Von Christoph Meinel
Nicht nur in Bezug auf die Landesverteidigung, sondern auch in Sachen digitaler Souveränität muss Deutschland endlich aufwachen. Beides ist von gleicher existentieller Bedeutung. Hat Trump‘sches Wirken in kürzester Zeit erreicht, dass in Bezug auf ersteres alle aufgewacht sind und endlich gehandelt wird, bleibt das mit der digitalen Souveränität noch weitgehend unverstanden. Obwohl die Bedrohung, in der sich immer weiter digitalisierenden Welt nicht mehr in der gewohnten Liga als wirtschaftlich führendes und seinen Bürgern großen Wohlstand bietendes Land mitzuspielen, genauso real ist.
Ganz allgemein wird mit „Digitale Souveränität“ die Fähigkeit eines Staates, einer Organisation oder einer Gesellschaft beschrieben, im digitalen Raum selbstbestimmt handeln zu können, über digitale Technologien zu verfügen und diese unabhängig gestalten und nutzen zu können, sowie die Kontrolle über eigene Daten und digitale Infrastrukturen zu haben. Digitale Souveränität umfasst technologische Unabhängigkeit, Datensouveränität und Resilienz gegenüber fremder Einflussnahme. Und nun Hand aufs Herz, glaubt nur irgendeiner, dass unser Land digital souverän sei? Wie im Bereich der Verteidigung war es doch all die Jahre sehr bequem, kosten- und anstrengungssparend, im Windschatten der USA zu segeln. Hochmoralisch wird der Datenschutz in extreme Höhen getrieben, aber im praktischen Umgang mit den digitalen Systemen wird sich nicht im Ansatz um Datensouveränität gekümmert. Nicht einmal über eine sichere digitale Identität verfügen die Bürger unseres Landes im Umgang mit den staatlichen Stellen. Höchste Zeit also, dass wir uns hier ehrlich machen. Dank Trump‘scher Nachhilfe sollte das nun auch dem Letzten klargeworden sein.
Oder: Trotz zahlreicher und millionenschwerer Bemühungen in den letzten Jahren ist Deutschland derzeit noch weit von digitaler Souveränität entfernt. Es besteht bereits ein flaues Gefühl, dass dies problematisch ist, doch die sehr leicht zugänglichen und leistungsstarken digitalen Angebote im Netz lassen das schnell vergessen. Wir sind in wohl allen digitalen Belangen abhängig von außereuropäischen Anbietern, insbesondere von den USA und China. Das fängt bei der Hardware und Netzwerktechnologien an, geht über Betriebssysteme und Softwareprogramme bis hin zu den Cloud-Diensten, die zu günstigen Preisen Rechenleistung und Speicher in gewünschtem Umfang an jedem Ort und zu jeder Zeit anbieten. Der Staat, die Unternehmen und auch die Bürger sind auf ausländische Digital-Technologien und Dienstleister angewiesen, um ihre Verwaltungsaufgaben zu erfüllen, ihre Produkte herzustellen und zu vertreiben oder sich zu informieren und mit anderen auszutauschen. Trotz vieler, meist halbherziger Initiativen, wie der Entwicklung europäischer Cloud-Lösungen und dem Versuch europäische KI-Unternehmen zu fördern, bleibt die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands in der digitalen Wertschöpfung begrenzt. Man hat das Gefühl, dass der Abstand zu den im Digitalbereich führenden Nationen immer größer wird.
Was muss passieren, damit unser Staat ein Stück mehr an digitaler Souveränität gewinnt?
Zunächst einmal muss ganz grundsätzlich geschaut werden, wie sich unser althergebrachtes föderales System die neu aufgekommenen digitalen Technologien zu Nutze machen kann. Wie passt eine Technologie, die mit der Zahl ihrer Nutzer exponentiell an Fehlerfreiheit, Wirksamkeit und Kosteneffizienz gewinnt, mit der föderalen Struktur unseres Staates zusammen, in der die Verantwortlichkeiten fein verästelt und auf ganz viele verschiedenen Schultern – Kommunen, Länder, Bund – verteilt sind? Wie die letzten und es sind schon 30 Jahre eindrücklich gezeigt haben, wird es nicht gelingen und zum Erfolg führen, beim Aufbau und beim Einsatz von digitalen Systemen dieser verästelten Struktur zu folgen. Die digitale Transformation unseres Staates kann nur gelingen, wenn zentrale digitale Infrastrukturen auf Bundesebene konzipiert und aufgebaut werden. Und hierbei geht es nicht etwa nur um die viel besprochenen Breitband-Netzzugänge, sondern um alle digitalen Funktionalitäten, die gebraucht werden, damit der Staat sicher mit seinen Bürgern kommunizieren, ihre Daten datenschutzkonform erfassen, aggregieren und auswerten und dann seine Dienste effizient und umfassend anbieten kann. Bürger brauchen dazu eine sichere digitale Identität, mit der sie im Netz mit dem Staat auf allen seinen Ebenen interagieren können. Und es braucht überall und für alle digitalen Anwendungen die gleichen Schnittstellen und Schutzmaßnahmen, die staatliche Akteure auf den verschiedenen föderalen Ebenen ihren Bürgern anbieten. Bei Vorhandensein einer solchen zentralen digitalen Infrastruktur ist es dann kein Hexenwerk mehr, digital die Dienste einer KFZ-Zulassungsstelle, eines Einwohnermeldeamts oder einer Kindergeldstelle anzubieten. Geht es doch technisch im Wesentlichen immer nur um die passenden Abfragen von Datenbanken.
Mit einem solchen Ansatz kann Deutschland auch an digitaler Souveränität gewinnen. Dazu müssen die in der staatlichen Verwaltung vorhandenen und die von den Bürgern bei den verschiedenen digitalen Dienstleistungen eingesammelten Daten „nur noch“ in einer souveränen Cloud gespeichert werden. Hierfür reicht es aber nicht aus, dass die Datenzentren der Cloud in Deutschland oder einem EU-Land stehen. Findet sich in der Eigentümerstruktur der Cloud nämlich ein amerikanisches Digitalunternehmen, ist die Cloud nicht souverän, weil amerikanische Unternehmen dem Cloud-Act unterliegen und demzufolge in bestimmten Situationen den US-amerikanischen Behörden die in ihren Rechenzentren gespeicherten Daten zugänglich machen müssen.
Der Datenstock in einer souveränen deutschen bzw. europäischen Cloud bietet einen weiteren und für die Zukunft ganz wichtigen Souveränitätsgewinn: Deutschland und Europa können ihre KI-Modelle mit ihren Daten trainieren. Im Ergebnis befähigt das die Modelle besser auf die spezifischen sprachlichen und kulturellen Gegebenheiten einzugehen und ermöglicht eine präzisere kontextbezogene Verarbeitung von Informationen. Auch die Einhaltung europäischer Normen kann gesichert werden und ethische bzw. rechtliche Anforderungen im Hinblick auf den Datenschutz und das Urheberrecht besser erfüllt werden.
Wenn Deutschland auch in der sich weiter digitalisierenden Welt in der gewohnten Liga als ein wirtschaftlich führendes und seinen Bürgern großen Wohlstand bietendes Land mitspielen will, muss es digital souverän werden.
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Autor: Prof. Dr. Christoph Meinel ist Präsident und CEO der German University of Digital Science sowie ehem. Direktor und CEO des Hasso Plattner Instituts.
Digitale Souveränität entscheidet über Deutschlands und Europas Handlungsfähigkeit im globalen Wettbewerb. Experten aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft erläutern in diesem Table.Forum, warum und wie strategisch investiert, föderale Strukturen modernisiert und digitale Kompetenzen gestärkt werden müssen – technisch, politisch und gesellschaftlich.
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