?
Der erneuerte Auftrag der Weltbank spiegelt die Notwendigkeit wider, das Entwicklungsengagement in umfassendere, globale, politische Herausforderungen einzubetten, welche den Kampf gegen die Armut bestimmen. Ob es sich nun um die Auswirkungen des Klimawandels, den Verlust der biologischen Vielfalt oder Pandemien handelt: Um einen dauerhaften Fortschritt sicherzustellen, müssen die Entwicklungsprogramme diesen breiteren Kontext berücksichtigen. Die eigentliche Bewährungsprobe für die Weltbank wird jetzt aber darin bestehen, ihren neuen Auftrag in Projekte, Programme und Operationen umzusetzen, die einen strukturellen Wandel in den Schwellen- und Entwicklungsländern erleichtern, damit diese einen nachhaltigen Wohlstand erreichen können.
Inwieweit bringen die in Marrakesch beschlossenen Reformen mehr Geld für den Kampf gegen den Klimawandel und seine Folgen?
Multilaterale Entwicklungsbanken spielen eine entscheidende Rolle bei der Mobilisierung von Klimafinanzierung. Im Laufe dieses Jahres hat die Weltbank dargelegt, wie sie ihre Bilanzsumme erhöhen will, um mehr Finanzmittel bereitstellen zu können. Die bisher vereinbarten Reformen sind ein großer Schritt nach vorn. Aber es bedarf noch weitaus größerer Ambitionen, um sicherzustellen, dass der Bedarf an Klimafinanzierung tatsächlich gedeckt werden kann. Darüber hinaus lag der Schwerpunkt in Marrakesch in erster Linie auf der Weltbank und dem IWF. Doch es ist ebenso wichtig, dass auch andere multilaterale Entwicklungsbanken ihren Teil beitragen, dass sie sich reformieren, um mehr Geld geben zu können. Es muss auch stärker darauf geachtet werden, wie Institutionen auf nationaler Ebene unterstützt werden können, um den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Entwicklung zu beschleunigen.
Wie wichtig ist der deutsche Beitrag an zusätzlichem Hybridkapital für die Erhöhung des finanziellen Spielraums der Weltbank?
Der deutsche Beitrag zum Hybridkapital trägt dazu bei, die Kreditvergabe der Weltbank zu erhöhen. Es ist zu hoffen, dass dies andere ermutigt, ebenfalls Hybridkapital zu zeichnen. Mehr Hybridkapital trägt dazu bei, die Kreditvergabe weiter zu erhöhen. Aber solche Maßnahmen müssen durch weitere Kapitalerhöhungen ergänzt werden.
Was war der größte Erfolg in Marrakesch, was fehlt?
Im Entwicklungsprozess der Weltbank war das Treffen in Marrakesch ein wichtiger Meilenstein. Jetzt werden viele Entscheidungen des Managements und des Vorstands in die Praxis umgesetzt werden müssen. Aber auch die Mitglieder müssen wichtige politische Entscheidungen darüber treffen, wie die Kapazitäten der Weltbank weiter gestärkt werden können.
Darüber hinaus muss es ein stärkeres gemeinsames Verständnis für die Ernsthaftigkeit und Dringlichkeit von Schuldenproblemen geben. Wenn die Schuldenkrise nicht angegangen wird, werden die Länder die nötigen Investitionen zum Erreichen ihrer Entwicklungs- und Klimaziele nicht tätigen können. Wie schon viele gesagt haben: Die Schuldenkrise ist eine Entwicklungskrise. Es ist wichtig, dass die internationale Gemeinschaft sicherstellt, dass die internationale Finanzarchitektur ihren Zweck erfüllt, insbesondere im Hinblick auf die Umstrukturierung von Staatsschulden.
Warum sind Weltbank und IWF so wichtig für die Lösung der Klimakrise? Sind sie es überhaupt, oder sind die Anstrengungen der Länder wichtiger?
Die Länder brauchen die Unterstützung der Weltbank und weiterer Institutionen zur Entwicklungsfinanzierung. Multilaterale Entwicklungsbanken sind in einzigartiger Weise in der Lage, langfristige und erschwingliche Finanzmittel bereitzustellen, um den Ländern zu helfen, die notwendigen Klimainvestitionen zu tätigen. Im Laufe der Zeit haben die multilateralen Entwicklungsbanken auch ein beträchtliches Fachwissen erworben und sind in der Lage, die nationalen Bemühungen zu unterstützen.
Der IWF spielt eine wichtige Rolle bei der Unterstützung von Ländern, die mit makroökonomischen Ungleichgewichten konfrontiert sind, um das Fundament für längerfristige Veränderungen zu legen. Der Songwe-Stern-Bhattacharya-Bericht hat klar dargelegt: Die Länder brauchen eine Mischung aus inländischen und internationalen Ressourcen, um ihre Entwicklungs- und Klimaziele zu erreichen.
Was sind nun die nächsten Schritte?
Einer der wichtigsten Schritte, den die Weltbankleitung unternehmen muss, ist die Ausarbeitung eines Plans für eine allgemeine Kapitalerhöhung, damit die Mitglieder der Weltbank die Bank mit einer neuen Geldspritze unterstützen können.
Die Maßnahmen zur Bilanzoptimierung werden zwar dazu beitragen, mehr Finanzmittel freizusetzen. Doch um die Finanzierung wirklich auszuweiten und sicherzustellen, dass die Weltbank in der Lage ist, vom Klimawandel besonders stark getroffenen Ländern Finanzmittel zu Vorzugsbedingungen zur Verfügung zu stellen, ist eine allgemeine Kapitalerhöhung erforderlich.
Auch die Bemühungen der Weltbank, eine Schuldenpause in neue Darlehen für kleine Staaten zu integrieren, sind lobenswert. Das sollte aber ausgeweitet werden, sodass auch bestehende Darlehen mit einer Schuldenpause versehen werden und ein viel breiteres Spektrum von Ländern die Vorteile dieses Instruments nutzen kann.
Rishikesh Bhandary ist Stellvertretender Direktor der Global Economic Governance Initiative am Boston University Global Development Policy Center und Experte für Klimafinanzierung und internationale Klimaverhandlungen. Seine Forschung konzentriert sich darauf, wie Entwicklungsländer Finanzmittel aus verschiedenen internationalen Quellen mobilisieren.
Weitere Artikel der Table.Media-Redaktion über die Weltbanktagung finden Sie hier.
19. Oktober, 9 Uhr, Düsseldorf
Jahrestagung Industrielle Dekarbonisierung – Transformation als Gemeinschaftsaufgabe
Die Transformation der Industrie – weg von fossilen und hin zu erneuerbaren Energiequellen und Rohstoffen – ist in vollem Gange. Mit welcher Einstellung und welchen Ansätzen wird die Transformation zum Erfolg? Über diese und weitere Fragen wird auf der Jahrestagung des Handelsblatts diskutiert. Infos
19. Oktober, 11 Uhr, Online
Webinar Was fehlt noch, um den EE-Ausbau zu entfesseln?
Es ist Halbzeit des “Fortschrittsbündnisses”. Energiepolitisch hat die Ampelkoalition bereits viel bewegt. Der Bundesverband Erneuerbare Energie e. V. (BEE) diskutiert, was noch fehlt. Infos
19. Oktober, 13.30 Uhr, Berlin/Online
Seminar Übergang vom nationalen Brennstoffemissionshandel zum ETS II: Chancen, Optionen und politischer Handlungsbedarf
Der auf EU-Ebene beschlossene ETS II soll ab 2027 vor allem Emissionen aus dem Verkehrs- und Gebäudebereich bepreisen. Er bietet damit die Chance, die wachsende Emissionslücke zur Erreichung der Klimaziele zu verringern. Was ist beim Übergang vom nationalen zum EU-Emissionshandel zu beachten? Und wie könnte ein gelungener Übergang aussehen? Diesen Fragen widmet sich die Veranstaltung des Thinktanks Agora Energiewende. Jens Spahn (CDU) trägt eine Keynote bei. Infos
19. Oktober, 17 Uhr, Berlin
Jahrestagung Klimabaustelle Autobahn: Wie dekarbonisieren wir den Straßengüterverkehr?
Um Güter über weite Strecken zu bewegen, sind Lkw momentan das Verkehrsmittel der Wahl: Die absolute Verkehrsleistung des deutschen Straßengüterverkehrs hat sich in den letzten drei Jahrzehnten auf mehr als 500 Milliarden Tonnenkilometer verdoppelt und macht nun gut drei Viertel des gesamten Güterverkehrs aus. Das Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität (IKEM) diskutiert auf seiner Jahrestagung, wie dieser Sektor dekarbonisiert werden kann. Infos
22. Oktober, Argentinien
Wahlen Präsidentschaftswahlen
Am 22. Oktober finden in Argentinien Präsidentschaftswahlen statt, bei denen Sergio Massa von der Partei Union por la Patria, Patricia Bullrich von Juntos por el Cambio und Javier Milei von La Libertad Avanza in einem engen Rennen um das Präsidententschaftsamt konkurrieren. Milei stellen wir ihnen heute im Portrait vor.
24. Oktober, Online, 11 Uhr
Veröffentlichung World Energy Outlook 2023
Die Internationale Energieagentur (IEA) veröffentlicht den Bericht “World Energy Outlook 2023”. Darin analysiert sie umfassend Daten zum Energiemarkt, zu Erneuerbaren und zur Energiesicherheit. Infos
23. bis 27. Oktober, Nairobi
Konferenz MOP35
In Nairobi findet die 35. Tagung der Vertragsparteien des Montrealer Protokolls über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen (MOP 35), statt. Auf der MOP 35 werden Fragen im Zusammenhang mit der Umsetzung des Montrealer Protokolls erörtert. Infos
26. Oktober, 15 Uhr, Washington/Online
Konferenz Latin America Energy Conference – Shaping a New Era of Energy Systems
Lateinamerikas Energielandschaft ist komplex. Der Thinktank Inter-American Dialogue bringt verschiedene Akteure zusammen, um aktuelle Trends und zukünftige Entwicklungen auf dem Gebiet zu diskutieren. Infos
26. bis 27. Oktober, Amsterdam
Konferenz Re-Source 2023
Auf der Konferenz versammeln sich Lieferanten und Käufer von Erneuerbaren aus aller Welt. In diesem Jahr ist eines der Themen, wie die Dekarbonisierungsziele für 2030 erreicht werden können. Infos
26. Oktober, 9 Uhr, Brüssel
Diskussion LOCOMOTION policy event
Diese Veranstaltung ist Teil der politischen Abschlussveranstaltung des Horizont 2020-Projekts LOCOMOTION (“Low-carbon society: an enhanced modelling tool for the transition to sustainability”). Die Veranstaltung ist in zwei Teile gegliedert. Der erste Teil richtet sich an die Zivilgesellschaft und zielt darauf ab, die neuesten Erkenntnisse aus dem Projekt in fünf verschiedenen Bereichen zu präsentieren. Der zweite Teil richtet sich an politische Entscheidungsträger und Modellierungsexperten und zielt darauf ab, eine Auswahl von Fallstudien zu präsentieren, die die Möglichkeiten des Modells veranschaulichen. Infos
In der vergangenen Woche hat die Weltbank bei ihrer Jahrestagung neue Ziele und Maßnahmen beschlossen, die ihre Arbeit zur Armutsreduzierung besser auf den Schutz des Klimas ausrichten sollen. Wie wichtig eine Reduzierung der CO₂-Emissionen auch in den ärmeren Ländern ist, zeigt diese Statistik der Weltbank: Demnach ist die globale Erwärmung nur dann auf 1,5 Grad zu begrenzen, wenn auch die Länder mit mittleren und geringen Einkommen ihre CO₂-Emissionen in der Zukunft nicht wachsen lassen, sondern herunterfahren.

Die Daten zeigen: Es reicht nicht aus, wenn nur die Länder mit statistisch hohem Einkommen (über etwa 13.800 Dollar im Jahr pro Kopf) ihre Emissionen gegen Null bringen. Auch die Staaten mit oberem mittleren Einkommen (etwa 4.000 bis 13.000 Dollar), also etwa China, Russland, Südafrika oder Brasilien, müssen ihre Emissionen stark reduzieren. Und selbst Staaten wie Indien, Nigeria, Bangladesch oder Bolivien als unteres Mittelfeld beim Einkommen (1.000 bis 4.000 Dollar) können ihre Emissionen nicht wie bisher geplant weiter nach oben treiben, wenn das globale Emissionsbudget für 1,5 Grad eingehalten werden soll. Sogar die ärmsten Länder (bis etwa 1.000 Dollar) müssten für dieses Ziel laut Weltbank-Daten ihren CO₂-Ausstoß bis 2050 noch etwa halbieren. bpo
Die Verhandlungsposition der EU-Staaten für die UN-Klimakonferenz in Dubai Ende des Jahres (COP28) ruft auf der einen Seite enttäuschte Reaktionen hervor. Ein Grund dafür ist das noch immer nicht vollständig geschlossenen Schlupfloch für CO₂-Abscheidungstechnologien (CCS) auf dem Weg zur fossilfreien Wirtschaft. Auf der anderen Seite wird das Mandat von vielen Seiten auch als positives Signal für die Verhandlungen mit anderen Staaten gewertet.
Dass die EU-Staaten nur den Ausstieg aus den Fossilen ohne CCS (“global phase out of unabated fossil fuels”) fordern, sei die entscheidende Schwächung in der Erklärung, sagt Petter Lydén. Er ist Bereichsleiter für internationale Klimapolitik bei Germanwatch. Zwar schränkten sie in den nachfolgenden Sätzen dieses Schlupfloch wieder ein, doch sei es dennoch nicht komplett geschlossen worden.
Auch die Forderung nach einem fossilfreien Energiesektor beinhalte noch eine kleine Tür für CCS, bemängelt Lydén im Gespräch mit Table.Media. Dort heißt es, der Energiesektor solle weitgehend (“predominantly”) frei sein von fossilen Brennstoffen. Zwar sei “predominantly” etwas stärker als “unabated”, doch habe es auf G7-Ebene auch schon Diskussionen über die genaue Definition gegeben. Die progressiven Länder meinten “predominantly” bedeute etwa annähernd 100 Prozent. Japan beharrte auf 51 Prozent als Marke für ein überwiegend fossilfreies Energiesystem. “Es ist also immer noch nicht ganz klar, was hier gemeint ist”, so Lydén.
Es wäre schön gewesen, einen Beschluss ohne das Wort “unabated” zu bekommen, sagt Linda Kalcher. Sie ist Gründerin und Direktorin des Brüsseler Thinktanks Strategic Perspectives. “Realpolitisch war das aber nicht erwartbar.”
Auch Deutschland setzt bei Restemissionen aus Industrieprozessen in Zukunft auf CCS. Die EU-Positionierung spiegelt die Haltung der Bundesregierung, die zu den ambitioniertesten in Europa zählt, daher fast vollständig wider. “CCS ist hier und da durchaus in ein paar Industriebereichen sinnvoll, aber es geht um die Größenordnung und die Signalwirkung”, sagt Kalcher zu Table.Media. Hier habe Europa die richtigen Einschränkungen für die Technologie gemacht.
Gemeint ist die Klarstellung der EU-Länder, dass CCS nur in begrenztem Umfang vorhanden ist und daher nur in schwer zu dekarbonisierenden Sektoren eingesetzt werden soll. “Das ist besonders wichtig, da man zuletzt merkt, dass die designierte COP-Präsidentschaft es mit einem fossilfreien Energiesystem scheinbar doch nicht so ernst meint. Europa zeigt jetzt, wir meinen es ernst”, betont Kalcher.
Der europäische NGO-Dachverband Climate Action Network Europe (CAN Europe) mahnt, CCS sei noch nicht in dem Umfang erprobt, der erforderlich wäre, um eine signifikante Wirkung zu erzielen. CAN-Europe-Direktorin Chiara Martinelli fordert daher eine Kurskorrektur der EU. “Auf der COP28 sollten sich alle Parteien auf einen raschen, gerechten und ausgewogenen weltweiten Ausstieg aus fossilen Brennstoffen in allen Sektoren einigen.” Für die EU bedeute dies, ein Ausstieg aus der Kohle bis 2030, aus fossilem Gas bis 2035 und aus Öl bis 2040, meint Martinelli. luk
Weltweit entwickeln noch immer 577 Unternehmen neue Kohlekapazitäten. Das geht aus einer heute veröffentlichten Analyse der NGO Urgewald und 40 Partnerorgansiationen hervor, die die Kohlepolitik von über 1.400 Unternehmen analysiert haben. Lediglich 71 hätten sich ein Ausstiegsdatum gesetzt – nur 41 davon seien mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar. Die NGOs fordern stärkere Eingriffe der Politik und mehr Engagement des Finanzsektors.
Laut den Recherchen sind 516 Gigawatt an neuer Kraftwerkskapazität in Planung, zwei Drittel davon in China. Interessant dabei: 96 US-Investoren haben in chinesische Kohleunternehmen investiert und befördern somit die Ausweitung der Kohleförderung. Auch in Indien (72 GW), Indonesien (21 GW) und Vietnam (14 GW) gibt es demnach große Pläne zur Ausweitung der Kohleverstromung.
Die Organisationen kritisieren außerdem die Partnerschaft für eine gerechte Energiewende (Just Energy Transition Partnership JETP) westlicher Staaten mit Indonesien. Die JETP lege keine Obergrenze für die indonesische Kohleproduktion fest. Zwar ist nicht davon auszugehen, dass alle Pläne für neue Kohlekraftwerke tatsächlich realisiert werden. Doch Klimawissenschaftler und die Internationale Energieagentur mahnen, es dürfe gar keine neuen Kohlekraftwerke mehr geben.
Auch die EU-Staaten haben sich diese Woche dafür ausgesprochen, allerspätestens ab 2040 weltweit keine neuen Kohlekraftwerke mehr ans Netz zu nehmen. Eine Forderung, die in Europa lange durch den Widerstand Polens blockiert wurde, denn das Land setzt nach wie vor auf Kohle als Hauptenergieträger. International drängen die USA schon länger auf einen Kohlestopp. China und viele Entwicklungsländer sehen in der Kohle aber vor allem eine Möglichkeit zum Wirtschaftswachstum und für Energiesicherheit. nib/luk
Um die Klimaziele zu erreichen, müssen die Investitionen in Stromnetze bis 2030 auf 600 Milliarden US-Dollar pro Jahr verdoppelt werden. Das geht aus einem neuen Bericht der Internationalen Energieagentur (IEA) hervor. Die IEA warnt darum, die Stromnetze seien schon heute ein Engpass der Energiewende. Während sich die Investitionen in erneuerbare Energien seit 2010 fast verdoppelt hätten, blieben die Investitionen in Stromnetze in den letzten Jahren recht konstant bei 300 Milliarden US-Dollar. Es sei “besorgniserregend”, dass Entwicklungs- und Schwellenländer mit Ausnahme Chinas einen Rückgang bei den Investitionen verzeichnet haben.

Würden die Investitionen nicht schnell genug erhöht und regulatorische Reformen nicht umgesetzt, “wird dies zu einem langsameren Wachstum der erneuerbaren Energien, einem höheren Verbrauch fossiler Brennstoffe und einer stärkeren globalen Erwärmung führen”, sagte Fatih Birol, Generalsekretär der IEA. Laut Berechnungen der Organisation könnte ein zu langsamer Fortschritt dazu führen, dass die Emissionen des Energiesektors 2050 noch immer bei über 8 Gigatonnen liegen, statt auf gut 3 Gigatonnen zu sinken.
Die IEA warnt, dass Planung und Bau neuer Netzinfrastruktur häufig fünf bis 15 Jahre dauere. Erneuerbare Energien ließen sich viel schneller entwickeln (ein bis fünf Jahre). Dadurch könne das Ungleichgewicht zwischen Netzausbau und Ausbau der Erneuerbaren in Zukunft noch stärker wachsen. Der Netzausbau sei nötig, um die höhere Nachfrage nach Elektrizität für Anwendungen bedienen zu können. Die entsteht durch Anwendungen wie E-Autos, elektrische Heizungen und Klimaanlagen oder die Wasserstoffproduktion. Bis 2040 müssten 80 Millionen Kilometer an Stromnetzen neu gebaut oder renoviert werden, so die IEA. Das entspricht der Länge der derzeitigen weltweit installierten Stromnetze. nib
Rund zwei Drittel aller Länder verankern Maßnahmen gegen Luftverschmutzung nicht genügend in ihren nationalen Klimaplänen (NDCs). Zu diesem Ergebnis kommt ein Bericht des Dachverbands Global Climate and Health Alliance (GCHA). Der Verband vertritt mehr als 100 Organisationen, die zu den Folgen des Klimawandels auf Gesundheit arbeiten. Die GCHA stellte den Bericht im Rahmen der Global Health Summit vor, die vom 15. bis zum 17. Oktober in Berlin stattfand. Während Staaten wie Kolumbien oder Mali Luftverschmutzung vorbildlich in ihre Pläne integriert haben, fehle das in G20-Staaten häufig.
Das sei eine verpasste Chance, heißt es. Aus Sicht der Global Climate and Health Alliance bringe es viele Vorteile, Gesundheitsaspekte wie saubere Luft in NDCs mit einzubeziehen. Es schütze die Menschen, bringe wirtschaftlichen Nutzen und öffentlichen Rückhalt.
Die Klimakrise beeinflusst Gesundheit auch noch in vielen anderen Bereichen. Infolge des Klimawandels sind Länder auf der ganzen Welt mit einem erhöhten Risiko extremer Wetterereignisse konfrontiert. Dazu gehören Dürren, Überschwemmungen oder Hitzewellen. Das wiederum erhöhe die Risiken für Unterernährung, Hitzestress und psychische Krankheiten. Außerdem ist auch stärkere Verbreitung von Krankheiten, die durch Mücken oder Wasser übertragen werden, wahrscheinlicher.
Darum wird es in diesem Jahr auf der COP28 in den Vereinigten Arabischen Emiraten zum ersten Mal auch einen Fokus auf Gesundheit geben. Der 3. Dezember soll dem Thema “Health, Relief, Recovery and Peace” gewidmet werden. Zudem wird zum ersten Mal ein Treffen der Gesundheitsminister auf der Klimakonferenz stattfinden. kul
In einem heute veröffentlichten Klima-Ranking von Greenpeace Ostasien schneiden viele Autobauer schlecht ab. Der Großteil der verkauften Autos hat noch immer Verbrennungsmotoren. Zudem hätten viele Autobauer bei der Dekarbonisierung ihrer Lieferketten und einem sparsameren Umgang mit Ressourcen kaum Fortschritte gemacht. Keiner der 15 größten Autokonzerne der Welt habe “sich in angemessener Weise verpflichtet, die Emissionen aus Produktion und Materialien zu reduzieren”, kritisiert die Umweltorganisation. Der hohe Stahlverbrauch der Autoindustrie trage viel zu den Emissionen bei und werde von den Unternehmen häufig vernachlässigt.
Toyota, Suzuki und das chinesische Unternehmen Great Wall Motor schneiden in dem Greenpeace-Ranking am schlechtesten ab. Nur einer von 400 Neuwagen von Toyota sei elektrisch. Suzuki habe im Jahr 2022 kein einziges E-Auto verkauft. Während Mercedes-Benz und BMW noch am besten abschneiden, kritisiert Greenpeace, die Zeitpläne für den Ausstieg aus Verbrennern seien nicht ambitioniert genug. Volkswagen landet auch Rang 6 von 15. Der chinesische Anbieter SAIC habe zwar den größten Anteil an E-Autos unter den verkauften Neuwagen (31 Prozent), unternehme aber zu wenig, um die Emissionen in der Lieferkette zu verringern. Das Unternehmen landet bei Greenpeace auf Rang 3.

Weltweit haben die 15 größten Autobauer im Jahr 2022 noch immer 55,5 Millionen Verbrenner verkauft. Dem stehen lediglich 3,3 Millionen E-Autos gegenüber, kritisiert Greenpeace. Die Organisation fordert beispielsweise, dass die Autobauer den CO₂-Fußabdruck der genutzten Materialien ermitteln und veröffentlichen. Sie sollten in die Produktion von CO₂-freiem Stahl investieren und weniger SUVs produzieren. nib
Die Einführung und verstärkte Nutzung von digitalen Technologien und Diensten könnten die CO₂-Emissionen Deutschlands erheblich reduzieren. Das geht aus einer Studie vom Verband der Internetwirtschaft eco und der Unternehmensberatung Arthur D. Little hervor. “Im Industriesektor eröffnen digitale Hebel erhebliche Potenziale, das Emissionsvolumen durch Automatisierung, Datenaustausch in Fertigungstechnologien und den Einsatz künstliche Intelligenz (KI) signifikant zu senken”, heißt es.
Als wichtigste Bereiche werden die Industrie, urbane Räume und ländliche Räume bzw. die Landwirtschaft genannt. In der Industrie könnten “Internet of Things”-Anwendungen den industriellen CO₂-Ausstoß bis 2050 um 37 Prozent oder rund 55 Megatonnen senken. Zusätzlich könnten intelligente Stromzähler (sogenannte “Smart Meter”) um weitere 9 Prozent oder 42,6 Megatonnen einsparen. In Städten setzt der Verband vor allem auf sogenannte “Smart-City-Konzepte” und vernetzte Mobilitätslösungen. Im ländlichen Raum sollen “Smart-Farming”-Lösungen den Agrarsektor digitalisieren.
Nach Auffassung des Verbands überwiegen die Einsparungspotenziale den zu erwartenden zusätzlichen Energieverbrauch etwa durch Serverfarmen, überhaupt seien die vom Verband vertretenen Unternehmen “für die Lösung des Klimaproblems von zentraler Bedeutung”. Andere Studien, etwa des Umweltbundesamtes, sind zurückhaltender, die digitale Transformation könne unter “aktuellen Marktbedingungen nur einen geringen Beitrag zum Erreichen der Klimaschutzziele 2030” leisten, hieß es in einer Erhebung aus dem Jahr 2021. lf

Die Klimakrise spitzt sich weltweit zu: 2023 gab es reihenweise Temperaturrekorde in der Atmosphäre und den Ozeanen sowie extremen Eisschwund in der Antarktis. Die Reihe von ungewöhnlichen Extremwetterereignissen erreichte in Libyen einen traurigen Höhepunkt – durch die Folgen von Starkregen verloren 11.000 Menschen ihr Leben, 43.000 ihr Zuhause. Besonders existenziell trifft es die Ärmsten und Verwundbarsten in Entwicklungsländern – also diejenigen, die am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben.
Jedoch mangelt es bisher an finanzieller Unterstützung im Umgang mit Schäden und Verlusten (Loss and Damage Fund) durch die Hauptverursacher der Klimakrise. Die Entscheidung zur Etablierung eines Fonds für Schäden und Verluste auf der COP27 war daher nach der langjährigen Blockade vieler Industrieländer ein historischer Meilenstein. Auf der COP28 in Dubai muss der Fonds jetzt handlungsfähig gemacht und angemessen befüllt werden. Wer mit den verletzlichen Staaten gemeinsam konstruktive Ergebnisse für erneuerbare Energien, Energieeffizienz und das Herunterfahren von Kohle, Öl und Gas durchsetzen will, der muss hier liefern. Das nicht eingehaltene Versprechen der Industrieländer, ab 2020 jedes Jahr 100 Milliarden US-Dollar für Klimafinanzierung zu mobilisieren, hat das Vertrauen der Entwicklungsländer beschädigt. Fortschritte beim Fonds sind der nötige Kitt, um dieses Vertrauen wiederherzustellen. Scheitern die Verhandlungen um den Fonds, droht die COP28 auch bei anderen zentralen Themen zu scheitern.
Diese Woche (17.-20. Oktober) trifft sich das Übergangskomitee, das die Details der Ausgestaltung des Fonds verhandelt und in dem auch Deutschland einen Sitz hat. Hier müssen noch vor der COP28 die Antworten auf hochpolitische Fragen gefunden werden.
Die wichtigsten Fragen sind: Wer zahlt in den Fonds ein? Hier müssen die Industrieländer vorangehen. Durch ihre Emissionen tragen sie die zentrale historische Verantwortung für die Klimakrise. Der Fonds wurde von den Parteien der Klimarahmenkonvention und des Pariser Klimaabkommens beschlossen. Es gelten die Grundsätze der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung und das Verursacherprinzip.
Allerdings müssen aufgrund dieser Prinzipien jetzt auch reiche Schwellenländer – insbesondere die Öl- und Gasländer – zur Klimafinanzierung beitragen. Das Gastgeberland des COP28, die Vereinigten Arabischen Emirate, könnte hier das Eis brechen und eine Vorreiterrolle spielen. Finanzielle Beiträge zur Bewältigung von Schäden und Verlusten müssen in Form von Zuschüssen verlässlich und zusätzlich zu den bestehenden Mitteln für Entwicklungszusammenarbeit und Klimafinanzierung bereitgestellt werden.
Um den extrem hohen Finanzbedarf von Entwicklungsländern im Umgang mit Schäden und Verlusten zu decken – Schätzungen gehen von bis zu 580 Milliarden US-Dollar ab 2030 aus – müssen auch weitere Mittel mobilisiert werden. Dazu gehören innovative Finanzinstrumente wie eine Steuer auf den internationalen Schiffsverkehr sowie Zahlungen der Carbon Majors – der 100 größten Öl-, Gas- und Kohlekonzerne, die zusammen für 70 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich sind.
Welche Länder sind berechtigt, Geld aus dem Fonds zu beziehen? Nach dem Vorschlag der Industrieländer sollen nur am wenigsten entwickelte Länder sowie kleine Inselstaaten Zugang zum Fonds erhalten. Es wäre jedoch inakzeptabel, wenn etwa Länder wie Libyen und Pakistan, die enorme Schäden und Verluste erlitten haben, damit die Förderkriterien des Fonds nicht erfüllen würden. Die verwundbarsten Menschen und Gemeinschaften müssen im Mittelpunkt des Fonds stehen, das Geld muss bei ihnen ankommen.
Wo soll der Fonds aufgesetzt werden? Während Entwicklungsländer den Fonds unter dem Dach der Klimarahmenkonvention aufsetzen wollen, plädieren Industrieländer für eine Lösung durch die Weltbank, also außerhalb der Konvention. Wichtig ist, dass sich der Fonds – als Herzstück der Finanzarchitektur zu Schäden und Verlusten – an den Bedürfnissen der Verwundbarsten orientiert und ihnen direkten Zugang ermöglicht. Der Fonds sollte nach den Prinzipien der Klimarahmenkonvention und des Pariser Klimaabkommens arbeiten, das heißt beispielsweise: Industrie- und Entwicklungsländer müssen gleichberechtigt Entscheidungen treffen. Diese Kriterien erfüllt die Weltbank nicht. Deshalb kann die Weltbank zwar als Treuhänderin fungieren, der Fonds muss jedoch eigenständig und unabhängig aufgesetzt werden.
Was soll der Fonds abdecken? Die Finanzlücken im Umgang mit Schäden und Verlusten sind riesig, auch wenn zusätzlich ein zum Teil schon existierendes Mosaik an Unterstützungsmechanismen wie der Global Shield auf den Weg gebracht wurde. Der neue Fonds muss daher umfassende, von den von Verlusten und Schäden betroffenen Ländern selbst gesteuerte und priorisierte Lösungen unterstützen, sowohl für ökonomische als auch für nicht ökonomische Schäden und Verluste. Die Klärung dieser Fragen ist essenziell, um den Fonds handlungsfähig zu machen – doch ein leerer Fonds nützt niemandem. Zentral ist daher außerdem, dass der Fonds sehr zeitnah angemessen gefüllt wird – möglichst schon auf der COP28. Deutschland und andere Industrieländer müssen ihre Einzahlungen jetzt vorbereiten.
Laura Schäfer ist bei Germanwatch Referentin für Klima-Risikomanagement und Koordinatorin für Klimaaußenpolitik und G7. Vera Künzel arbeitet bei der Umwelt- und Entwicklungs-NGO als Referentin für Anpassung an den Klimawandel und Menschenrechte.

“Wir werden uns nicht an der Agenda 2030 orientieren”, sagte Javier Milei bei der zweiten TV-Debatte der argentinischen Präsidentschaftskandidaten am 9. Oktober. Die 17 Entwicklungsziele der UN nennt der ultraliberale Ökonom Ausdruck eines “Kulturmarxismus”. Ob es Klimaschutz gibt oder nicht, solle laut Milei der Markt entscheiden. In Umwelt- und Klimafragen ist er ein Hardliner. Auf einem Wirtschaftskongress sagte er: “Ein Unternehmen kann den Fluss so stark verschmutzen, wie es will. Wo ist der Schaden, wo ist das Problem?”
Argentinien wählt am kommenden Sonntag (22.10.) einen neuen Präsidenten. Neben Milei haben noch Sergio Massa von der Partei Union por la Patria und Patricia Bullrich von Juntos por el Cambio Chancen auf einen Wahlsieg. Milei tritt für die Partei Libertad Avanza an. Aktuell liegt er in den Umfragen vorn.
Mileis Wahlsieg bei den Vorwahlen im August war eine Überraschung. Sein Erfolg geht auch auf das politische Versagen vorheriger Regierungen und die anhaltende Wirtschaftskrise Argentiniens zurück. Die Inflation steigt mit jedem Jahr und liegt aktuell bei knapp 140 Prozent. Zusätzlich klafft im Staatshaushalt ein riesiges Loch. Und als wäre das nicht genug, leidet die Landwirtschaft – traditionell ein wichtiger Wirtschaftssektor – unter einer historischen Dürre.
In dieser Krisenzeit spielt der Klimawandel im Wahlkampf nur eine marginale Rolle. Die Kandidaten der größten Parteien versprechen, das Land mit Wirtschaftswachstum aus der Krise zu holen. Wenn Europa grünen Wasserstoff nachfragt, sollen riesige Windparks entstehen. Wenn fossile Energien wie Gas und Öl Devisen bringen, werden Pipelines oder Flüssiggas-Terminals gebaut. Am Golf von San Matías an der Küste Patagoniens laufen bereits Vorbereitungen für das landesweit größte Terminal zum Export von Rohöl. Um dieses Projekt zu ermöglichen, änderte die Regierung der zuständigen Provinz ein Gesetz, das Ölprojekte an dieser Bucht verbot. Insbesondere indigene Gemeinden protestieren gegen die Vorhaben. Doch die Projekte sind ganz im Sinne Mileis. Er will ein Notstandsgesetz außer Kraft setzen, das die Indigen vor Vertreibung und Umsiedlung schützt.
Javier Mileis Logo ist ein brüllender Löwenkopf. Er inszeniert sich gerne als Rebell. “Ich bin nicht in die Politik gegangen, um Lämmer zu führen. Ich bin gekommen, um Löwen zu wecken”, ist das Motto seiner Kampagne. Bei Wahlkampfauftritten reißt er auch mal eine Motorsäge in die Höhe. Sie steht für seinen Plan, den Staat auf ein Minimum zu reduzieren. Das trifft auch die Klimapolitik. Milei will elf Ministerien schließen, darunter das Ministerium für Umwelt und Nachhaltige Entwicklung, in dessen Zuständigkeit die argentinische Klimastrategie 2030 fällt.
Javier Milei tritt als politischer Außenseiter auf – wenngleich er seit 2021 Mitglied des Parlaments ist. Mit seinen Schimpftiraden auf die politische “parasitäre Kaste” trifft er den Nerv einer jungen Generation, die mit der Inflation groß geworden ist und das Vertrauen in die Politik verloren hat. Er wuchs in den 1970er Jahren als Sohn eines Busfahrers und Transportunternehmers sowie einer Hausfrau in Buenos Aires auf, studierte Wirtschaftswissenschaften. Später arbeitete er als Dozent und war bis zuletzt für Eduardo Eurnekián tätig, einen der größten Flughafenbetreiber weltweit und laut Forbes der viertreichste Mann Argentiniens. Im Jahr 2020 verkündete Milei seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen.
Neben libertärer Wirtschaftspolitik vertritt Milei immer wieder Positionen ultrakonservativer bis rechter Gesellschaftspolitik. Er erinnert in seinem Auftreten an den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump: beide kommen aus der Wirtschaft, wurden in TV-Shows bekannt, verteidigen Waffen und halten Privateigentum für unantastbar. Doch anders als Trump, der auf die Abschottung der US-Wirtschaft setzte, will Milei die radikale Öffnung. Bei einem Wahlsieg von Milei wäre für den Klimschutz in Argentinien jahrelanger Stillstand vorprogrammiert. Lisa Pausch aus Mendoza/Argentinien
Bilder aus Israel und dem Gazastreifen halten aktuell die ganze Welt in Atem. Auch für die Klimadiplomatie könnte der Krieg herbe Rückschläge bedeuten. Die geopolitischen Fronten, die sich gerade in und um Gaza bilden, bedeuten nichts Gutes für die Klimaverhandlungen. Warum, erläutert Bernhard Pötter.
Wir schauen aber auch auf all die anderen Klimathemen, die aktuell wichtig sind: Während sich die EU am Montag gegen die Nutzung der umstrittenen CCS-Technik im Energiesystem ausgesprochen hat, setzen die Vereinigten Arabischen Emirate, Indien und die USA auf diese CO₂-Abscheidung und Speicherung. Doch CCS wird wegen zahlreicher technologischer und wirtschaftlicher Hürden bis 2030 kaum zur Emissionsminderung beitragen, zeigt Nico Beckert.
Außerdem blicken wir zurück auf die Weltbanktagung und die angestoßenen Reformen. Im Interview erläutert der Klimafinanz-Experte Rishikesh Bhandary, wie die Weltbank ihre neue Vision mit Inhalten füllen müsste. Mit einem Porträt von Präsidentschaftskandidaten Javier Milei schauen wir vor den Wahlen am kommenden Sonntag auch nach Argentinien. Milei gilt als argentinischer Trump und hat realistische Chancen auf den Wahlsieg – keine gute Nachricht für die Klimapolitik.
Wir bleiben für Sie dran.
Beste Grüße
Der eskalierende Krieg zwischen Israel und der Palästinenserorganisation Hamas im Gaza-Streifen gefährdet nach Befürchtungen von Diplomaten und Klimapolitikern auch die anstehenden Klimaverhandlungen. Angesichts von tausenden Toten durch die Terrorangriffe der Hamas und durch die israelischen Vergeltungsschläge im Gaza-Streifen würden die Bedingungen für eine Einigung auf der COP28 in Dubai im Dezember deutlich schlechter, meinen Beobachter. Auch steht offenbar eine Verschiebung oder Absage der Konferenz im Raum, wenn die Situation weiter eskalieren sollte.
Einen negativen Einfluss auf die COP könnten verschiedene Faktoren haben:
Russland hat von seinen Blockademöglichkeiten vor einem Jahr bei der COP27 in Sharm el-Sheikh keinen Gebrauch gemacht. Allerdings schlägt der Konflikt mit der Ukraine bei der Suche nach einem Gastgeber für die COP29 für 2024 voll durch: In der Gruppe Osteuropa, die eigentlich mit einem Gastgeber an der Reihe ist, gibt es bislang keine Einigung. Russland verhindert das EU-Land Bulgarien, die Kandidaten Armenien und Aserbaidschan fallen wegen ihres Konflikts wohl auch aus. Bisher gibt es keinen Gastgeber für die COP29.
Am späten Montagabend dieser Woche öffnete sich eine weitere Front für die nächste Klimakonferenz Ende November in Dubai: Die EU-Staaten haben sich in ihrer Position für die COP28 von einem Einsatz der CCS-Technologie in der Energiewirtschaft verabschiedet. Sie streben jetzt ein “weitgehend fossilfreies Energiesystem weit vor 2050 an”.
Die COP-Präsidentschaft, die Vereinigen Arabischen Emirate (VAE), setzt jedoch auf Carbon Capture and Storage (CCS), um weiterhin Öl und Gas fördern und verkaufen zu können. Die Öl- und Gasstaaten wollen nur “aus den Emissionen aussteigen“, wie COP-Präsident Sultan Al Jaber betont. Auch Indien, die USA und weitere Staaten bauen auf CCS. Dabei hat die Technologie in der Vergangenheit die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt, wie die Internationale Energieagentur schreibt.
Nach neusten IEA-Berechnungen müssen die Emissionen des Energiesektors bis 2030 um 35 Prozent und bis 2035 um 65 Prozent im Vergleich zu 2022 fallen, damit das Netto-Null-Ziel bis 2050 erreichbar bleibt. Die CCS-Technologie, also Abscheiden von CO₂ in Kohle- und Gaskraftwerken, wird in dieser kurzen Zeit allerdings nur einen sehr geringen Beitrag zur Emissionsminderung beitragen können. Zahlreiche technologische und wirtschaftliche Hürden stehen einem breiten Einsatz der Technologie im Wege.
Laut IEA müssten bis 2030 weltweit CCS-Anlagen installiert werden, die jährlich 1 Milliarde Tonnen CO₂ abscheiden können. Aktuell liegt die jährliche Kapazität hingegen bei lediglich 50 Millionen Tonnen. Falls alle geplanten Projekte umgesetzt werden, könnten bis 2030 rund 400 Millionen Tonnen CO₂ erreicht werden, so IEA-Prognosen.
Allerdings wurden in der Vergangenheit zahlreiche CCS-Projekte angekündigt, von denen aber die wenigsten wirklich gebaut wurden. Trotz Korrektur nach unten gegenüber einem Modell von 2021 erscheinen die IEA-Prognosen noch sehr optimistisch. Auch der Thinktank BloombergNEF schreibt, “die weltweiten Kapazitäten für die Kohlenstoffabscheidung werden nicht schnell genug ausgebaut, um die Klimaziele bis zum Ende des Jahrzehnts zu erreichen”.
Obwohl die CCS-Technologie seit Jahrzehnten durch die Debatten schwirrt, sind derzeit weltweit nur 30 CCS-Anlagen in Betrieb. Rund 70 Prozent davon dienen dazu, Erdgas von CO₂ zu reinigen, damit es überhaupt verkäuflich ist. Weltweit gibt es nur drei CCS-Anlagen an Kraftwerken, wie eine Datenbank des industrienahen Global CCS-Institute zeigt.

Die technologischen Hürden für den Einsatz von CCS in Kraftwerken sind so hoch, dass seit dem Jahr 2000 fast 90 Prozent der geplanten Projekte gescheitert sind oder frühzeitig wieder abgeschaltet wurden. Das zeigt eine Studie des Institute for Energy Economics and Financial Analysis (IEEFA). Die Probleme sind weitreichend:
Die technologischen Herausforderungen machen die Technologie teuer. Wirtschaftlich rechnet sich CCS derzeit noch nicht. Denn es gibt weitere Probleme:
In den Debatten rund um die COP zur Zukunft der Energiesysteme hat nach Ansicht der IEEFA der forcierte Ausbau der Erneuerbaren deutliche Vorteile gegenüber der CCS-Technik: Im Vergleich zu “erneuerbaren Energien und Speicherlösungen ist CCS im Energiesektor nicht wettbewerbsfähig”, so die Einschätzung der IEEFA.

Die Weltbank hat sich auf ihrer Jahrestagung in Marrakesch einen neuen Auftrag gegeben. Sie will eine Welt ohne Armut auf einem lebenswerten Planeten schaffen. Sind das nur Worte, oder steckt mehr dahinter?
Der erneuerte Auftrag der Weltbank spiegelt die Notwendigkeit wider, das Entwicklungsengagement in umfassendere, globale, politische Herausforderungen einzubetten, welche den Kampf gegen die Armut bestimmen. Ob es sich nun um die Auswirkungen des Klimawandels, den Verlust der biologischen Vielfalt oder Pandemien handelt: Um einen dauerhaften Fortschritt sicherzustellen, müssen die Entwicklungsprogramme diesen breiteren Kontext berücksichtigen. Die eigentliche Bewährungsprobe für die Weltbank wird jetzt aber darin bestehen, ihren neuen Auftrag in Projekte, Programme und Operationen umzusetzen, die einen strukturellen Wandel in den Schwellen- und Entwicklungsländern erleichtern, damit diese einen nachhaltigen Wohlstand erreichen können.
Inwieweit bringen die in Marrakesch beschlossenen Reformen mehr Geld für den Kampf gegen den Klimawandel und seine Folgen?
Multilaterale Entwicklungsbanken spielen eine entscheidende Rolle bei der Mobilisierung von Klimafinanzierung. Im Laufe dieses Jahres hat die Weltbank dargelegt, wie sie ihre Bilanzsumme erhöhen will, um mehr Finanzmittel bereitstellen zu können. Die bisher vereinbarten Reformen sind ein großer Schritt nach vorn. Aber es bedarf noch weitaus größerer Ambitionen, um sicherzustellen, dass der Bedarf an Klimafinanzierung tatsächlich gedeckt werden kann. Darüber hinaus lag der Schwerpunkt in Marrakesch in erster Linie auf der Weltbank und dem IWF. Doch es ist ebenso wichtig, dass auch andere multilaterale Entwicklungsbanken ihren Teil beitragen, dass sie sich reformieren, um mehr Geld geben zu können. Es muss auch stärker darauf geachtet werden, wie Institutionen auf nationaler Ebene unterstützt werden können, um den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Entwicklung zu beschleunigen.
Wie wichtig ist der deutsche Beitrag an zusätzlichem Hybridkapital für die Erhöhung des finanziellen Spielraums der Weltbank?
Der deutsche Beitrag zum Hybridkapital trägt dazu bei, die Kreditvergabe der Weltbank zu erhöhen. Es ist zu hoffen, dass dies andere ermutigt, ebenfalls Hybridkapital zu zeichnen. Mehr Hybridkapital trägt dazu bei, die Kreditvergabe weiter zu erhöhen. Aber solche Maßnahmen müssen durch weitere Kapitalerhöhungen ergänzt werden.
Was war der größte Erfolg in Marrakesch, was fehlt?
Im Entwicklungsprozess der Weltbank war das Treffen in Marrakesch ein wichtiger Meilenstein. Jetzt werden viele Entscheidungen des Managements und des Vorstands in die Praxis umgesetzt werden müssen. Aber auch die Mitglieder müssen wichtige politische Entscheidungen darüber treffen, wie die Kapazitäten der Weltbank weiter gestärkt werden können.
Darüber hinaus muss es ein stärkeres gemeinsames Verständnis für die Ernsthaftigkeit und Dringlichkeit von Schuldenproblemen geben. Wenn die Schuldenkrise nicht angegangen wird, werden die Länder die nötigen Investitionen zum Erreichen ihrer Entwicklungs- und Klimaziele nicht tätigen können. Wie schon viele gesagt haben: Die Schuldenkrise ist eine Entwicklungskrise. Es ist wichtig, dass die internationale Gemeinschaft sicherstellt, dass die internationale Finanzarchitektur ihren Zweck erfüllt, insbesondere im Hinblick auf die Umstrukturierung von Staatsschulden.
Warum sind Weltbank und IWF so wichtig für die Lösung der Klimakrise? Sind sie es überhaupt, oder sind die Anstrengungen der Länder wichtiger?
Die Länder brauchen die Unterstützung der Weltbank und weiterer Institutionen zur Entwicklungsfinanzierung. Multilaterale Entwicklungsbanken sind in einzigartiger Weise in der Lage, langfristige und erschwingliche Finanzmittel bereitzustellen, um den Ländern zu helfen, die notwendigen Klimainvestitionen zu tätigen. Im Laufe der Zeit haben die multilateralen Entwicklungsbanken auch ein beträchtliches Fachwissen erworben und sind in der Lage, die nationalen Bemühungen zu unterstützen.
Der IWF spielt eine wichtige Rolle bei der Unterstützung von Ländern, die mit makroökonomischen Ungleichgewichten konfrontiert sind, um das Fundament für längerfristige Veränderungen zu legen. Der Songwe-Stern-Bhattacharya-Bericht hat klar dargelegt: Die Länder brauchen eine Mischung aus inländischen und internationalen Ressourcen, um ihre Entwicklungs- und Klimaziele zu erreichen.
Was sind nun die nächsten Schritte?
Einer der wichtigsten Schritte, den die Weltbankleitung unternehmen muss, ist die Ausarbeitung eines Plans für eine allgemeine Kapitalerhöhung, damit die Mitglieder der Weltbank die Bank mit einer neuen Geldspritze unterstützen können.
Die Maßnahmen zur Bilanzoptimierung werden zwar dazu beitragen, mehr Finanzmittel freizusetzen. Doch um die Finanzierung wirklich auszuweiten und sicherzustellen, dass die Weltbank in der Lage ist, vom Klimawandel besonders stark getroffenen Ländern Finanzmittel zu Vorzugsbedingungen zur Verfügung zu stellen, ist eine allgemeine Kapitalerhöhung erforderlich.
Auch die Bemühungen der Weltbank, eine Schuldenpause in neue Darlehen für kleine Staaten zu integrieren, sind lobenswert. Das sollte aber ausgeweitet werden, sodass auch bestehende Darlehen mit einer Schuldenpause versehen werden und ein viel breiteres Spektrum von Ländern die Vorteile dieses Instruments nutzen kann.
Rishikesh Bhandary ist Stellvertretender Direktor der Global Economic Governance Initiative am Boston University Global Development Policy Center und Experte für Klimafinanzierung und internationale Klimaverhandlungen. Seine Forschung konzentriert sich darauf, wie Entwicklungsländer Finanzmittel aus verschiedenen internationalen Quellen mobilisieren.
Weitere Artikel der Table.Media-Redaktion über die Weltbanktagung finden Sie hier.
19. Oktober, 9 Uhr, Düsseldorf
Jahrestagung Industrielle Dekarbonisierung – Transformation als Gemeinschaftsaufgabe
Die Transformation der Industrie – weg von fossilen und hin zu erneuerbaren Energiequellen und Rohstoffen – ist in vollem Gange. Mit welcher Einstellung und welchen Ansätzen wird die Transformation zum Erfolg? Über diese und weitere Fragen wird auf der Jahrestagung des Handelsblatts diskutiert. Infos
19. Oktober, 11 Uhr, Online
Webinar Was fehlt noch, um den EE-Ausbau zu entfesseln?
Es ist Halbzeit des “Fortschrittsbündnisses”. Energiepolitisch hat die Ampelkoalition bereits viel bewegt. Der Bundesverband Erneuerbare Energie e. V. (BEE) diskutiert, was noch fehlt. Infos
19. Oktober, 13.30 Uhr, Berlin/Online
Seminar Übergang vom nationalen Brennstoffemissionshandel zum ETS II: Chancen, Optionen und politischer Handlungsbedarf
Der auf EU-Ebene beschlossene ETS II soll ab 2027 vor allem Emissionen aus dem Verkehrs- und Gebäudebereich bepreisen. Er bietet damit die Chance, die wachsende Emissionslücke zur Erreichung der Klimaziele zu verringern. Was ist beim Übergang vom nationalen zum EU-Emissionshandel zu beachten? Und wie könnte ein gelungener Übergang aussehen? Diesen Fragen widmet sich die Veranstaltung des Thinktanks Agora Energiewende. Jens Spahn (CDU) trägt eine Keynote bei. Infos
19. Oktober, 17 Uhr, Berlin
Jahrestagung Klimabaustelle Autobahn: Wie dekarbonisieren wir den Straßengüterverkehr?
Um Güter über weite Strecken zu bewegen, sind Lkw momentan das Verkehrsmittel der Wahl: Die absolute Verkehrsleistung des deutschen Straßengüterverkehrs hat sich in den letzten drei Jahrzehnten auf mehr als 500 Milliarden Tonnenkilometer verdoppelt und macht nun gut drei Viertel des gesamten Güterverkehrs aus. Das Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität (IKEM) diskutiert auf seiner Jahrestagung, wie dieser Sektor dekarbonisiert werden kann. Infos
22. Oktober, Argentinien
Wahlen Präsidentschaftswahlen
Am 22. Oktober finden in Argentinien Präsidentschaftswahlen statt, bei denen Sergio Massa von der Partei Union por la Patria, Patricia Bullrich von Juntos por el Cambio und Javier Milei von La Libertad Avanza in einem engen Rennen um das Präsidententschaftsamt konkurrieren. Milei stellen wir ihnen heute im Portrait vor.
24. Oktober, Online, 11 Uhr
Veröffentlichung World Energy Outlook 2023
Die Internationale Energieagentur (IEA) veröffentlicht den Bericht “World Energy Outlook 2023”. Darin analysiert sie umfassend Daten zum Energiemarkt, zu Erneuerbaren und zur Energiesicherheit. Infos
23. bis 27. Oktober, Nairobi
Konferenz MOP35
In Nairobi findet die 35. Tagung der Vertragsparteien des Montrealer Protokolls über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen (MOP 35), statt. Auf der MOP 35 werden Fragen im Zusammenhang mit der Umsetzung des Montrealer Protokolls erörtert. Infos
26. Oktober, 15 Uhr, Washington/Online
Konferenz Latin America Energy Conference – Shaping a New Era of Energy Systems
Lateinamerikas Energielandschaft ist komplex. Der Thinktank Inter-American Dialogue bringt verschiedene Akteure zusammen, um aktuelle Trends und zukünftige Entwicklungen auf dem Gebiet zu diskutieren. Infos
26. bis 27. Oktober, Amsterdam
Konferenz Re-Source 2023
Auf der Konferenz versammeln sich Lieferanten und Käufer von Erneuerbaren aus aller Welt. In diesem Jahr ist eines der Themen, wie die Dekarbonisierungsziele für 2030 erreicht werden können. Infos
26. Oktober, 9 Uhr, Brüssel
Diskussion LOCOMOTION policy event
Diese Veranstaltung ist Teil der politischen Abschlussveranstaltung des Horizont 2020-Projekts LOCOMOTION (“Low-carbon society: an enhanced modelling tool for the transition to sustainability”). Die Veranstaltung ist in zwei Teile gegliedert. Der erste Teil richtet sich an die Zivilgesellschaft und zielt darauf ab, die neuesten Erkenntnisse aus dem Projekt in fünf verschiedenen Bereichen zu präsentieren. Der zweite Teil richtet sich an politische Entscheidungsträger und Modellierungsexperten und zielt darauf ab, eine Auswahl von Fallstudien zu präsentieren, die die Möglichkeiten des Modells veranschaulichen. Infos
In der vergangenen Woche hat die Weltbank bei ihrer Jahrestagung neue Ziele und Maßnahmen beschlossen, die ihre Arbeit zur Armutsreduzierung besser auf den Schutz des Klimas ausrichten sollen. Wie wichtig eine Reduzierung der CO₂-Emissionen auch in den ärmeren Ländern ist, zeigt diese Statistik der Weltbank: Demnach ist die globale Erwärmung nur dann auf 1,5 Grad zu begrenzen, wenn auch die Länder mit mittleren und geringen Einkommen ihre CO₂-Emissionen in der Zukunft nicht wachsen lassen, sondern herunterfahren.

Die Daten zeigen: Es reicht nicht aus, wenn nur die Länder mit statistisch hohem Einkommen (über etwa 13.800 Dollar im Jahr pro Kopf) ihre Emissionen gegen Null bringen. Auch die Staaten mit oberem mittleren Einkommen (etwa 4.000 bis 13.000 Dollar), also etwa China, Russland, Südafrika oder Brasilien, müssen ihre Emissionen stark reduzieren. Und selbst Staaten wie Indien, Nigeria, Bangladesch oder Bolivien als unteres Mittelfeld beim Einkommen (1.000 bis 4.000 Dollar) können ihre Emissionen nicht wie bisher geplant weiter nach oben treiben, wenn das globale Emissionsbudget für 1,5 Grad eingehalten werden soll. Sogar die ärmsten Länder (bis etwa 1.000 Dollar) müssten für dieses Ziel laut Weltbank-Daten ihren CO₂-Ausstoß bis 2050 noch etwa halbieren. bpo
Die Verhandlungsposition der EU-Staaten für die UN-Klimakonferenz in Dubai Ende des Jahres (COP28) ruft auf der einen Seite enttäuschte Reaktionen hervor. Ein Grund dafür ist das noch immer nicht vollständig geschlossenen Schlupfloch für CO₂-Abscheidungstechnologien (CCS) auf dem Weg zur fossilfreien Wirtschaft. Auf der anderen Seite wird das Mandat von vielen Seiten auch als positives Signal für die Verhandlungen mit anderen Staaten gewertet.
Dass die EU-Staaten nur den Ausstieg aus den Fossilen ohne CCS (“global phase out of unabated fossil fuels”) fordern, sei die entscheidende Schwächung in der Erklärung, sagt Petter Lydén. Er ist Bereichsleiter für internationale Klimapolitik bei Germanwatch. Zwar schränkten sie in den nachfolgenden Sätzen dieses Schlupfloch wieder ein, doch sei es dennoch nicht komplett geschlossen worden.
Auch die Forderung nach einem fossilfreien Energiesektor beinhalte noch eine kleine Tür für CCS, bemängelt Lydén im Gespräch mit Table.Media. Dort heißt es, der Energiesektor solle weitgehend (“predominantly”) frei sein von fossilen Brennstoffen. Zwar sei “predominantly” etwas stärker als “unabated”, doch habe es auf G7-Ebene auch schon Diskussionen über die genaue Definition gegeben. Die progressiven Länder meinten “predominantly” bedeute etwa annähernd 100 Prozent. Japan beharrte auf 51 Prozent als Marke für ein überwiegend fossilfreies Energiesystem. “Es ist also immer noch nicht ganz klar, was hier gemeint ist”, so Lydén.
Es wäre schön gewesen, einen Beschluss ohne das Wort “unabated” zu bekommen, sagt Linda Kalcher. Sie ist Gründerin und Direktorin des Brüsseler Thinktanks Strategic Perspectives. “Realpolitisch war das aber nicht erwartbar.”
Auch Deutschland setzt bei Restemissionen aus Industrieprozessen in Zukunft auf CCS. Die EU-Positionierung spiegelt die Haltung der Bundesregierung, die zu den ambitioniertesten in Europa zählt, daher fast vollständig wider. “CCS ist hier und da durchaus in ein paar Industriebereichen sinnvoll, aber es geht um die Größenordnung und die Signalwirkung”, sagt Kalcher zu Table.Media. Hier habe Europa die richtigen Einschränkungen für die Technologie gemacht.
Gemeint ist die Klarstellung der EU-Länder, dass CCS nur in begrenztem Umfang vorhanden ist und daher nur in schwer zu dekarbonisierenden Sektoren eingesetzt werden soll. “Das ist besonders wichtig, da man zuletzt merkt, dass die designierte COP-Präsidentschaft es mit einem fossilfreien Energiesystem scheinbar doch nicht so ernst meint. Europa zeigt jetzt, wir meinen es ernst”, betont Kalcher.
Der europäische NGO-Dachverband Climate Action Network Europe (CAN Europe) mahnt, CCS sei noch nicht in dem Umfang erprobt, der erforderlich wäre, um eine signifikante Wirkung zu erzielen. CAN-Europe-Direktorin Chiara Martinelli fordert daher eine Kurskorrektur der EU. “Auf der COP28 sollten sich alle Parteien auf einen raschen, gerechten und ausgewogenen weltweiten Ausstieg aus fossilen Brennstoffen in allen Sektoren einigen.” Für die EU bedeute dies, ein Ausstieg aus der Kohle bis 2030, aus fossilem Gas bis 2035 und aus Öl bis 2040, meint Martinelli. luk
Weltweit entwickeln noch immer 577 Unternehmen neue Kohlekapazitäten. Das geht aus einer heute veröffentlichten Analyse der NGO Urgewald und 40 Partnerorgansiationen hervor, die die Kohlepolitik von über 1.400 Unternehmen analysiert haben. Lediglich 71 hätten sich ein Ausstiegsdatum gesetzt – nur 41 davon seien mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar. Die NGOs fordern stärkere Eingriffe der Politik und mehr Engagement des Finanzsektors.
Laut den Recherchen sind 516 Gigawatt an neuer Kraftwerkskapazität in Planung, zwei Drittel davon in China. Interessant dabei: 96 US-Investoren haben in chinesische Kohleunternehmen investiert und befördern somit die Ausweitung der Kohleförderung. Auch in Indien (72 GW), Indonesien (21 GW) und Vietnam (14 GW) gibt es demnach große Pläne zur Ausweitung der Kohleverstromung.
Die Organisationen kritisieren außerdem die Partnerschaft für eine gerechte Energiewende (Just Energy Transition Partnership JETP) westlicher Staaten mit Indonesien. Die JETP lege keine Obergrenze für die indonesische Kohleproduktion fest. Zwar ist nicht davon auszugehen, dass alle Pläne für neue Kohlekraftwerke tatsächlich realisiert werden. Doch Klimawissenschaftler und die Internationale Energieagentur mahnen, es dürfe gar keine neuen Kohlekraftwerke mehr geben.
Auch die EU-Staaten haben sich diese Woche dafür ausgesprochen, allerspätestens ab 2040 weltweit keine neuen Kohlekraftwerke mehr ans Netz zu nehmen. Eine Forderung, die in Europa lange durch den Widerstand Polens blockiert wurde, denn das Land setzt nach wie vor auf Kohle als Hauptenergieträger. International drängen die USA schon länger auf einen Kohlestopp. China und viele Entwicklungsländer sehen in der Kohle aber vor allem eine Möglichkeit zum Wirtschaftswachstum und für Energiesicherheit. nib/luk
Um die Klimaziele zu erreichen, müssen die Investitionen in Stromnetze bis 2030 auf 600 Milliarden US-Dollar pro Jahr verdoppelt werden. Das geht aus einem neuen Bericht der Internationalen Energieagentur (IEA) hervor. Die IEA warnt darum, die Stromnetze seien schon heute ein Engpass der Energiewende. Während sich die Investitionen in erneuerbare Energien seit 2010 fast verdoppelt hätten, blieben die Investitionen in Stromnetze in den letzten Jahren recht konstant bei 300 Milliarden US-Dollar. Es sei “besorgniserregend”, dass Entwicklungs- und Schwellenländer mit Ausnahme Chinas einen Rückgang bei den Investitionen verzeichnet haben.

Würden die Investitionen nicht schnell genug erhöht und regulatorische Reformen nicht umgesetzt, “wird dies zu einem langsameren Wachstum der erneuerbaren Energien, einem höheren Verbrauch fossiler Brennstoffe und einer stärkeren globalen Erwärmung führen”, sagte Fatih Birol, Generalsekretär der IEA. Laut Berechnungen der Organisation könnte ein zu langsamer Fortschritt dazu führen, dass die Emissionen des Energiesektors 2050 noch immer bei über 8 Gigatonnen liegen, statt auf gut 3 Gigatonnen zu sinken.
Die IEA warnt, dass Planung und Bau neuer Netzinfrastruktur häufig fünf bis 15 Jahre dauere. Erneuerbare Energien ließen sich viel schneller entwickeln (ein bis fünf Jahre). Dadurch könne das Ungleichgewicht zwischen Netzausbau und Ausbau der Erneuerbaren in Zukunft noch stärker wachsen. Der Netzausbau sei nötig, um die höhere Nachfrage nach Elektrizität für Anwendungen bedienen zu können. Die entsteht durch Anwendungen wie E-Autos, elektrische Heizungen und Klimaanlagen oder die Wasserstoffproduktion. Bis 2040 müssten 80 Millionen Kilometer an Stromnetzen neu gebaut oder renoviert werden, so die IEA. Das entspricht der Länge der derzeitigen weltweit installierten Stromnetze. nib
Rund zwei Drittel aller Länder verankern Maßnahmen gegen Luftverschmutzung nicht genügend in ihren nationalen Klimaplänen (NDCs). Zu diesem Ergebnis kommt ein Bericht des Dachverbands Global Climate and Health Alliance (GCHA). Der Verband vertritt mehr als 100 Organisationen, die zu den Folgen des Klimawandels auf Gesundheit arbeiten. Die GCHA stellte den Bericht im Rahmen der Global Health Summit vor, die vom 15. bis zum 17. Oktober in Berlin stattfand. Während Staaten wie Kolumbien oder Mali Luftverschmutzung vorbildlich in ihre Pläne integriert haben, fehle das in G20-Staaten häufig.
Das sei eine verpasste Chance, heißt es. Aus Sicht der Global Climate and Health Alliance bringe es viele Vorteile, Gesundheitsaspekte wie saubere Luft in NDCs mit einzubeziehen. Es schütze die Menschen, bringe wirtschaftlichen Nutzen und öffentlichen Rückhalt.
Die Klimakrise beeinflusst Gesundheit auch noch in vielen anderen Bereichen. Infolge des Klimawandels sind Länder auf der ganzen Welt mit einem erhöhten Risiko extremer Wetterereignisse konfrontiert. Dazu gehören Dürren, Überschwemmungen oder Hitzewellen. Das wiederum erhöhe die Risiken für Unterernährung, Hitzestress und psychische Krankheiten. Außerdem ist auch stärkere Verbreitung von Krankheiten, die durch Mücken oder Wasser übertragen werden, wahrscheinlicher.
Darum wird es in diesem Jahr auf der COP28 in den Vereinigten Arabischen Emiraten zum ersten Mal auch einen Fokus auf Gesundheit geben. Der 3. Dezember soll dem Thema “Health, Relief, Recovery and Peace” gewidmet werden. Zudem wird zum ersten Mal ein Treffen der Gesundheitsminister auf der Klimakonferenz stattfinden. kul
In einem heute veröffentlichten Klima-Ranking von Greenpeace Ostasien schneiden viele Autobauer schlecht ab. Der Großteil der verkauften Autos hat noch immer Verbrennungsmotoren. Zudem hätten viele Autobauer bei der Dekarbonisierung ihrer Lieferketten und einem sparsameren Umgang mit Ressourcen kaum Fortschritte gemacht. Keiner der 15 größten Autokonzerne der Welt habe “sich in angemessener Weise verpflichtet, die Emissionen aus Produktion und Materialien zu reduzieren”, kritisiert die Umweltorganisation. Der hohe Stahlverbrauch der Autoindustrie trage viel zu den Emissionen bei und werde von den Unternehmen häufig vernachlässigt.
Toyota, Suzuki und das chinesische Unternehmen Great Wall Motor schneiden in dem Greenpeace-Ranking am schlechtesten ab. Nur einer von 400 Neuwagen von Toyota sei elektrisch. Suzuki habe im Jahr 2022 kein einziges E-Auto verkauft. Während Mercedes-Benz und BMW noch am besten abschneiden, kritisiert Greenpeace, die Zeitpläne für den Ausstieg aus Verbrennern seien nicht ambitioniert genug. Volkswagen landet auch Rang 6 von 15. Der chinesische Anbieter SAIC habe zwar den größten Anteil an E-Autos unter den verkauften Neuwagen (31 Prozent), unternehme aber zu wenig, um die Emissionen in der Lieferkette zu verringern. Das Unternehmen landet bei Greenpeace auf Rang 3.

Weltweit haben die 15 größten Autobauer im Jahr 2022 noch immer 55,5 Millionen Verbrenner verkauft. Dem stehen lediglich 3,3 Millionen E-Autos gegenüber, kritisiert Greenpeace. Die Organisation fordert beispielsweise, dass die Autobauer den CO₂-Fußabdruck der genutzten Materialien ermitteln und veröffentlichen. Sie sollten in die Produktion von CO₂-freiem Stahl investieren und weniger SUVs produzieren. nib
Die Einführung und verstärkte Nutzung von digitalen Technologien und Diensten könnten die CO₂-Emissionen Deutschlands erheblich reduzieren. Das geht aus einer Studie vom Verband der Internetwirtschaft eco und der Unternehmensberatung Arthur D. Little hervor. “Im Industriesektor eröffnen digitale Hebel erhebliche Potenziale, das Emissionsvolumen durch Automatisierung, Datenaustausch in Fertigungstechnologien und den Einsatz künstliche Intelligenz (KI) signifikant zu senken”, heißt es.
Als wichtigste Bereiche werden die Industrie, urbane Räume und ländliche Räume bzw. die Landwirtschaft genannt. In der Industrie könnten “Internet of Things”-Anwendungen den industriellen CO₂-Ausstoß bis 2050 um 37 Prozent oder rund 55 Megatonnen senken. Zusätzlich könnten intelligente Stromzähler (sogenannte “Smart Meter”) um weitere 9 Prozent oder 42,6 Megatonnen einsparen. In Städten setzt der Verband vor allem auf sogenannte “Smart-City-Konzepte” und vernetzte Mobilitätslösungen. Im ländlichen Raum sollen “Smart-Farming”-Lösungen den Agrarsektor digitalisieren.
Nach Auffassung des Verbands überwiegen die Einsparungspotenziale den zu erwartenden zusätzlichen Energieverbrauch etwa durch Serverfarmen, überhaupt seien die vom Verband vertretenen Unternehmen “für die Lösung des Klimaproblems von zentraler Bedeutung”. Andere Studien, etwa des Umweltbundesamtes, sind zurückhaltender, die digitale Transformation könne unter “aktuellen Marktbedingungen nur einen geringen Beitrag zum Erreichen der Klimaschutzziele 2030” leisten, hieß es in einer Erhebung aus dem Jahr 2021. lf

Die Klimakrise spitzt sich weltweit zu: 2023 gab es reihenweise Temperaturrekorde in der Atmosphäre und den Ozeanen sowie extremen Eisschwund in der Antarktis. Die Reihe von ungewöhnlichen Extremwetterereignissen erreichte in Libyen einen traurigen Höhepunkt – durch die Folgen von Starkregen verloren 11.000 Menschen ihr Leben, 43.000 ihr Zuhause. Besonders existenziell trifft es die Ärmsten und Verwundbarsten in Entwicklungsländern – also diejenigen, die am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben.
Jedoch mangelt es bisher an finanzieller Unterstützung im Umgang mit Schäden und Verlusten (Loss and Damage Fund) durch die Hauptverursacher der Klimakrise. Die Entscheidung zur Etablierung eines Fonds für Schäden und Verluste auf der COP27 war daher nach der langjährigen Blockade vieler Industrieländer ein historischer Meilenstein. Auf der COP28 in Dubai muss der Fonds jetzt handlungsfähig gemacht und angemessen befüllt werden. Wer mit den verletzlichen Staaten gemeinsam konstruktive Ergebnisse für erneuerbare Energien, Energieeffizienz und das Herunterfahren von Kohle, Öl und Gas durchsetzen will, der muss hier liefern. Das nicht eingehaltene Versprechen der Industrieländer, ab 2020 jedes Jahr 100 Milliarden US-Dollar für Klimafinanzierung zu mobilisieren, hat das Vertrauen der Entwicklungsländer beschädigt. Fortschritte beim Fonds sind der nötige Kitt, um dieses Vertrauen wiederherzustellen. Scheitern die Verhandlungen um den Fonds, droht die COP28 auch bei anderen zentralen Themen zu scheitern.
Diese Woche (17.-20. Oktober) trifft sich das Übergangskomitee, das die Details der Ausgestaltung des Fonds verhandelt und in dem auch Deutschland einen Sitz hat. Hier müssen noch vor der COP28 die Antworten auf hochpolitische Fragen gefunden werden.
Die wichtigsten Fragen sind: Wer zahlt in den Fonds ein? Hier müssen die Industrieländer vorangehen. Durch ihre Emissionen tragen sie die zentrale historische Verantwortung für die Klimakrise. Der Fonds wurde von den Parteien der Klimarahmenkonvention und des Pariser Klimaabkommens beschlossen. Es gelten die Grundsätze der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung und das Verursacherprinzip.
Allerdings müssen aufgrund dieser Prinzipien jetzt auch reiche Schwellenländer – insbesondere die Öl- und Gasländer – zur Klimafinanzierung beitragen. Das Gastgeberland des COP28, die Vereinigten Arabischen Emirate, könnte hier das Eis brechen und eine Vorreiterrolle spielen. Finanzielle Beiträge zur Bewältigung von Schäden und Verlusten müssen in Form von Zuschüssen verlässlich und zusätzlich zu den bestehenden Mitteln für Entwicklungszusammenarbeit und Klimafinanzierung bereitgestellt werden.
Um den extrem hohen Finanzbedarf von Entwicklungsländern im Umgang mit Schäden und Verlusten zu decken – Schätzungen gehen von bis zu 580 Milliarden US-Dollar ab 2030 aus – müssen auch weitere Mittel mobilisiert werden. Dazu gehören innovative Finanzinstrumente wie eine Steuer auf den internationalen Schiffsverkehr sowie Zahlungen der Carbon Majors – der 100 größten Öl-, Gas- und Kohlekonzerne, die zusammen für 70 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich sind.
Welche Länder sind berechtigt, Geld aus dem Fonds zu beziehen? Nach dem Vorschlag der Industrieländer sollen nur am wenigsten entwickelte Länder sowie kleine Inselstaaten Zugang zum Fonds erhalten. Es wäre jedoch inakzeptabel, wenn etwa Länder wie Libyen und Pakistan, die enorme Schäden und Verluste erlitten haben, damit die Förderkriterien des Fonds nicht erfüllen würden. Die verwundbarsten Menschen und Gemeinschaften müssen im Mittelpunkt des Fonds stehen, das Geld muss bei ihnen ankommen.
Wo soll der Fonds aufgesetzt werden? Während Entwicklungsländer den Fonds unter dem Dach der Klimarahmenkonvention aufsetzen wollen, plädieren Industrieländer für eine Lösung durch die Weltbank, also außerhalb der Konvention. Wichtig ist, dass sich der Fonds – als Herzstück der Finanzarchitektur zu Schäden und Verlusten – an den Bedürfnissen der Verwundbarsten orientiert und ihnen direkten Zugang ermöglicht. Der Fonds sollte nach den Prinzipien der Klimarahmenkonvention und des Pariser Klimaabkommens arbeiten, das heißt beispielsweise: Industrie- und Entwicklungsländer müssen gleichberechtigt Entscheidungen treffen. Diese Kriterien erfüllt die Weltbank nicht. Deshalb kann die Weltbank zwar als Treuhänderin fungieren, der Fonds muss jedoch eigenständig und unabhängig aufgesetzt werden.
Was soll der Fonds abdecken? Die Finanzlücken im Umgang mit Schäden und Verlusten sind riesig, auch wenn zusätzlich ein zum Teil schon existierendes Mosaik an Unterstützungsmechanismen wie der Global Shield auf den Weg gebracht wurde. Der neue Fonds muss daher umfassende, von den von Verlusten und Schäden betroffenen Ländern selbst gesteuerte und priorisierte Lösungen unterstützen, sowohl für ökonomische als auch für nicht ökonomische Schäden und Verluste. Die Klärung dieser Fragen ist essenziell, um den Fonds handlungsfähig zu machen – doch ein leerer Fonds nützt niemandem. Zentral ist daher außerdem, dass der Fonds sehr zeitnah angemessen gefüllt wird – möglichst schon auf der COP28. Deutschland und andere Industrieländer müssen ihre Einzahlungen jetzt vorbereiten.
Laura Schäfer ist bei Germanwatch Referentin für Klima-Risikomanagement und Koordinatorin für Klimaaußenpolitik und G7. Vera Künzel arbeitet bei der Umwelt- und Entwicklungs-NGO als Referentin für Anpassung an den Klimawandel und Menschenrechte.

“Wir werden uns nicht an der Agenda 2030 orientieren”, sagte Javier Milei bei der zweiten TV-Debatte der argentinischen Präsidentschaftskandidaten am 9. Oktober. Die 17 Entwicklungsziele der UN nennt der ultraliberale Ökonom Ausdruck eines “Kulturmarxismus”. Ob es Klimaschutz gibt oder nicht, solle laut Milei der Markt entscheiden. In Umwelt- und Klimafragen ist er ein Hardliner. Auf einem Wirtschaftskongress sagte er: “Ein Unternehmen kann den Fluss so stark verschmutzen, wie es will. Wo ist der Schaden, wo ist das Problem?”
Argentinien wählt am kommenden Sonntag (22.10.) einen neuen Präsidenten. Neben Milei haben noch Sergio Massa von der Partei Union por la Patria und Patricia Bullrich von Juntos por el Cambio Chancen auf einen Wahlsieg. Milei tritt für die Partei Libertad Avanza an. Aktuell liegt er in den Umfragen vorn.
Mileis Wahlsieg bei den Vorwahlen im August war eine Überraschung. Sein Erfolg geht auch auf das politische Versagen vorheriger Regierungen und die anhaltende Wirtschaftskrise Argentiniens zurück. Die Inflation steigt mit jedem Jahr und liegt aktuell bei knapp 140 Prozent. Zusätzlich klafft im Staatshaushalt ein riesiges Loch. Und als wäre das nicht genug, leidet die Landwirtschaft – traditionell ein wichtiger Wirtschaftssektor – unter einer historischen Dürre.
In dieser Krisenzeit spielt der Klimawandel im Wahlkampf nur eine marginale Rolle. Die Kandidaten der größten Parteien versprechen, das Land mit Wirtschaftswachstum aus der Krise zu holen. Wenn Europa grünen Wasserstoff nachfragt, sollen riesige Windparks entstehen. Wenn fossile Energien wie Gas und Öl Devisen bringen, werden Pipelines oder Flüssiggas-Terminals gebaut. Am Golf von San Matías an der Küste Patagoniens laufen bereits Vorbereitungen für das landesweit größte Terminal zum Export von Rohöl. Um dieses Projekt zu ermöglichen, änderte die Regierung der zuständigen Provinz ein Gesetz, das Ölprojekte an dieser Bucht verbot. Insbesondere indigene Gemeinden protestieren gegen die Vorhaben. Doch die Projekte sind ganz im Sinne Mileis. Er will ein Notstandsgesetz außer Kraft setzen, das die Indigen vor Vertreibung und Umsiedlung schützt.
Javier Mileis Logo ist ein brüllender Löwenkopf. Er inszeniert sich gerne als Rebell. “Ich bin nicht in die Politik gegangen, um Lämmer zu führen. Ich bin gekommen, um Löwen zu wecken”, ist das Motto seiner Kampagne. Bei Wahlkampfauftritten reißt er auch mal eine Motorsäge in die Höhe. Sie steht für seinen Plan, den Staat auf ein Minimum zu reduzieren. Das trifft auch die Klimapolitik. Milei will elf Ministerien schließen, darunter das Ministerium für Umwelt und Nachhaltige Entwicklung, in dessen Zuständigkeit die argentinische Klimastrategie 2030 fällt.
Javier Milei tritt als politischer Außenseiter auf – wenngleich er seit 2021 Mitglied des Parlaments ist. Mit seinen Schimpftiraden auf die politische “parasitäre Kaste” trifft er den Nerv einer jungen Generation, die mit der Inflation groß geworden ist und das Vertrauen in die Politik verloren hat. Er wuchs in den 1970er Jahren als Sohn eines Busfahrers und Transportunternehmers sowie einer Hausfrau in Buenos Aires auf, studierte Wirtschaftswissenschaften. Später arbeitete er als Dozent und war bis zuletzt für Eduardo Eurnekián tätig, einen der größten Flughafenbetreiber weltweit und laut Forbes der viertreichste Mann Argentiniens. Im Jahr 2020 verkündete Milei seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen.
Neben libertärer Wirtschaftspolitik vertritt Milei immer wieder Positionen ultrakonservativer bis rechter Gesellschaftspolitik. Er erinnert in seinem Auftreten an den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump: beide kommen aus der Wirtschaft, wurden in TV-Shows bekannt, verteidigen Waffen und halten Privateigentum für unantastbar. Doch anders als Trump, der auf die Abschottung der US-Wirtschaft setzte, will Milei die radikale Öffnung. Bei einem Wahlsieg von Milei wäre für den Klimschutz in Argentinien jahrelanger Stillstand vorprogrammiert. Lisa Pausch aus Mendoza/Argentinien