nun kommt sie doch, und zwar schnell: Nach monatelangem Zögern in Europa soll es eine Preisobergrenze für russisches Gas geben. Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat gestern – vor dem Treffen den Energieminister am Freitag – den Notfallplan gegen hohe Energiekosten erläutert. “Wir müssen Russlands Einnahmen verringern, die Putin zur Finanzierung seines grausamen Kriegs gegen die Ukraine einsetzt”, sagte sie. Wladimir Putin drohte darauf mit einem vollständigen Lieferstopp. Manuel Berkel berichtet aus Brüssel.
Apropos Brüssel: In keiner Stadt der Welt, außer in Washington, D.C., gibt es mehr Lobbyisten. Laut Transparency International arbeiten mindestens 48.000 Menschen in der EU-Hauptstadt in Organisationen, die versuchen, die EU-Institutionen und Entscheidungen zu beeinflussen. Das europäische Transparenzregister soll diese Interessenvertretung durchsichtiger machen. Auch in Deutschland ist seit März ein Lobbyregister verpflichtend. Wie beide Systeme funktionieren, welche Defizite sie haben und wie sie sich verändern sollen, lesen Sie heute in Falk Steiners Analyse.
Christof Roche blickt auf das informelle Treffen der EU-Finanzminister Ende der Woche in Prag: Sie unternehmen einen erneuten Versuch, eine einheitliche Linie hinsichtlich der Schuldentragfähigkeit und der Absicherung solider Haushalte zu erreichen. Das Ziel: sich endlich auf Reformvorschläge für die EU-Fiskalpolitik zu einigen. Ob nach jahrelangem Misserfolg nun ein Kompromiss gelingt?
Kommen Sie gut in den Tag!
Monatelang hatte Europa gezögert, nun soll es sie doch geben – eine Preisobergrenze für russisches Gas. “Wir müssen Russlands Einnahmen verringern, die Putin zur Finanzierung seines grausamen Kriegs gegen die Ukraine einsetzt”, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gestern in Brüssel.
Nachdem der Plan bereits in den vergangenen Tagen bekannt geworden war, will von der Leyen nun Tempo machen. Der Preisdeckel wird einer der Punkte sein, über den die Energieminister bei ihrem Treffen am Freitag beraten. Am kommenden Dienstag will die Kommission ein Paket an Gesetzesinitiativen vorlegen, danach müssten die Vorschläge wieder vom Rat abgesegnet werden. In einer Brüsseler Vertretung glaubt man schon, dass sich die Energieminister künftig monatlich treffen werden.
Der russische Präsident hatte zuvor gedroht, im Fall eines Preisdeckels kein Gas mehr nach Europa zu liefern. “Wenn irgendwelche politische Entscheidungen getroffen werden, die den Verträgen widersprechen, werden wir sie einfach nicht erfüllen”, sagte Wladimir Putin in Wladiwostok.
“Wir sollten uns nicht beeindrucken lassen durch diese Ankündigung. Sie wäre sowieso irgendwann gekommen”, sagte von der Leyen dazu. Doch warum will die Kommission den Gaspreisdeckel ausgerechnet jetzt einführen? Nur noch neun Prozent der Gaseinfuhren kommen laut von der Leyen inzwischen aus Russland, vor dem Krieg waren es noch 40 Prozent. Genau darin liegt aber auch ein Grund für den späten Vorstoß. Die Kommission sieht Europa nun besser gegen einen vollständigen Lieferstopp gewappnet. Andere Exporteure haben ihre Lieferungen erhöht, die Speicher sind derzeit zu 82 Prozent gefüllt.
Die Kommission scheint inzwischen aber auch nach dem Motto zu handeln, dass es schlimmer kaum noch werden kann. “Auch ohne Preisobergrenze kommt es bereits zu erheblichen Störungen”, heißt es in einem gestern verbreiteten Papier aus dem Berlaymont. Damit dürften zum einen die Produktionsrückgänge in Unternehmen gemeint sein, aber auch die hohen Preisausschläge an den Energiemärkten, die inzwischen den gesamten Handel bedrohen.
“Wir sehen seit Monaten, dass Putin den Markt manipuliert”, sagte von der Leyen. Inzwischen scheint die Kommission Putins Einfluss auf die Energiebörsen als bedrohlicher einzustufen als das physische Einstellen der restlichen Lieferungen.
So zielt das gesamte Paket darauf ab, die Preise für Gas und Strom zumindest wieder in Richtung des Niveaus von vor dem Krieg zu drücken. Dabei adressiert die Kommission auch Länder, die der EU mit ihren zusätzlichen Pipeline-Lieferungen gerade aus der Patsche helfen. Die Energieplattform für den gemeinsamen Gaseinkauf soll mit dem Mandat ausgestattet werden, auch mit zuverlässigen Lieferanten wie Norwegen über niedrigere Einkaufspreise zu verhandeln – ebenso wie für den Einkauf von Flüssiggas.
Bei der Erlösobergrenze für nicht-preissetzende Kraftwerke hat die Kommission klargestellt, dass es einen einheitlichen Deckel für alle betroffenen Technologien – vor allem Erneuerbare – geben soll. Laut verschiedenen Medienberichten sieht ein Entwurf eine Obergrenze von 200 Euro pro Megawattstunde Strom vor, der genaue Wert soll aber Gegenstand der Diskussionen am Freitag sein.
Wie Zufallsgewinne eingesammelt werden, will die Kommission nun weitgehend den Regierungen überlassen. In einem früheren Entwurf hieß es noch, dass Mitgliedstaaten, die bereits Übergewinnsteuern eingeführt haben, ihre Maßnahmen ändern müssten. Einige Staaten werden dafür wohl die Regeln für die Preisfindung an den Energiebörsen modifizieren, andere stattdessen Übergewinne abschöpfen, erklärte ein hochrangiger Kommissionsbeamter. Neu ist, dass auch Öl-, Kohle- und Gaskonzerne einen sogenannten Solidaritätsbeitrag leisten sollen.
Ähnlich wichtig wie der Preisdeckel sind allerdings zwei Maßnahmen, die bisher weniger beachtet wurden: verpflichtendes Stromsparen und Änderungen im Energiehandel. Für Peak-Zeiten mit besonders hohem Verbrauch soll es ein verpflichtendes Sparziel geben – angereizt beispielsweise durch Auktionen, wie es sie in Deutschland bereits für sogenannte abschaltbare Lasten in der Industrie gibt. Verbraucher, die nicht über die nötigen Voraussetzungen wie Smart Meter verfügen, will die Kommission aber trotzdem in die Pflicht nehmen – durch ein generelles Stromsparziel.
Die größte akute Belastung der Energiehändler sind derzeit die astronomisch gestiegenen Sicherheitsforderungen (Margins) bei ihren Geschäften. Die Kommission sucht deshalb nach Wegen, wie eine breitere Palette an Assets als Sicherheiten akzeptiert werden könnten. Mit einer Änderung des Befristeten Krisenrahmens sollen staatliche Liquiditätshilfen schneller fließen können.
Die Kommission verhandelt aber auch mit den Börsenplätzen für Derivate über eine direkte Begrenzung der hohen Preisausschläge innerhalb der Handelstage. Die gestiegene Volatilität, welche die Sicherheitsforderungen noch weiter wachsen lässt als die hohen Preise allein, soll durch sogenannte Schutzschalter eingehegt werden.
Für den außerbörslichen Terminhandel will die Kommission einen eigenen LNG-Index entwickeln, weil sich der bisherige Leitindex TTF zu weit vom Weltmarktpreis für Flüssiggas entfernt hat. Die Börsen sollen außerdem neue Forward-Produkte entwickeln, die sich auf den neuen LNG-Index beziehen. Davon erhofft sich die Kommission auch einen dämpfenden Effekt an den Strombörsen, wo meist Gaskraftwerke den Preis setzen.
Interessenvertretung unterliegt oft einem Generalverdacht: Beeinflussen Wirtschaftsakteure die politisch Verantwortlichen? Und das auch noch in unzulässiger Weise? Sitzt die Politik bei der Wirtschaft auf dem Schoß? Die Realität ist natürlich komplexer – auch um Vorurteilen entgegenzuwirken, sind in den vergangenen Jahren Transparenzregister eingeführt worden: Wer mit wem und in wessen Auftrag spricht, das soll transparent gemacht werden. Ein Blick auf das EU-Transparenzregister und das Lobbyregister des Bundes zeigt dabei die Fortschritte – und einige Lücken.
Das öffentlich einsehbare Lobbyregister des Bundes ist seit Anfang März verbindlich. Treten Interessenvertreter an Bundestagsabgeordnete oder höhere Ministerialbeamte ab Unterabteilungsleiter-Ebene heran, müssen die meisten von ihnen ab diesem Zeitpunkt einen Eintrag im Lobbyregister von Bundestag und Bundesregierung vornehmen: Der Verband oder das Unternehmen, für das gesprochen wird, muss aufgeführt sein, dazu Angaben zu den Aufwendungen für die politische Interessenvertretung.
Auch Einzelpersonen und Agenturen, die Interessen vertreten, müssen die Regeln befolgen. Verbunden damit ist ein Verhaltenskodex – und mittlerweile sind über 28.000 Vertreter im Lobbyregister registriert. Die hohe Zahl täuscht dabei etwas dadurch, dass alle gesetzlichen Vertreter einer juristischen Person angegeben werden müssen. Die tatsächliche Zahl der Interessenvertreter liegt bei etwa der Hälfte. Gut 450 vertreten dabei im Auftrag Dritter Interessen, etwa als Public Affairs-Agenturen, deren Einträge müssen Kundenlisten enthalten.
Dass das Lobbyregister überhaupt kam, war auch mit diversen Skandalen verbunden – Maskendeals, Aserbaidschan-Affäre und weitere Vorkommnisse. Zehn Jahre älter ist das europäische Pendant: Das trägt den Namen Transparenzregister – und auch um dieses wird weiter gerungen. 12.600 Einträge umfasst das Register derzeit, auch hier müssen etwa Agenturen Angaben zu ihren Kunden hinterlegen.
Der Politikwissenschaftler Ronny Patz sagt: “Was sich über die Jahre verändert hat: Das Register ist jetzt mit anderen Datenbanken der EU verknüpft, mit Treffen der EU-Kommissare, Konsultationsverfahren, Mitgliedschaft in Expertenausschüssen der Kommission. Das Transparenzlevel hat sich durch die Verknüpfung mit Aktivitäten erhöht.”
Das deutsche Lobbyregistergesetz kennt das bislang nicht. Doch die Ampelkoalition will das nun reformieren. Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, dass künftig der sogenannte legislative Fußabdruck mitgeregelt werden soll, zudem sollen Kontakte zu Ministerien bis auf Referentenebene eintragspflichtig werden – außerdem sollen die Ausnahmen reduziert werden.
Als “wichtiges Instrument, um die Beziehungen zwischen Bundesregierung, Bundestag und Nichtregierungsorganisationen transparent zu machen”, bezeichnet der parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Stephan Thomae, das Lobbyregister. Ausnahmen von der Eintragungspflicht sollten künftig klarer differenziert werden, fordert er: “Denn Kirchen, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden sind derzeit nicht nur in ihrem grundrechtlich geschützten Bereich ausgenommen, sondern auch, wenn sie klassische Interessensvertretung betreiben.” Das sei nicht nachvollziehbar. Der Anwendungsbereich solle insgesamt erweitert werden, sagt Johannes Fechner (SPD): “Wichtig ist auch, dass wir die geltenden Angabepflichten verschärfen.”
Das europäische Transparenzregister, meint der Grünen-Europaabgeordnete Daniel Freund, sei grundsätzlich weit voraus gegenüber dem, was auf Bundesebene existiert. Das liege vor allem an der Transparenzpflicht für Treffen der EU-Kommission, die offengelegt werden müssen – inzwischen 35.000. Auch Parlamentarier sollen ihre Kontakte eigentlich offenlegen, allerdings handhabt dies längst nicht jeder Europaabgeordnete regelkonform. Sanktionen wiederum gibt es nur für die Lobbyisten – und ob diese wirksam sind, ist umstritten: Das Parlament kann für seine Liegenschaften ein Betretungsverbot aussprechen, die EU-Kommission Vertreter nicht mehr zu Anhörungen einladen.
Das Hauptproblem aber sieht Freund bei der dritten europäischen Institution: Beim Rat “kumuliert sich Intransparenz”, sagt der Grünen-Abgeordnete: “Wenn man will, dass es keiner mitbekommt, geht man zum Rat.” Die Mitgliedstaaten seien auch nach der letzten Reform nur angehalten, sich am EU-Transparenzregister zu beteiligen, und das sechs Monate bevor und in den sechs Monaten, in denen sie die Ratspräsidentschaft innehätten.
Und auch da seien die europäischen Regeln löchrig: Nur die Ständigen Vertreter seien von der europäischen Regelung umfasst – bei der deutschen Ratspräsidentschaft waren aber 400 Mitarbeiter eingebunden, so Freund. Wer für die Ratspräsidentschaft arbeitete und nicht mindestens Unterabteilungsleiter war, war dabei weder von der europäischen noch von der deutschen Regelung umfasst.
Die deutsche Regelung soll nun, so will es der Koalitionsvertrag, geändert werden. Die Gespräche dazu zwischen den Koalitionsfraktionen laufen bereits. Ob dabei auch das bisherige Verfahren geändert wird, dass nur dann Einträge erfolgen müssen, wenn der Kontakt vom Interessenvertreter ausging, ist noch unklar. Künftig sollen jedoch alle Kontakte schon ab der Referentenebene zur Eintragspflicht führen. “Mit der Einführung eines legislativen Fußabdrucks werden wir selbst dort, wo die begrenzte räumliche Reichweite deutschen Rechts zu etwaigen Regelungslücken führen würde, gegensteuern”, sagt Stephan Thomae (FDP).
Damit könnte auch das EU-Lobbying starke Veränderungen erfahren. “Alle nationalen Regulierungen sind bei der Durchsetzung dem EU-Transparenzregister überlegen, wenn sie gut gemacht sind”, sagt Wissenschaftler Ronny Patz. Denn den EU-Institutionen fehlt es an der formalen Durchsetzungskompetenz. Schon heute sieht das deutsche Lobbyregistergesetz vor, dass fehlerhafte oder fehlende Einträge als Ordnungswidrigkeiten verfolgt werden können – mit immerhin bis zu 50.000 Euro als drohender Geldbuße bewehrt.
Parallel beginnen in Brüssel heute Beratungen über weitere Regelverschärfungen auch auf EU-Ebene: Sowohl beim Lobbyregister als auch bei anderen Interessenvertretungs- und Transparenzthemen wie der Genehmigung von Tätigkeiten ausgeschiedener Kommissionsmitgliedern erhofft Daniel Freund sich weitere Verbesserungen.
Mit den zunehmenden Anforderungen unterschiedlicher Lobby- und Transparenzregister kommen allerdings auch neue Herausforderungen: Allein 14 unterschiedliche derartige Register gibt es in der EU, in Deutschland kommen auch auf Ebene der Bundesländer immer neue hinzu – und so kann es gut sein, dass demnächst Interessenvertreter mit einem Wunsch in eigener Sache in die Debatten einsteigen: Eine Standardisierung und Synchronisierung der verschiedenen Lobbyregister – um den Aufwand überschaubar zu halten.
Die Finanzminister der 27 EU-Staaten nehmen auf ihrem informellen Treffen an diesem Samstag in Prag einen weiteren Anlauf, um eine einheitliche Linie hinsichtlich der Schuldentragfähigkeit und der Absicherung solider Haushalte zu erreichen. Das Ziel der Aussprache ist, der Europäischen Kommission Leitplanken für geeignete Reformvorschläge der EU-Fiskalregeln an die Hand zu geben. Die Kommission will in den kommenden Wochen ihre Vorstellungen für eine künftige stabilitäts- und wachstumsorientierte Fiskalpolitik der EU präsentieren. Das Thema steht auch erneut auf der Tagesordnung der regulären Ecofin-Tagung am 4. Oktober.
Offen ist allerdings, ob die Brüsseler Behörde nach der Diskussion in Prag bereits einen konkreten Legislativvorschlag unterbreiten wird, oder ob sie zunächst auf eine weitere Diskussion auf Basis einer Mitteilung setzen wird. Die Finanzminister haben es seit 2020 in mehreren Gesprächsrunden nicht geschafft, Konsens über die künftige Fiskalpolitik herzustellen. Aufgrund der nach wie vor stark divergierenden Positionen unter den Staaten halten Beobachter auch in Prag einen Durchbruch für eher unwahrscheinlich. Sie setzen daher für das weitere Vorgehen der Brüsseler Behörde auf eine Orientierungsgrundlage.
EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni sprach auf einer Veranstaltung in Brüssel lediglich von Orientierungen, die die Europäische Kommission in den kommenden Wochen zur Überarbeitung der Haushaltsregeln der EU vorlegen wolle, zum Instrument machte er keine Angaben. Das Ziel der Reform sei, das Fiskalregelwerk zu vereinfachen und seine Durchschlagskraft zu erhöhen. Damit sollen Staatsverschuldung gesenkt und Wirtschaftswachstum nachhaltig gestärkt werden.
“Die Vereinfachung der Regeln, eine stärkere nationale Eigenverantwortung und eine bessere Durchsetzung werden die bestimmenden Merkmale der Reform sein, mit dem übergeordneten Ziel, die Schuldentragfähigkeit und das nachhaltige Wachstum zu unterstützen”, so Gentiloni.
Eine Möglichkeit, dies zu erreichen, sei, dass die Regierungen Ausgabenpläne für mehrere Jahre im Voraus vorbereiten, die mit einem Rückgang der Staatsverschuldung auf ein nachhaltiges Niveau vereinbar wären. Solche Pläne könnten auch Investitions- und Reformverpflichtungen enthalten, ähnlich denen, die für den EU-Wiederaufbaufonds verwendet werden.
Die Staaten könnten zudem zu einem einzigen Ausgabenindikator übergehen, anstatt eine Vielzahl von Indikatoren zu verwenden, die oft nicht unmittelbar messbar seien, betonte Gentiloni. Außerdem könnten sie mehr Spielraum bei der Festlegung der Haushaltspläne erhalten, wenn sie diese stärker mit nationaler Eigenverantwortung verknüpften, allerdings ohne gemeinsame EU-Prinzipien wie die Schuldentragfähigkeit zu unterlaufen.
Die deutsche Regierung hat vor dem Prager Treffen in dem Non-Paper “Prinzipien der Bundesregierung für die Reformdiskussion zu den EU-Fiskalregeln” grundsätzliche Bereitschaft signalisiert, Mitgliedstaaten kurzfristig mehr Spielraum beim Schuldenabbau zu gewähren.
Dies müsse aber im Gegenzug mit einer strikteren Einhaltung der mittelfristigen Budgetverpflichtungen verknüpft werden, basierend auf einer besseren “Durchsetzung der Regeln, einschließlich einer regelbasierten Einleitung und Durchführung von Defizitverfahren”. Eine klare Absage erteilte Berlin in dem Non-Paper dagegen Überlegungen, die Fiskalpolitik zwischen Staaten und Europäischer Kommission individuell auszuhandeln: “Eine bilateral verhandelte individuelle Anwendung des Regelwerks ist kein geeigneter Weg, den gemeinsamen fiskalischen Rahmen im Sinne größerer Transparenz, höherer Verbindlichkeit und Wirksamkeit weiterzuentwickeln”, heißt es in dem Dokument.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat der EU vor dem informellen Treffen in Prag eine rasche Reform ihres Fiskalregelwerks nahegelegt. Aktuell seien die Schuldenregeln Corona-bedingt noch bis einschließlich 2023 ausgesetzt – ein guter Moment für Veränderungen. “Diese Gelegenheit sollte nicht verschwendet werden”, betonte der IWF. Der Währungsfonds schlägt in diesem Zusammenhang vor, die numerischen Ziele des EU-Stabilitäts- und Wachstumspakts beizubehalten. Diese sehen eine Begrenzung der Neuverschuldung von EU-Staaten auf drei Prozent und der Gesamtverschuldung auf 60 Prozent der jeweiligen nationalen Wirtschaftsleistung vor.
Allerdings will der IWF das Tempo der Annäherung an diese Richtwerte abhängig machen vom Risiko, das die Schulden für das jeweilige Land bedeuten. Dazu soll ein unabhängiges Gremium – der Europäische Fiskalrat – Analysen zur Schuldentragfähigkeit beisteuern. Staaten mit einem höheren Risiko müssten sich innerhalb von drei bis fünf Jahren schneller ausgeglichenen Haushalten oder gar Überschüssen annähern. Andere Staaten sollen mehr Flexibilität bekommen. Außerdem fordert der IWF mittelfristige Finanzpläne, inklusive Obergrenzen bei den Ausgaben.
Weitere Themen auf dem zweitägigen informellen Ecofin-Treffen am 9. und 10. September in Prag sind potenzielle kurz- und langfristige Finanzhilfen an die Ukraine sowie die wirtschaftlichen Folgen der russischen Aggression in der Ukraine auf die Europäische Union. Zudem wollen die Finanzminister eine weitere Harmonisierung der direkten Steuern in der EU beraten. Da die Veranstaltung informell ausgerichtet ist, sind keine konkreten Beschlüsse zu erwarten. An dem Treffen nehmen neben den Finanzminister hochrangige Vertreter der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank sowie der nationalen Notenbanken teil. Von Christof Roche/rtr
09.09.-11.09.2022, Gummersbach
FNF, Seminar Mobilität der Zukunft
Die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) befasst sich damit, wie sich die menschliche Fortbewegung im 21. Jahrhundert verändern wird. INFOS
12.09.2022, online
SAP, Seminar Learning Circle Experience zu Prozessmodellierung, digitale Zusammenarbeit und Produktivität
Die SAP stellt Möglichkeiten der vernetzten und strukturierten Zusammenarbeit in Unternehmen vor. INFOS & ANMELDUNG
12.09.2022 – 11:30-13:30 Uhr, Rostock
KAS, Podiumsdiskussion Die Zukunft der Europäischen Union – Deutsche Außenpolitik zwischen Wandel und Kontinuität
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) beschäftigt sich mit den Auswirkungen verschiedener globaler Krisen auf die Rolle Europas in der Welt. INFOS & ANMELDUNG
12.09.2022 – 14:00-17:00 Uhr, Kielce (Polen)
EC, Seminar Rural Energy Community Advisory Hub – Launch of the Technical Assistance Programme
The European Commission (EC) launches a programme of direct technical assistance to rural energy communities. INFOS & REGISTRATION
13.09.-14.09.2022, Brüssel/online
Clerens, Conference Battery Innovation Days
Clerens initiates a dialogue among the Research community, Policy makers, Industry players and end-users to ensure a constructive feedback loop towards the definition of research and innovation priorities in Europe. INFOS & REGISTRATION
13.09.-14.09.2022, Köln
Telekom, Messe Digital X
Die Telekom wirft ein Licht auf die großen Trends der Digitalisierung. INFOS & ANMELDUNG
13.09.2022 – 09:00-18:00 Uhr, Frankfurt a.M.
ZVEI IoT-Plattformkonferenz
Der Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) stellt anhand von Use Case Vorträgen aus der industriellen Praxis die neuesten technologischen Lösungen im IoT vor. INFOS & ANMELDUNG
13.09.2022 – 10:30-12:00 Uhr, Brüssel (Belgien)/online
ERCST, Roundtable ETS Revision for Phase IV. The EU ETS under trilogues
The European Roundtable on Climate Change and Sustainable Transition (ERCST) discusses key takeaways from the current EU ETS state of play and will provide an opportunity to exchange views on the on-going negotiation process. INFOS & REGISTRATION
13.09.2022 – 16:00-18:00 Uhr, Brüssel (Belgien)/online
ERCST, Roundtable Carbon Clubs and International Cooperation on CBAM/BCAs
The European Roundtable on Climate Change and Sustainable Transition (ERCST) brings together global thought leaders on international climate cooperation, CBAM, and climate clubs to discuss current developments and promising options moving forward. INFOS & REGISTRATION
Fast jedes zehnte mittelständische Industrieunternehmen hat einer Umfrage des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) zufolge seine Produktion in Deutschland wegen hoher Preise unterbrochen oder gedrosselt. Extrem steigende Energiepreise stellten die Industrie vor fundamentale Probleme, erklärte der BDI-Präsident Siegfried Russwurm am Mittwoch. Von den knapp 600 befragten Unternehmen gaben mehr als 90 Prozent in einer Branchenumfrage an, dass die gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise eine existenzielle oder starke Herausforderung für sie seien.
Wegen der Preissteigerungen denkt jedes fünfte der befragten Firmen über eine Verlagerung von Teilen oder des gesamten Unternehmens ins Ausland nach. Der BDI hatte schon im Februar vor Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vor einem Abwandern der Industrie gewarnt. Damals war der Anteil der Betriebe, die über einen Wechsel oder eine teilweise Verlagerung ins Ausland nachdachten, mit 26,5 Prozent noch höher. Die Preisanstiege haben laut der Umfrage auch konkrete Auswirkungen auf die Investitionen. So gaben rund 40 Prozent der Unternehmen an, Investitionen in die ökologische Transformation zurückzustellen. Ein Fünftel beschleunigt sie dagegen.
Über vierzig europäische Unternehmen der Nichteisenmetallindustrie und ihr Verband Eurometaux haben zugleich gestern ein gemeinsames Schreiben an die Europäische Kommission, das Parlament und den Rat veröffentlicht. Sie warnen darin vor einer “existenziellen Bedrohung” für ihre Branche. Aufgrund der Stromkrise mussten laut dem Brief bereits 50 Prozent der Aluminium- und Zinkkapazitäten in der EU abgeschaltet werden.
Erhebliche Kürzungen habe es in der Silizium- und Ferrolegierungsproduktion gegeben, auch der Kupfer- und Nickelsektor sei durch die Auswirkungen betroffen. Mehrere Unternehmen hätten unbefristete Schließungen angekündigt, für viele weitere gehe es im kommenden Winter “um Leben und Tod”. Die Strom- und Gaskosten seien mehr als zehnmal so hoch wie im letzten Jahr und übersteigen den Verkaufspreis der Produkte. Die Unternehmen fordern die EU im Hinblick auf in dem Brief unter anderem auf, Maßnahmen gegen die hohen Kosten für Unternehmen zu ergreifen und diese stärker zu entlasten.
Auch weitere Industrieverbände aus der Zement-, Chemie- und Stahlbranche, hatten sich im Hinblick auf die Notfallpläne und das Treffen der Energieminister am Freitag mit einem Brief an Kommissionspräsidentin von der Leyen gewandt. Sie forderten unter anderem Maßnahmen zur Begrenzung des Erdgaspreises, das Kappen der Verbindung zwischen Gas- und Strommarkt und eine vorübergehende Anpassung des Rahmens für staatliche Beihilfen in der EU. leo/ dpa
Die große Zahl an Waldbränden hat in Europa in diesem Sommer zu den höchsten Emissionen im Rauch enthaltener Luftschadstoffe der vergangenen 15 Jahre geführt. Wie der Copernicus-Atmosphärenüberwachungsdienst Cams der EU am Dienstag mitteilte, werden die zwischen Anfang Juni und Ende August in der Europäischen Union und Großbritannien ausgestoßenen Mengen an Kohlenstoff auf 6,4 Megatonnen geschätzt – so viel wie seit 2007 nicht mehr.
“Die Kombination der Hitzewelle im August mit ausgedehnten trockenen Bedingungen in Westeuropa resultierte in erhöhter Zahl, Intensität und Dauer von Waldbränden”, hieß es in der Copernicus-Mitteilung. Quelle der Emissionen seien vor allem verheerende Brände in Südwestfrankreich und auf der Iberischen Halbinsel gewesen. Dort lag die Freisetzung sogar auf dem höchsten Stand seit zwei Jahrzehnten.
“Die meisten Brände ereigneten sich an Orten, an denen der Klimawandel die Entflammbarkeit der Vegetation erhöht hat, wie in Südwesteuropa, und wie wir es auch in anderen Regionen in anderen Jahren gesehen haben”, erklärte Copernicus-Waldbrand-Experte Mark Parrington.
In anderen Regionen der nördlichen Hemisphäre, in denen es üblicherweise eine hohe Zahl an Waldbränden gibt, seien die Emissionen in diesem Jahr hingegen verhältnismäßig gering ausgefallen, hieß es weiter. So habe es zwar im Osten Russlands mehrere verheerende Brände gegeben, aber nicht so heftig wie in den vergangenen Jahren. Auch in den USA sei der Ausstoß an Luftschadstoffen durch Waldbrände geringer gewesen als in den beiden vergangenen Jahren. Schlimmer als zuletzt waren die Feuer hingegen in Brasilien. So hätten im Bundesstaat Amazonas im Zeitraum Juli und August die Emissionen weit über dem Durchschnitt gelegen.
Für ihre Schätzungen werten die Wissenschaftler des Copernicus-Dienstes Satellitenbilder von aktiven Bränden aus. Dabei wird der Hitzeausstoß gemessen, aus dem man Rückschlüsse auf die Emissionen ziehen kann. dpa
Russland stellt den ausgehandelten Kompromiss zur Ausfuhr ukrainischen Getreides über das Schwarze Meer wieder in Frage. Das eigentlich für arme Länder bestimmte Grundnahrungsmittel werde an die Türkei und in die Europäische Union geliefert, sagte Präsident Wladimir Putin am Mittwoch in Wladiwostok im Osten Russlands. Möglicherweise müsse darüber nachgedacht werden, wie man die Exporte über das Schwarze Meer begrenzen könne. “Ich werde auf jeden Fall das Thema mit dem türkischen Präsidenten Tayyip Erdogan beraten.” Schließlich solle vor allem den ärmsten Ländern geholfen werden.
Die Ukraine wies die Vorwürfe zurück. Das Abkommen mit Russland werde strikt eingehalten, sagte Präsidenten-Berater Mychailo Podoljak. “Solche (…) Erklärungen deuten eher auf den Versuch hin, neue Argumente zu finden, um die öffentliche Meinung in der Welt zu beeinflussen und vor allem Druck auf die Vereinten Nationen auszuüben.”
In dem Vertrag zwischen den beiden kriegsführenden Ländern ist nicht festgelegt, wohin das Getreide geliefert werden soll. Nach Angaben der in Istanbul ansässigen Koordinierungsgruppe, die das Abkommen überwacht, gingen 30 Prozent der Fracht in ärmere Länder.
Die Ukraine und Russland hatten die Ausfuhren unter Vermittlung der UN und der Türkei am 22. Juli vereinbart. Russland hob daraufhin die Blockade der ukrainischen Schwarzmeer-Häfen für Getreidefrachter auf. Die UN und viele internationale Staaten hatten auf das Abkommen gedrungen, um den weltweiten Getreidepreis-Anstieg infolge der Verknappung des Angebots zu dämpfen. Die Ukraine zählt neben Russland zu den weltweit größten Getreideexporteuren. Nur über den Seeweg kann die Ukraine größere Mengen ausführen. Viele ärmere Länder sind auf die Getreide-Importe angewiesen, können gestiegene Preise aber kaum auffangen. rtr

Spione sollen nicht den eigenen Machtapparat verraten. Genau das aber tat der Chef der russischen Auslandsspionage, Sergej Naryschkin, am 23. Februar unfreiwillig und unübersehbar. Bei einer Sitzung des russischen Sicherheitsrates offenbarten seine Antworten nicht nur, wie die Vorwände des russischen Imperialismus wetterwendisch wechseln. Als Wladimir Putin seinen obersten Spion vor der Weltöffentlichkeit demütigte, verriet er: Die Russische Föderation ist ein Führerstaat geworden.
Der Alleinherrscher hat absolute Macht. Er wird durch keine Öffentlichkeit, keine Partei, kein Parlament, keine Justiz, kein Kabinett oder auch nur eine Funktionärs- oder Geheimdienstclique kontrolliert – im Gegenteil, er beherrscht sie alle. Einen Tag nach Naryschkins peinlicher Offenbarung erlebte die Welt, wozu Führerstaaten fähig sind: Russland überfällt die Ukraine und tötet seitdem Tausende und terrorisiert Millionen.
Kenner Russlands konnten die Metamorphose von den dysfunktionalen postsowjetischen Jelzin-Jahren zum Putinschen Führerstaat kommen sehen. Natürlich gibt es kein Politbüro mehr, das in der alten UdSSR als Kontrollorgan den Generalsekretär der KPdSU ernannte bzw. absetzte. Duma und Föderationsrat sind Claqueure, die Pressevielfalt ist fast völlig verschwunden.
Auch die Wirtschaft ist Untertan, vom Schauprozess gegen Michail Chodorkowskij 2005 bis zum plötzlichen Tod von Wirtschaftsvertretern, die den Ukraineüberfall ablehnen. Auch Putins aggressive Absage an die demokratische Welt bei seinem historischen Auftritt auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2007 wurde weder in Washington noch in Brüssel oder Berlin hinreichend ernst genommen.
Wer von der absteigenden Weltmacht Russland auf die aufsteigende Weltmacht China blickt, wird beunruhigende Ähnlichkeiten feststellen. Der starke Mann Chinas, Xi Jinping, hat nahezu alle Gegenkräfte in seinem Einparteienstaat beseitigt, um sich auf dem nächsten Parteikongress ab dem 16. Oktober auf Lebenszeit wählen lassen zu können. Mehrfach wechselte er die Geheimdienstspitzen aus, das Militär hat er fest in der Hand. Er regiert persönlich in alle Organisationen von Staat, Partei und Gesellschaft hinein. Wer ihm widerspricht, landet in den Verhörkellern der Zentralen Disziplinarkommission.
Auch die Wirtschaft ist an der kurzen Leine, vom Hausarrest von Jack Ma bis zu Gesetzen, die das Datensammeln zum staatlichen Monopol machen. Hierin übertrifft Xi seinen Verbündeten Putin bei Weitem. Mit Sozialpunkten und Gesichtserkennung hat Xi totalitäre Macht über jeden: Bürger, Institutionen und Hierarchien.
Man muss Führerstaaten fürchten, weil selbst die originären Interessen des Landes von persönlichen Prioritäten, Visionen, Launen und Krankheiten der Nr. 1 überlagert werden können. Die Jasager schaffen für den Alleinherrscher zudem eine Scheinrealität, sodass er trotz langjähriger politischer Erfahrung irrational entscheiden kann – und niemand wird ihn aufhalten.
Schon immer gab es Alleinherrscher, die ein gesamtes Gemeinwesen unterjochen konnten. Atommächte als Führerstaaten sind aber eine neue geostrategische Herausforderung, auf die sich die Welt einstellen muss. Sie stellen gerade für Demokratien eine neue Risikoklasse dar und sollten deshalb auch so eingestuft und behandelt werden.
Deutschland vertraute auf “Wandel durch Handel” – von der Montanunion über die Ostpolitik bis zum aktuellen Umgang mit dem China Xi Jinpings. Durch wechselseitige wirtschaftliche Abhängigkeiten politische Risiken zu reduzieren, hat sich bei Führerstaaten aber als völlig untauglich erwiesen. Gegenüber einem Führerstaat ist jede Form der Abhängigkeit prinzipiell kontraproduktiv – sie kann den Alleinherrscher sogar zu unkalkulierbarem Verhalten verführen und so strategische Verwundbarkeiten noch verstärken.
Entsprechend sollten G7 und EU, angelehnt an Bonitätsratings, Länder danach einstufen, ob sie sich der Staatsform Führerstaat annähern. Mit jedem Schritt zur Alleinherrschaft sollten Maßnahmen ergriffen werden, um strategische Verwundbarkeiten zu reduzieren und das Kalkül des Alleinherrschers zu beeinflussen.
Aus dem russischen Angriff auf die Ukraine und aus der Wirkung der aktuellen Sanktionen gegen Russland – sie verändern das strategische Verhalten der anderen Seite allenfalls mittel- und langfristig und schaden allen – können wir lernen:
Gegenüber Führerstaaten müssen wir statt auf Bestrafung ex post auf Prävention durch glaubwürdige Abschreckung setzen. Zu Recht schaltet die Nato jetzt in den baltischen Staaten um: Man denkt nicht mehr in Kategorien einer möglichen Rückeroberung von besetztem Territorium, sondern man stellt sich von vornherein militärisch so auf, dass niemand in Moskau mehr auf die Idee kommen kann, Angriffspläne umzusetzen. Ähnliche Fragen stellen sich jetzt im Hinblick auf Taiwan – eine mögliche Zerreißprobe für die Demokratien!
Demokratien brauchen Unabhängigkeit von Führerstaaten und eine glaubwürdige Abschreckung. Konsequenzen müssen vorher angekündigt werden, wie bei der Nachrüstung in den 1980er Jahren, damit sie idealerweise gar nicht erst angewandt werden müssen. Glaubwürdig sind sie aber nur, wenn die Demokratien wirklich dahinter stehen. Dazu müssen sie wissen, dass sie es mit besonders gefährlichen Ländern zu tun haben – den Führerstaaten.
nun kommt sie doch, und zwar schnell: Nach monatelangem Zögern in Europa soll es eine Preisobergrenze für russisches Gas geben. Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat gestern – vor dem Treffen den Energieminister am Freitag – den Notfallplan gegen hohe Energiekosten erläutert. “Wir müssen Russlands Einnahmen verringern, die Putin zur Finanzierung seines grausamen Kriegs gegen die Ukraine einsetzt”, sagte sie. Wladimir Putin drohte darauf mit einem vollständigen Lieferstopp. Manuel Berkel berichtet aus Brüssel.
Apropos Brüssel: In keiner Stadt der Welt, außer in Washington, D.C., gibt es mehr Lobbyisten. Laut Transparency International arbeiten mindestens 48.000 Menschen in der EU-Hauptstadt in Organisationen, die versuchen, die EU-Institutionen und Entscheidungen zu beeinflussen. Das europäische Transparenzregister soll diese Interessenvertretung durchsichtiger machen. Auch in Deutschland ist seit März ein Lobbyregister verpflichtend. Wie beide Systeme funktionieren, welche Defizite sie haben und wie sie sich verändern sollen, lesen Sie heute in Falk Steiners Analyse.
Christof Roche blickt auf das informelle Treffen der EU-Finanzminister Ende der Woche in Prag: Sie unternehmen einen erneuten Versuch, eine einheitliche Linie hinsichtlich der Schuldentragfähigkeit und der Absicherung solider Haushalte zu erreichen. Das Ziel: sich endlich auf Reformvorschläge für die EU-Fiskalpolitik zu einigen. Ob nach jahrelangem Misserfolg nun ein Kompromiss gelingt?
Kommen Sie gut in den Tag!
Monatelang hatte Europa gezögert, nun soll es sie doch geben – eine Preisobergrenze für russisches Gas. “Wir müssen Russlands Einnahmen verringern, die Putin zur Finanzierung seines grausamen Kriegs gegen die Ukraine einsetzt”, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gestern in Brüssel.
Nachdem der Plan bereits in den vergangenen Tagen bekannt geworden war, will von der Leyen nun Tempo machen. Der Preisdeckel wird einer der Punkte sein, über den die Energieminister bei ihrem Treffen am Freitag beraten. Am kommenden Dienstag will die Kommission ein Paket an Gesetzesinitiativen vorlegen, danach müssten die Vorschläge wieder vom Rat abgesegnet werden. In einer Brüsseler Vertretung glaubt man schon, dass sich die Energieminister künftig monatlich treffen werden.
Der russische Präsident hatte zuvor gedroht, im Fall eines Preisdeckels kein Gas mehr nach Europa zu liefern. “Wenn irgendwelche politische Entscheidungen getroffen werden, die den Verträgen widersprechen, werden wir sie einfach nicht erfüllen”, sagte Wladimir Putin in Wladiwostok.
“Wir sollten uns nicht beeindrucken lassen durch diese Ankündigung. Sie wäre sowieso irgendwann gekommen”, sagte von der Leyen dazu. Doch warum will die Kommission den Gaspreisdeckel ausgerechnet jetzt einführen? Nur noch neun Prozent der Gaseinfuhren kommen laut von der Leyen inzwischen aus Russland, vor dem Krieg waren es noch 40 Prozent. Genau darin liegt aber auch ein Grund für den späten Vorstoß. Die Kommission sieht Europa nun besser gegen einen vollständigen Lieferstopp gewappnet. Andere Exporteure haben ihre Lieferungen erhöht, die Speicher sind derzeit zu 82 Prozent gefüllt.
Die Kommission scheint inzwischen aber auch nach dem Motto zu handeln, dass es schlimmer kaum noch werden kann. “Auch ohne Preisobergrenze kommt es bereits zu erheblichen Störungen”, heißt es in einem gestern verbreiteten Papier aus dem Berlaymont. Damit dürften zum einen die Produktionsrückgänge in Unternehmen gemeint sein, aber auch die hohen Preisausschläge an den Energiemärkten, die inzwischen den gesamten Handel bedrohen.
“Wir sehen seit Monaten, dass Putin den Markt manipuliert”, sagte von der Leyen. Inzwischen scheint die Kommission Putins Einfluss auf die Energiebörsen als bedrohlicher einzustufen als das physische Einstellen der restlichen Lieferungen.
So zielt das gesamte Paket darauf ab, die Preise für Gas und Strom zumindest wieder in Richtung des Niveaus von vor dem Krieg zu drücken. Dabei adressiert die Kommission auch Länder, die der EU mit ihren zusätzlichen Pipeline-Lieferungen gerade aus der Patsche helfen. Die Energieplattform für den gemeinsamen Gaseinkauf soll mit dem Mandat ausgestattet werden, auch mit zuverlässigen Lieferanten wie Norwegen über niedrigere Einkaufspreise zu verhandeln – ebenso wie für den Einkauf von Flüssiggas.
Bei der Erlösobergrenze für nicht-preissetzende Kraftwerke hat die Kommission klargestellt, dass es einen einheitlichen Deckel für alle betroffenen Technologien – vor allem Erneuerbare – geben soll. Laut verschiedenen Medienberichten sieht ein Entwurf eine Obergrenze von 200 Euro pro Megawattstunde Strom vor, der genaue Wert soll aber Gegenstand der Diskussionen am Freitag sein.
Wie Zufallsgewinne eingesammelt werden, will die Kommission nun weitgehend den Regierungen überlassen. In einem früheren Entwurf hieß es noch, dass Mitgliedstaaten, die bereits Übergewinnsteuern eingeführt haben, ihre Maßnahmen ändern müssten. Einige Staaten werden dafür wohl die Regeln für die Preisfindung an den Energiebörsen modifizieren, andere stattdessen Übergewinne abschöpfen, erklärte ein hochrangiger Kommissionsbeamter. Neu ist, dass auch Öl-, Kohle- und Gaskonzerne einen sogenannten Solidaritätsbeitrag leisten sollen.
Ähnlich wichtig wie der Preisdeckel sind allerdings zwei Maßnahmen, die bisher weniger beachtet wurden: verpflichtendes Stromsparen und Änderungen im Energiehandel. Für Peak-Zeiten mit besonders hohem Verbrauch soll es ein verpflichtendes Sparziel geben – angereizt beispielsweise durch Auktionen, wie es sie in Deutschland bereits für sogenannte abschaltbare Lasten in der Industrie gibt. Verbraucher, die nicht über die nötigen Voraussetzungen wie Smart Meter verfügen, will die Kommission aber trotzdem in die Pflicht nehmen – durch ein generelles Stromsparziel.
Die größte akute Belastung der Energiehändler sind derzeit die astronomisch gestiegenen Sicherheitsforderungen (Margins) bei ihren Geschäften. Die Kommission sucht deshalb nach Wegen, wie eine breitere Palette an Assets als Sicherheiten akzeptiert werden könnten. Mit einer Änderung des Befristeten Krisenrahmens sollen staatliche Liquiditätshilfen schneller fließen können.
Die Kommission verhandelt aber auch mit den Börsenplätzen für Derivate über eine direkte Begrenzung der hohen Preisausschläge innerhalb der Handelstage. Die gestiegene Volatilität, welche die Sicherheitsforderungen noch weiter wachsen lässt als die hohen Preise allein, soll durch sogenannte Schutzschalter eingehegt werden.
Für den außerbörslichen Terminhandel will die Kommission einen eigenen LNG-Index entwickeln, weil sich der bisherige Leitindex TTF zu weit vom Weltmarktpreis für Flüssiggas entfernt hat. Die Börsen sollen außerdem neue Forward-Produkte entwickeln, die sich auf den neuen LNG-Index beziehen. Davon erhofft sich die Kommission auch einen dämpfenden Effekt an den Strombörsen, wo meist Gaskraftwerke den Preis setzen.
Interessenvertretung unterliegt oft einem Generalverdacht: Beeinflussen Wirtschaftsakteure die politisch Verantwortlichen? Und das auch noch in unzulässiger Weise? Sitzt die Politik bei der Wirtschaft auf dem Schoß? Die Realität ist natürlich komplexer – auch um Vorurteilen entgegenzuwirken, sind in den vergangenen Jahren Transparenzregister eingeführt worden: Wer mit wem und in wessen Auftrag spricht, das soll transparent gemacht werden. Ein Blick auf das EU-Transparenzregister und das Lobbyregister des Bundes zeigt dabei die Fortschritte – und einige Lücken.
Das öffentlich einsehbare Lobbyregister des Bundes ist seit Anfang März verbindlich. Treten Interessenvertreter an Bundestagsabgeordnete oder höhere Ministerialbeamte ab Unterabteilungsleiter-Ebene heran, müssen die meisten von ihnen ab diesem Zeitpunkt einen Eintrag im Lobbyregister von Bundestag und Bundesregierung vornehmen: Der Verband oder das Unternehmen, für das gesprochen wird, muss aufgeführt sein, dazu Angaben zu den Aufwendungen für die politische Interessenvertretung.
Auch Einzelpersonen und Agenturen, die Interessen vertreten, müssen die Regeln befolgen. Verbunden damit ist ein Verhaltenskodex – und mittlerweile sind über 28.000 Vertreter im Lobbyregister registriert. Die hohe Zahl täuscht dabei etwas dadurch, dass alle gesetzlichen Vertreter einer juristischen Person angegeben werden müssen. Die tatsächliche Zahl der Interessenvertreter liegt bei etwa der Hälfte. Gut 450 vertreten dabei im Auftrag Dritter Interessen, etwa als Public Affairs-Agenturen, deren Einträge müssen Kundenlisten enthalten.
Dass das Lobbyregister überhaupt kam, war auch mit diversen Skandalen verbunden – Maskendeals, Aserbaidschan-Affäre und weitere Vorkommnisse. Zehn Jahre älter ist das europäische Pendant: Das trägt den Namen Transparenzregister – und auch um dieses wird weiter gerungen. 12.600 Einträge umfasst das Register derzeit, auch hier müssen etwa Agenturen Angaben zu ihren Kunden hinterlegen.
Der Politikwissenschaftler Ronny Patz sagt: “Was sich über die Jahre verändert hat: Das Register ist jetzt mit anderen Datenbanken der EU verknüpft, mit Treffen der EU-Kommissare, Konsultationsverfahren, Mitgliedschaft in Expertenausschüssen der Kommission. Das Transparenzlevel hat sich durch die Verknüpfung mit Aktivitäten erhöht.”
Das deutsche Lobbyregistergesetz kennt das bislang nicht. Doch die Ampelkoalition will das nun reformieren. Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, dass künftig der sogenannte legislative Fußabdruck mitgeregelt werden soll, zudem sollen Kontakte zu Ministerien bis auf Referentenebene eintragspflichtig werden – außerdem sollen die Ausnahmen reduziert werden.
Als “wichtiges Instrument, um die Beziehungen zwischen Bundesregierung, Bundestag und Nichtregierungsorganisationen transparent zu machen”, bezeichnet der parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Stephan Thomae, das Lobbyregister. Ausnahmen von der Eintragungspflicht sollten künftig klarer differenziert werden, fordert er: “Denn Kirchen, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden sind derzeit nicht nur in ihrem grundrechtlich geschützten Bereich ausgenommen, sondern auch, wenn sie klassische Interessensvertretung betreiben.” Das sei nicht nachvollziehbar. Der Anwendungsbereich solle insgesamt erweitert werden, sagt Johannes Fechner (SPD): “Wichtig ist auch, dass wir die geltenden Angabepflichten verschärfen.”
Das europäische Transparenzregister, meint der Grünen-Europaabgeordnete Daniel Freund, sei grundsätzlich weit voraus gegenüber dem, was auf Bundesebene existiert. Das liege vor allem an der Transparenzpflicht für Treffen der EU-Kommission, die offengelegt werden müssen – inzwischen 35.000. Auch Parlamentarier sollen ihre Kontakte eigentlich offenlegen, allerdings handhabt dies längst nicht jeder Europaabgeordnete regelkonform. Sanktionen wiederum gibt es nur für die Lobbyisten – und ob diese wirksam sind, ist umstritten: Das Parlament kann für seine Liegenschaften ein Betretungsverbot aussprechen, die EU-Kommission Vertreter nicht mehr zu Anhörungen einladen.
Das Hauptproblem aber sieht Freund bei der dritten europäischen Institution: Beim Rat “kumuliert sich Intransparenz”, sagt der Grünen-Abgeordnete: “Wenn man will, dass es keiner mitbekommt, geht man zum Rat.” Die Mitgliedstaaten seien auch nach der letzten Reform nur angehalten, sich am EU-Transparenzregister zu beteiligen, und das sechs Monate bevor und in den sechs Monaten, in denen sie die Ratspräsidentschaft innehätten.
Und auch da seien die europäischen Regeln löchrig: Nur die Ständigen Vertreter seien von der europäischen Regelung umfasst – bei der deutschen Ratspräsidentschaft waren aber 400 Mitarbeiter eingebunden, so Freund. Wer für die Ratspräsidentschaft arbeitete und nicht mindestens Unterabteilungsleiter war, war dabei weder von der europäischen noch von der deutschen Regelung umfasst.
Die deutsche Regelung soll nun, so will es der Koalitionsvertrag, geändert werden. Die Gespräche dazu zwischen den Koalitionsfraktionen laufen bereits. Ob dabei auch das bisherige Verfahren geändert wird, dass nur dann Einträge erfolgen müssen, wenn der Kontakt vom Interessenvertreter ausging, ist noch unklar. Künftig sollen jedoch alle Kontakte schon ab der Referentenebene zur Eintragspflicht führen. “Mit der Einführung eines legislativen Fußabdrucks werden wir selbst dort, wo die begrenzte räumliche Reichweite deutschen Rechts zu etwaigen Regelungslücken führen würde, gegensteuern”, sagt Stephan Thomae (FDP).
Damit könnte auch das EU-Lobbying starke Veränderungen erfahren. “Alle nationalen Regulierungen sind bei der Durchsetzung dem EU-Transparenzregister überlegen, wenn sie gut gemacht sind”, sagt Wissenschaftler Ronny Patz. Denn den EU-Institutionen fehlt es an der formalen Durchsetzungskompetenz. Schon heute sieht das deutsche Lobbyregistergesetz vor, dass fehlerhafte oder fehlende Einträge als Ordnungswidrigkeiten verfolgt werden können – mit immerhin bis zu 50.000 Euro als drohender Geldbuße bewehrt.
Parallel beginnen in Brüssel heute Beratungen über weitere Regelverschärfungen auch auf EU-Ebene: Sowohl beim Lobbyregister als auch bei anderen Interessenvertretungs- und Transparenzthemen wie der Genehmigung von Tätigkeiten ausgeschiedener Kommissionsmitgliedern erhofft Daniel Freund sich weitere Verbesserungen.
Mit den zunehmenden Anforderungen unterschiedlicher Lobby- und Transparenzregister kommen allerdings auch neue Herausforderungen: Allein 14 unterschiedliche derartige Register gibt es in der EU, in Deutschland kommen auch auf Ebene der Bundesländer immer neue hinzu – und so kann es gut sein, dass demnächst Interessenvertreter mit einem Wunsch in eigener Sache in die Debatten einsteigen: Eine Standardisierung und Synchronisierung der verschiedenen Lobbyregister – um den Aufwand überschaubar zu halten.
Die Finanzminister der 27 EU-Staaten nehmen auf ihrem informellen Treffen an diesem Samstag in Prag einen weiteren Anlauf, um eine einheitliche Linie hinsichtlich der Schuldentragfähigkeit und der Absicherung solider Haushalte zu erreichen. Das Ziel der Aussprache ist, der Europäischen Kommission Leitplanken für geeignete Reformvorschläge der EU-Fiskalregeln an die Hand zu geben. Die Kommission will in den kommenden Wochen ihre Vorstellungen für eine künftige stabilitäts- und wachstumsorientierte Fiskalpolitik der EU präsentieren. Das Thema steht auch erneut auf der Tagesordnung der regulären Ecofin-Tagung am 4. Oktober.
Offen ist allerdings, ob die Brüsseler Behörde nach der Diskussion in Prag bereits einen konkreten Legislativvorschlag unterbreiten wird, oder ob sie zunächst auf eine weitere Diskussion auf Basis einer Mitteilung setzen wird. Die Finanzminister haben es seit 2020 in mehreren Gesprächsrunden nicht geschafft, Konsens über die künftige Fiskalpolitik herzustellen. Aufgrund der nach wie vor stark divergierenden Positionen unter den Staaten halten Beobachter auch in Prag einen Durchbruch für eher unwahrscheinlich. Sie setzen daher für das weitere Vorgehen der Brüsseler Behörde auf eine Orientierungsgrundlage.
EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni sprach auf einer Veranstaltung in Brüssel lediglich von Orientierungen, die die Europäische Kommission in den kommenden Wochen zur Überarbeitung der Haushaltsregeln der EU vorlegen wolle, zum Instrument machte er keine Angaben. Das Ziel der Reform sei, das Fiskalregelwerk zu vereinfachen und seine Durchschlagskraft zu erhöhen. Damit sollen Staatsverschuldung gesenkt und Wirtschaftswachstum nachhaltig gestärkt werden.
“Die Vereinfachung der Regeln, eine stärkere nationale Eigenverantwortung und eine bessere Durchsetzung werden die bestimmenden Merkmale der Reform sein, mit dem übergeordneten Ziel, die Schuldentragfähigkeit und das nachhaltige Wachstum zu unterstützen”, so Gentiloni.
Eine Möglichkeit, dies zu erreichen, sei, dass die Regierungen Ausgabenpläne für mehrere Jahre im Voraus vorbereiten, die mit einem Rückgang der Staatsverschuldung auf ein nachhaltiges Niveau vereinbar wären. Solche Pläne könnten auch Investitions- und Reformverpflichtungen enthalten, ähnlich denen, die für den EU-Wiederaufbaufonds verwendet werden.
Die Staaten könnten zudem zu einem einzigen Ausgabenindikator übergehen, anstatt eine Vielzahl von Indikatoren zu verwenden, die oft nicht unmittelbar messbar seien, betonte Gentiloni. Außerdem könnten sie mehr Spielraum bei der Festlegung der Haushaltspläne erhalten, wenn sie diese stärker mit nationaler Eigenverantwortung verknüpften, allerdings ohne gemeinsame EU-Prinzipien wie die Schuldentragfähigkeit zu unterlaufen.
Die deutsche Regierung hat vor dem Prager Treffen in dem Non-Paper “Prinzipien der Bundesregierung für die Reformdiskussion zu den EU-Fiskalregeln” grundsätzliche Bereitschaft signalisiert, Mitgliedstaaten kurzfristig mehr Spielraum beim Schuldenabbau zu gewähren.
Dies müsse aber im Gegenzug mit einer strikteren Einhaltung der mittelfristigen Budgetverpflichtungen verknüpft werden, basierend auf einer besseren “Durchsetzung der Regeln, einschließlich einer regelbasierten Einleitung und Durchführung von Defizitverfahren”. Eine klare Absage erteilte Berlin in dem Non-Paper dagegen Überlegungen, die Fiskalpolitik zwischen Staaten und Europäischer Kommission individuell auszuhandeln: “Eine bilateral verhandelte individuelle Anwendung des Regelwerks ist kein geeigneter Weg, den gemeinsamen fiskalischen Rahmen im Sinne größerer Transparenz, höherer Verbindlichkeit und Wirksamkeit weiterzuentwickeln”, heißt es in dem Dokument.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat der EU vor dem informellen Treffen in Prag eine rasche Reform ihres Fiskalregelwerks nahegelegt. Aktuell seien die Schuldenregeln Corona-bedingt noch bis einschließlich 2023 ausgesetzt – ein guter Moment für Veränderungen. “Diese Gelegenheit sollte nicht verschwendet werden”, betonte der IWF. Der Währungsfonds schlägt in diesem Zusammenhang vor, die numerischen Ziele des EU-Stabilitäts- und Wachstumspakts beizubehalten. Diese sehen eine Begrenzung der Neuverschuldung von EU-Staaten auf drei Prozent und der Gesamtverschuldung auf 60 Prozent der jeweiligen nationalen Wirtschaftsleistung vor.
Allerdings will der IWF das Tempo der Annäherung an diese Richtwerte abhängig machen vom Risiko, das die Schulden für das jeweilige Land bedeuten. Dazu soll ein unabhängiges Gremium – der Europäische Fiskalrat – Analysen zur Schuldentragfähigkeit beisteuern. Staaten mit einem höheren Risiko müssten sich innerhalb von drei bis fünf Jahren schneller ausgeglichenen Haushalten oder gar Überschüssen annähern. Andere Staaten sollen mehr Flexibilität bekommen. Außerdem fordert der IWF mittelfristige Finanzpläne, inklusive Obergrenzen bei den Ausgaben.
Weitere Themen auf dem zweitägigen informellen Ecofin-Treffen am 9. und 10. September in Prag sind potenzielle kurz- und langfristige Finanzhilfen an die Ukraine sowie die wirtschaftlichen Folgen der russischen Aggression in der Ukraine auf die Europäische Union. Zudem wollen die Finanzminister eine weitere Harmonisierung der direkten Steuern in der EU beraten. Da die Veranstaltung informell ausgerichtet ist, sind keine konkreten Beschlüsse zu erwarten. An dem Treffen nehmen neben den Finanzminister hochrangige Vertreter der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank sowie der nationalen Notenbanken teil. Von Christof Roche/rtr
09.09.-11.09.2022, Gummersbach
FNF, Seminar Mobilität der Zukunft
Die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) befasst sich damit, wie sich die menschliche Fortbewegung im 21. Jahrhundert verändern wird. INFOS
12.09.2022, online
SAP, Seminar Learning Circle Experience zu Prozessmodellierung, digitale Zusammenarbeit und Produktivität
Die SAP stellt Möglichkeiten der vernetzten und strukturierten Zusammenarbeit in Unternehmen vor. INFOS & ANMELDUNG
12.09.2022 – 11:30-13:30 Uhr, Rostock
KAS, Podiumsdiskussion Die Zukunft der Europäischen Union – Deutsche Außenpolitik zwischen Wandel und Kontinuität
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) beschäftigt sich mit den Auswirkungen verschiedener globaler Krisen auf die Rolle Europas in der Welt. INFOS & ANMELDUNG
12.09.2022 – 14:00-17:00 Uhr, Kielce (Polen)
EC, Seminar Rural Energy Community Advisory Hub – Launch of the Technical Assistance Programme
The European Commission (EC) launches a programme of direct technical assistance to rural energy communities. INFOS & REGISTRATION
13.09.-14.09.2022, Brüssel/online
Clerens, Conference Battery Innovation Days
Clerens initiates a dialogue among the Research community, Policy makers, Industry players and end-users to ensure a constructive feedback loop towards the definition of research and innovation priorities in Europe. INFOS & REGISTRATION
13.09.-14.09.2022, Köln
Telekom, Messe Digital X
Die Telekom wirft ein Licht auf die großen Trends der Digitalisierung. INFOS & ANMELDUNG
13.09.2022 – 09:00-18:00 Uhr, Frankfurt a.M.
ZVEI IoT-Plattformkonferenz
Der Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) stellt anhand von Use Case Vorträgen aus der industriellen Praxis die neuesten technologischen Lösungen im IoT vor. INFOS & ANMELDUNG
13.09.2022 – 10:30-12:00 Uhr, Brüssel (Belgien)/online
ERCST, Roundtable ETS Revision for Phase IV. The EU ETS under trilogues
The European Roundtable on Climate Change and Sustainable Transition (ERCST) discusses key takeaways from the current EU ETS state of play and will provide an opportunity to exchange views on the on-going negotiation process. INFOS & REGISTRATION
13.09.2022 – 16:00-18:00 Uhr, Brüssel (Belgien)/online
ERCST, Roundtable Carbon Clubs and International Cooperation on CBAM/BCAs
The European Roundtable on Climate Change and Sustainable Transition (ERCST) brings together global thought leaders on international climate cooperation, CBAM, and climate clubs to discuss current developments and promising options moving forward. INFOS & REGISTRATION
Fast jedes zehnte mittelständische Industrieunternehmen hat einer Umfrage des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) zufolge seine Produktion in Deutschland wegen hoher Preise unterbrochen oder gedrosselt. Extrem steigende Energiepreise stellten die Industrie vor fundamentale Probleme, erklärte der BDI-Präsident Siegfried Russwurm am Mittwoch. Von den knapp 600 befragten Unternehmen gaben mehr als 90 Prozent in einer Branchenumfrage an, dass die gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise eine existenzielle oder starke Herausforderung für sie seien.
Wegen der Preissteigerungen denkt jedes fünfte der befragten Firmen über eine Verlagerung von Teilen oder des gesamten Unternehmens ins Ausland nach. Der BDI hatte schon im Februar vor Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vor einem Abwandern der Industrie gewarnt. Damals war der Anteil der Betriebe, die über einen Wechsel oder eine teilweise Verlagerung ins Ausland nachdachten, mit 26,5 Prozent noch höher. Die Preisanstiege haben laut der Umfrage auch konkrete Auswirkungen auf die Investitionen. So gaben rund 40 Prozent der Unternehmen an, Investitionen in die ökologische Transformation zurückzustellen. Ein Fünftel beschleunigt sie dagegen.
Über vierzig europäische Unternehmen der Nichteisenmetallindustrie und ihr Verband Eurometaux haben zugleich gestern ein gemeinsames Schreiben an die Europäische Kommission, das Parlament und den Rat veröffentlicht. Sie warnen darin vor einer “existenziellen Bedrohung” für ihre Branche. Aufgrund der Stromkrise mussten laut dem Brief bereits 50 Prozent der Aluminium- und Zinkkapazitäten in der EU abgeschaltet werden.
Erhebliche Kürzungen habe es in der Silizium- und Ferrolegierungsproduktion gegeben, auch der Kupfer- und Nickelsektor sei durch die Auswirkungen betroffen. Mehrere Unternehmen hätten unbefristete Schließungen angekündigt, für viele weitere gehe es im kommenden Winter “um Leben und Tod”. Die Strom- und Gaskosten seien mehr als zehnmal so hoch wie im letzten Jahr und übersteigen den Verkaufspreis der Produkte. Die Unternehmen fordern die EU im Hinblick auf in dem Brief unter anderem auf, Maßnahmen gegen die hohen Kosten für Unternehmen zu ergreifen und diese stärker zu entlasten.
Auch weitere Industrieverbände aus der Zement-, Chemie- und Stahlbranche, hatten sich im Hinblick auf die Notfallpläne und das Treffen der Energieminister am Freitag mit einem Brief an Kommissionspräsidentin von der Leyen gewandt. Sie forderten unter anderem Maßnahmen zur Begrenzung des Erdgaspreises, das Kappen der Verbindung zwischen Gas- und Strommarkt und eine vorübergehende Anpassung des Rahmens für staatliche Beihilfen in der EU. leo/ dpa
Die große Zahl an Waldbränden hat in Europa in diesem Sommer zu den höchsten Emissionen im Rauch enthaltener Luftschadstoffe der vergangenen 15 Jahre geführt. Wie der Copernicus-Atmosphärenüberwachungsdienst Cams der EU am Dienstag mitteilte, werden die zwischen Anfang Juni und Ende August in der Europäischen Union und Großbritannien ausgestoßenen Mengen an Kohlenstoff auf 6,4 Megatonnen geschätzt – so viel wie seit 2007 nicht mehr.
“Die Kombination der Hitzewelle im August mit ausgedehnten trockenen Bedingungen in Westeuropa resultierte in erhöhter Zahl, Intensität und Dauer von Waldbränden”, hieß es in der Copernicus-Mitteilung. Quelle der Emissionen seien vor allem verheerende Brände in Südwestfrankreich und auf der Iberischen Halbinsel gewesen. Dort lag die Freisetzung sogar auf dem höchsten Stand seit zwei Jahrzehnten.
“Die meisten Brände ereigneten sich an Orten, an denen der Klimawandel die Entflammbarkeit der Vegetation erhöht hat, wie in Südwesteuropa, und wie wir es auch in anderen Regionen in anderen Jahren gesehen haben”, erklärte Copernicus-Waldbrand-Experte Mark Parrington.
In anderen Regionen der nördlichen Hemisphäre, in denen es üblicherweise eine hohe Zahl an Waldbränden gibt, seien die Emissionen in diesem Jahr hingegen verhältnismäßig gering ausgefallen, hieß es weiter. So habe es zwar im Osten Russlands mehrere verheerende Brände gegeben, aber nicht so heftig wie in den vergangenen Jahren. Auch in den USA sei der Ausstoß an Luftschadstoffen durch Waldbrände geringer gewesen als in den beiden vergangenen Jahren. Schlimmer als zuletzt waren die Feuer hingegen in Brasilien. So hätten im Bundesstaat Amazonas im Zeitraum Juli und August die Emissionen weit über dem Durchschnitt gelegen.
Für ihre Schätzungen werten die Wissenschaftler des Copernicus-Dienstes Satellitenbilder von aktiven Bränden aus. Dabei wird der Hitzeausstoß gemessen, aus dem man Rückschlüsse auf die Emissionen ziehen kann. dpa
Russland stellt den ausgehandelten Kompromiss zur Ausfuhr ukrainischen Getreides über das Schwarze Meer wieder in Frage. Das eigentlich für arme Länder bestimmte Grundnahrungsmittel werde an die Türkei und in die Europäische Union geliefert, sagte Präsident Wladimir Putin am Mittwoch in Wladiwostok im Osten Russlands. Möglicherweise müsse darüber nachgedacht werden, wie man die Exporte über das Schwarze Meer begrenzen könne. “Ich werde auf jeden Fall das Thema mit dem türkischen Präsidenten Tayyip Erdogan beraten.” Schließlich solle vor allem den ärmsten Ländern geholfen werden.
Die Ukraine wies die Vorwürfe zurück. Das Abkommen mit Russland werde strikt eingehalten, sagte Präsidenten-Berater Mychailo Podoljak. “Solche (…) Erklärungen deuten eher auf den Versuch hin, neue Argumente zu finden, um die öffentliche Meinung in der Welt zu beeinflussen und vor allem Druck auf die Vereinten Nationen auszuüben.”
In dem Vertrag zwischen den beiden kriegsführenden Ländern ist nicht festgelegt, wohin das Getreide geliefert werden soll. Nach Angaben der in Istanbul ansässigen Koordinierungsgruppe, die das Abkommen überwacht, gingen 30 Prozent der Fracht in ärmere Länder.
Die Ukraine und Russland hatten die Ausfuhren unter Vermittlung der UN und der Türkei am 22. Juli vereinbart. Russland hob daraufhin die Blockade der ukrainischen Schwarzmeer-Häfen für Getreidefrachter auf. Die UN und viele internationale Staaten hatten auf das Abkommen gedrungen, um den weltweiten Getreidepreis-Anstieg infolge der Verknappung des Angebots zu dämpfen. Die Ukraine zählt neben Russland zu den weltweit größten Getreideexporteuren. Nur über den Seeweg kann die Ukraine größere Mengen ausführen. Viele ärmere Länder sind auf die Getreide-Importe angewiesen, können gestiegene Preise aber kaum auffangen. rtr

Spione sollen nicht den eigenen Machtapparat verraten. Genau das aber tat der Chef der russischen Auslandsspionage, Sergej Naryschkin, am 23. Februar unfreiwillig und unübersehbar. Bei einer Sitzung des russischen Sicherheitsrates offenbarten seine Antworten nicht nur, wie die Vorwände des russischen Imperialismus wetterwendisch wechseln. Als Wladimir Putin seinen obersten Spion vor der Weltöffentlichkeit demütigte, verriet er: Die Russische Föderation ist ein Führerstaat geworden.
Der Alleinherrscher hat absolute Macht. Er wird durch keine Öffentlichkeit, keine Partei, kein Parlament, keine Justiz, kein Kabinett oder auch nur eine Funktionärs- oder Geheimdienstclique kontrolliert – im Gegenteil, er beherrscht sie alle. Einen Tag nach Naryschkins peinlicher Offenbarung erlebte die Welt, wozu Führerstaaten fähig sind: Russland überfällt die Ukraine und tötet seitdem Tausende und terrorisiert Millionen.
Kenner Russlands konnten die Metamorphose von den dysfunktionalen postsowjetischen Jelzin-Jahren zum Putinschen Führerstaat kommen sehen. Natürlich gibt es kein Politbüro mehr, das in der alten UdSSR als Kontrollorgan den Generalsekretär der KPdSU ernannte bzw. absetzte. Duma und Föderationsrat sind Claqueure, die Pressevielfalt ist fast völlig verschwunden.
Auch die Wirtschaft ist Untertan, vom Schauprozess gegen Michail Chodorkowskij 2005 bis zum plötzlichen Tod von Wirtschaftsvertretern, die den Ukraineüberfall ablehnen. Auch Putins aggressive Absage an die demokratische Welt bei seinem historischen Auftritt auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2007 wurde weder in Washington noch in Brüssel oder Berlin hinreichend ernst genommen.
Wer von der absteigenden Weltmacht Russland auf die aufsteigende Weltmacht China blickt, wird beunruhigende Ähnlichkeiten feststellen. Der starke Mann Chinas, Xi Jinping, hat nahezu alle Gegenkräfte in seinem Einparteienstaat beseitigt, um sich auf dem nächsten Parteikongress ab dem 16. Oktober auf Lebenszeit wählen lassen zu können. Mehrfach wechselte er die Geheimdienstspitzen aus, das Militär hat er fest in der Hand. Er regiert persönlich in alle Organisationen von Staat, Partei und Gesellschaft hinein. Wer ihm widerspricht, landet in den Verhörkellern der Zentralen Disziplinarkommission.
Auch die Wirtschaft ist an der kurzen Leine, vom Hausarrest von Jack Ma bis zu Gesetzen, die das Datensammeln zum staatlichen Monopol machen. Hierin übertrifft Xi seinen Verbündeten Putin bei Weitem. Mit Sozialpunkten und Gesichtserkennung hat Xi totalitäre Macht über jeden: Bürger, Institutionen und Hierarchien.
Man muss Führerstaaten fürchten, weil selbst die originären Interessen des Landes von persönlichen Prioritäten, Visionen, Launen und Krankheiten der Nr. 1 überlagert werden können. Die Jasager schaffen für den Alleinherrscher zudem eine Scheinrealität, sodass er trotz langjähriger politischer Erfahrung irrational entscheiden kann – und niemand wird ihn aufhalten.
Schon immer gab es Alleinherrscher, die ein gesamtes Gemeinwesen unterjochen konnten. Atommächte als Führerstaaten sind aber eine neue geostrategische Herausforderung, auf die sich die Welt einstellen muss. Sie stellen gerade für Demokratien eine neue Risikoklasse dar und sollten deshalb auch so eingestuft und behandelt werden.
Deutschland vertraute auf “Wandel durch Handel” – von der Montanunion über die Ostpolitik bis zum aktuellen Umgang mit dem China Xi Jinpings. Durch wechselseitige wirtschaftliche Abhängigkeiten politische Risiken zu reduzieren, hat sich bei Führerstaaten aber als völlig untauglich erwiesen. Gegenüber einem Führerstaat ist jede Form der Abhängigkeit prinzipiell kontraproduktiv – sie kann den Alleinherrscher sogar zu unkalkulierbarem Verhalten verführen und so strategische Verwundbarkeiten noch verstärken.
Entsprechend sollten G7 und EU, angelehnt an Bonitätsratings, Länder danach einstufen, ob sie sich der Staatsform Führerstaat annähern. Mit jedem Schritt zur Alleinherrschaft sollten Maßnahmen ergriffen werden, um strategische Verwundbarkeiten zu reduzieren und das Kalkül des Alleinherrschers zu beeinflussen.
Aus dem russischen Angriff auf die Ukraine und aus der Wirkung der aktuellen Sanktionen gegen Russland – sie verändern das strategische Verhalten der anderen Seite allenfalls mittel- und langfristig und schaden allen – können wir lernen:
Gegenüber Führerstaaten müssen wir statt auf Bestrafung ex post auf Prävention durch glaubwürdige Abschreckung setzen. Zu Recht schaltet die Nato jetzt in den baltischen Staaten um: Man denkt nicht mehr in Kategorien einer möglichen Rückeroberung von besetztem Territorium, sondern man stellt sich von vornherein militärisch so auf, dass niemand in Moskau mehr auf die Idee kommen kann, Angriffspläne umzusetzen. Ähnliche Fragen stellen sich jetzt im Hinblick auf Taiwan – eine mögliche Zerreißprobe für die Demokratien!
Demokratien brauchen Unabhängigkeit von Führerstaaten und eine glaubwürdige Abschreckung. Konsequenzen müssen vorher angekündigt werden, wie bei der Nachrüstung in den 1980er Jahren, damit sie idealerweise gar nicht erst angewandt werden müssen. Glaubwürdig sind sie aber nur, wenn die Demokratien wirklich dahinter stehen. Dazu müssen sie wissen, dass sie es mit besonders gefährlichen Ländern zu tun haben – den Führerstaaten.