der Delegations-Besuch der Chinese Academy of Sciences (CAS) hat in dieser Woche die Forschungscommunity bis hinauf zu den Spitzen deutscher Wissenschaftsorganisationen beschäftigt. Nach der Pandemie bahnt sich in der Beziehung etwas Entspannung an. Über allem hängt aber wie ein Damoklesschwert die Debatte über die geopolitische Zeitenwende. Max-Planck-Präsident Patrick Cramer warnt vor Abkopplung und fordert stattdessen ein “Moonshot-Projekt” für die Wissenschaftsbeziehungen zwischen Europa und China, wie Sie im Interview lesen können.
Der gemeinsame Kampf von Forschenden gegen Krebs oder die Klimakrise könnte zur Verständigung der Kulturen beitragen, sagt Cramer. Bei einem De-Coupling von China befürchtet er dagegen irreparable Folgen für die deutsche Wissenschaft. Um sicherzustellen, dass Forschende der MPG nicht mit militärnahen Institutionen Chinas zusammenarbeiten, kündigt Cramer einen “China Council” für seine Forschungsgesellschaft an.
Über die Wissenschaftspersonalie der Woche haben wir gestern per Table.Alert berichtet: Martin Keller wird neuer Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft. Sein Amtsantritt ist im November 2025. Der gebürtige Regensburger ist vor knapp 30 Jahren in die USA gegangen, seit 2015 leitet er das National Renewable Energy Laboratory (NREL) in Golden/Colorado. Meine Kollegin Anne Brüning hat mit ihm über seine Pläne bei Helmholtz gesprochen. Falls Sie noch einmal nachlesen wollen, finden Sie den Beitrag hier.
In den zurückliegenden Ausgaben des Research.Table haben wir Ihnen die entscheidenden Köpfe der deutschen Wissenschaftsszene in unserer Rubrik “Top of the Table” vorgestellt. Die Liste der 100 Entscheiderinnen und Entscheider komplettieren wir heute mit der Rubrik “Politik”. Wir hoffen, Sie haben bekannte Gesichter wiederentdeckt und vielleicht sogar das eine oder andere neu kennengelernt. Mit dabei diesmal natürlich auch Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger, die aktuell in der Fördermittelaffäre unter Druck steht. Die Union hat dazu einen neuen Fragenkatalog eingereicht. Was drin steht, lesen Sie in dieser Ausgabe.
Ich wünsche Ihnen eine erhellende Lektüre,

Herr Cramer, die MPG und die Chinese Academy of Science (CAS) pflegen seit 50 Jahren wissenschaftsdiplomatische Beziehungen. Zur Feier des Jubiläums war eine chinesische Delegation in Berlin. Wie war die Begegnung?
Das Treffen am Montag mit 120 chinesischen Kolleginnen und Kollegen war nicht nur produktiv und professionell, sondern auch herzlich. Eine Wiederannäherung nach der Pandemiezeit. CAS-Präsident Hou Jiangou hat mich zu einem China-Besuch eingeladen, den ich auch gerne mache. Es ist wieder einfacher, in das Land zu gelangen. Man hat auf dem Treffen gespürt, dass viele Beziehungen und auch einige Freundschaften zwischen Forschenden in diesen Jahren und Jahrzehnten entstanden sind und das ermöglicht einen Austausch jenseits der Politik.
Science Diplomacy war bereits 1974 gefragt: Weil die DFG aus Chinas Sicht zu enge Beziehungen zu Taiwan pflegte, bat die Bundesregierung damals die MPG, die Wissenschaftsbeziehungen zu organisieren. Wie ist der Status im Jahr 2024?
Die geopolitische Situation macht uns zu schaffen, weil es ein starkes Misstrauen gibt, vor allem in den USA, aber auch in Europa. Aus meiner Sicht müssen wir unseren eigenen Weg finden. Dabei müssen wir unabhängig vom Wahlausgang die Freundschaft und die transatlantische Zusammenarbeit mit den USA aufrechterhalten, aber gleichzeitig ist auch Kooperation mit anderen Ländern wie China, notwendig. Die Risiken, die damit einhergehen, müssen wir ernst nehmen, Maßnahmen zu ihrer Eindämmung ergreifen und wissen, welche Kollaborationen wir risikofrei eingehen können.
Sie haben dazu innerhalb der MPG ein Ampelsystem für die Zusammenarbeit mit China angekündigt. Wie reagieren Ihre chinesischen Partner darauf?
Dieses System dient dazu, dass wir uns Forschungsprojekte anschauen und auf mögliche Risiken hin überprüfen, wie etwa Nähe zum Militär. Zwei Drittel der Projekte können einfach weiterlaufen, weil sie unverdächtig sind. Andere Projekte schauen wir uns im Detail an. In schwierigen Fällen wird eine Präsidenten-Kommission beraten, ein “China Council”. Sie soll ein Votum abgeben, ob die Projekte empfohlen werden oder nicht. Ich habe unseren chinesischen Kollegen offen darüber berichtet und kommuniziert, dass all das für uns auch als Schutz der Kooperation dient, damit wir sie aufrechterhalten können. Das fanden sie sehr gut.
Wo ziehen Sie konkret die Grenzen in der Zusammenarbeit?
Wir lehnen die Nutzung von Forschungsergebnissen für militärische Zwecke ab und ebenso für die Überwachung der Bevölkerung. Wir sind zudem besorgt über die Einschränkungen der Wissenschaftsfreiheit in China und die Verschärfung von Regelungen zur Verfügbarkeit von Forschungsdaten. Ein großer Erfolg des Treffens in dieser Woche war, dass unsere chinesischen Kollegen sicherstellen, dass Forschungsdaten, die wir in gemeinsamen Projekten erhalten, auch auf beiden Seiten zur gleichen Zeit zur Verfügung stehen. Es bringt also etwas, wenn man miteinander spricht, statt nur übereinander.
Nur noch wenige deutsche Wissenschaftler arbeiten und forschen in der Volksrepublik. Was tun sie in der MPG gegen einen Mangel an China-Kompetenz?
Während der Pandemie arbeiteten im Jahr 2021 tatsächlich nur noch 120 deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an langfristigen Forschungsprojekten in China. Das ist völlig unzureichend. Die Max-Planck-Gesellschaft hat allein 1.400 bis 1.500 chinesische Mitarbeiter in Deutschland. Um diese Balance zu verbessern, haben wir sogenannte Summer Schools vereinbart. Das sind niedrigschwellige Angebote von vier bis sechs Wochen, für die Forschende aus Deutschland nach China reisen und das dortige Wissenschaftssystem kennenlernen sollen.
Sie haben schon in der Vergangenheit vor einem De-Coupling gewarnt. Was würde fehlen, wenn wir uns von China in der Wissenschaft abkoppeln?
Uns würde der Zugang zu einzigartigen Forschungsinfrastrukturen fehlen und langjährige Forschungspartnerschaften würden wegbrechen. Wir haben eine Umfrage in der Max-Planck-Gesellschaft gemacht, bei der 55 Prozent der Befragten angegeben haben, dass die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit China wichtig oder sogar essenziell für ihre eigene Forschung ist. In den letzten fünf Jahren wurden in Kooperationsprojekten zwischen der MPG und der CAS mehr als 3.700 gemeinsame Publikationen veröffentlicht. Sie ist damit unsere zweitwichtigste internationale Partnerinstitution, nach dem französischen Centre National de la Recherche Scientifique. Außerdem müssen wir in Zeiten geopolitischer Konflikte einen Gesprächskanal jenseits der Politik offenhalten.
Die Bundesregierung gibt ambivalente Signale: Der Bundeskanzler verspricht bei seiner China-Reise mehr Forschungskooperation, die Forschungsministerin warnt davor. Was halten Sie für richtig?
Ich fand es richtig, dass Olaf Scholz bei seinem China-Besuch im April klargemacht hat, dass wir die Kooperationen wollen. Es ist mühsam, Strukturen wieder aufzubauen, wenn sie einmal verloren gegangen sind. Generell gilt, dass die Wissenschaft über Kooperationen selbst entscheiden muss, auch weil man im Detail in die Projekte hineinschauen muss. Die Politik sollte nicht eingreifen, sondern Hilfsangebote bereitstellen. Diese hat Bettina Stark-Watzinger aber auch zugesagt. Sie hat sich zudem für unsere Handlungsempfehlungen für China-Kollaborationen bedankt und dafür, dass wir uns ernsthaft mit dem Thema beschäftigen.
Welche politische Initiative wäre aus Ihrer Sicht eine Unterstützung für die schwierige Beziehungsarbeit?
Zunächst müssen exzellente Forschende aus China wieder leichter Visa für Deutschland bekommen. Wir schaden uns selbst, wenn wir zu restriktiv bei Einreisegenehmigungen sind. Dann möchte ich aufgreifen, was am Montag ein chinesischer Kollege gefragt hat: “Wo ist eigentlich unser Moonshot-Projekt?” Diese Frage würde ich gerne als Wunsch formuliert an die Politik weitergeben: Es gibt drängende Menschheitsaufgaben, die infrage kommen würden. Da wäre zum Beispiel die Heilung von Krebs oder die Bekämpfung der Klimakrise und die Umstellung auf eine nachhaltige Wirtschaft. Konkret könnte man sich zum Beispiel die Arbeit an einer weltweiten Wasserstoffinfrastruktur von der Chemie bis zur Ökonomie vorstellen. Die Regierung macht ja schon Projekte dazu.
Diese Hoffnung hatte man mit Blick auf Russland allerdings auch. ITER war ein Projekt, das nach dem Kalten Krieg entstand. Jetzt steht es nach dem Start des russischen Angriffskriegs ziemlich unter Druck.
Ich glaube, man sollte für ein solches Moonshot-Projekt neben Top-Down einen Bottom-up-Ansatz verfolgen. Man sollte Wissenschaftler finden, die ein wirkliches Interesse haben, Forschungsprojekte voranzutreiben und wenn man Potenzial sieht für ein sinnvolles, effizientes gemeinsames Vorgehen, dann sollte die Politik das verstärken. Wir werden alles tun, was in unserer Macht steht, um uns für solche internationalen Kollaborationen einzusetzen, weil ich glaube, dass sie einen positiven Effekt auf die Verständigung der Kulturen, die Ausbildung der nächsten Generationen und die globale Innovationsfähigkeit haben.
Am Ende bleibt man aber von der Geopolitik abhängig. Wenn China in naher Zukunft in Taiwan einmarschiert, wären mutmaßlich auch die wissenschaftlichen Beziehungen stark betroffen. Wie wirkmächtig kann Science Diplomacy überhaupt sein?
Darauf würde ich gerne eine konkrete Antwort geben. CAS-Präsident Huo Jiangou war jetzt bereits zum zweiten Mal binnen eines Jahres bei uns in Deutschland, aber auch bei europäischen Partnern. Nach seinem letzten Besuch hat er in Interviews betont, dass man von den gegenseitigen Kooperationen abhängig sei, und auch seine Regierung aufgefordert, sich nicht abzukoppeln. Wir haben jetzt viel darüber gesprochen, wie wir vom Austausch profitieren. Aber andersherum ist es ja auch so. China profitiert von unseren Ideen, unseren Herangehensweisen. Science Diplomacy funktioniert dann gut, wenn beide Seiten profitieren.


Kai Gehring – MdB (Grüne) und Vorsitzender des Forschungsausschusses des Deutschen Bundestags
Er gilt als sachkundig und ist allseits geschätzt. Das prädestiniert Kai Gehring für sein Amt als Vorsitzender des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung. Ruhig, aber bestimmt leitet er die Sitzungen. Von Politikkollegen wird er als moderierend und lösungsorientiert wahrgenommen. Auf Wissenschaftsseite respektiert man ihn für seine Fachkenntnis und sein Engagement – angefangen von Wissenschaftsfreiheit und Internationalisierung bis hin zum Kampf gegen Antisemitismus und zur Ewigkeitsaufgabe Hochschulsanierung. Gehring ist Diplom-Sozialwissenschaftler und seit 2005 im Bundestag, wo er Essen vertritt. Zur nächsten Bundestagswahl will der 46-Jährige nicht mehr antreten, gab er im Juni bekannt, bis dahin aber weiter sein Bestes geben, wie er kürzlich im Interview sagte.

Thomas Jarzombek – MdB (CDU) und Mitglied des Forschungsausschusses des Deutschen Bundestags
Wochenlang hat Thomas Jarzombek die Kritik seiner Fraktion am Agieren von Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger aufrecht gehalten. Per Kleiner und Großer Anfrage sorgte er dafür, dass die Fördermittel-Affäre über die Sommerpause nicht in Vergessenheit geriet. Seine Fragen in der Sondersitzung Anfang September waren derart auf den Punkt, dass sich alle Parteien (die FDP ausgenommen) seiner Forderung an die Forschungsministerin, diese doch endlich einmal zu beantworten, anschlossen. Jarzombek, 1979 im Rheinland geboren und in Berlin gern mit dem Fahrrad unterwegs, sitzt seit 2009 für die CDU im Deutschen Bundestag. Er war Koordinator für Luft- und Raumfahrt und Beauftragter für digitale Wirtschaft und Start-ups. Während seines Wirtschaftsstudiums in Düsseldorf hat er selbst gegründet, und zwar ein Unternehmen für IT-Services.

Bettina Stark-Watzinger – Bundesministerin für Bildung und Forschung
Sie weckte Hoffnungen. Endlich wieder eine Ministerin mit wissenschaftlichem Background an der Spitze des BMBF, so dachten viele. Bettina Stark-Watzinger (56) hat Volkswirtschaftslehre an den Universitäten Mainz und Frankfurt studiert und ein Trainee-Programm bei der BHF Bank absolviert. Sie hat mit ihrer Familie einige Jahre in London gelebt, ihr Englisch ist entsprechend perfekt. Nach ihrer Rückkehr war Stark-Watzinger im Forschungsmanagement tätig, zuletzt als Geschäftsführerin des Forschungszentrums SAFE, bevor sie 2017 in den Bundestag einzog. Sie ist seit 2004 Mitglied der FDP, seit 2021 Bundesministerin. Mit ihrer Expertise aus Wirtschaft und Wissenschaft sollte sie neue Impulse setzen. In der Wissenschaft hat sie die Sprind befreit, sich sehr um das Thema Fusion bemüht, aber wichtige Projekte sind noch nicht fertig: Dati, WissZeitVG, Forschungsdatengesetz. Vor allem die Fördermittel-Affäre belastet ihr Amt.

Jens Brandenburg – Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung
Eigentlich ist im BMBF sein Namensvetter und Staatssekretärskollege Mario Brandenburg für den Bereich Forschung zuständig. Weil aber die Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft ein zentrales Thema in dieser Legislatur waren, stand der dafür verantwortliche 38-jährige Bildungsexperte Jens Brandenburg im Fokus. Seit dem Abitur ist Brandenburg bei den Jungen Liberalen. 2017 zog er für die FDP auf einem der hinteren Plätze der baden-württembergischen Landesliste in den Bundestag ein. Vom einfachen Parlamentarier zum Staatssekretär im BMBF – seine steile Karriere hat sich Brandenburg als bildungspolitischer Sprecher seiner Fraktion erarbeitet. Auch wenn die Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes politisch holprig lief, wird Brandenburg von der Wissenschaftscommunity und auch der politischen Konkurrenz als kooperativer und versierter Kollege wahrgenommen.

Anna Christmann – MdB (Grüne), Luft- und Raumfahrtkoordinatorin der Bundesregierung und Start-up-Beauftragte des BMWK
Anna Christmann ist die forschungspolitische Schnittstelle des BMWK. Nicht nur in den ihr anvertrauten Bereichen Luft- und Raumfahrt und Start-ups, sondern darüber hinaus auch beim Thema Daten und KI hat es die 41-Jährige immer wieder mit Bezügen zur Wissenschaft zu tun. Konkret sind hier ihre Projekte wie das erste deutsche Weltraumgesetz, die Forschungszulage für Unternehmen oder der Aufbau des Dateninstituts zu nennen. Anna Christmann steht für eine proaktive Herangehensweise und weiß ihre politischen Aktivitäten öffentlichkeitswirksam zu positionieren. Im BMWK wird die Grünen-Bundestagsabgeordnete nach Informationen von Table.Briefings als neue Parlamentarische Staatssekretärin gehandelt. Sie soll Franziska Brantner nachfolgen, die Mitte November zur neuen Grünen-Vorsitzenden gewählt werden will.

Holger Mann – MdB (SPD) und Mitglied des Forschungsausschusses des Deutschen Bundestags
Holger Mann ist 1979 in Dresden geboren und im Erzgebirge aufgewachsen. Seit 1997 lebt er in Leipzig – und aus dieser Stadt zog er 2021 als Spitzenkandidat der SPD in den Bundestag ein. Er nennt eine “innovative Wissenschaft”, bessere Bildung und eine Stärkung der Wissenschaftskommunikation als seine Ziele. Mann kritisiert das Handeln der AfD deutlich und unterstützte die bundesweiten Demonstrationen gegen rechts nach dem umstrittenen Treffen einiger AfD-Mitglieder in Potsdam. Der aktuelle Kurs seiner Partei in der Migrations- und Asylpolitik findet ebenfalls seine Kritik. Politiker seien gefordert, auf Ängste zu reagieren, aber “das verpflichtet uns zugleich dazu, politische Maßnahmen vorzuschlagen, die wirklich zu mehr Sicherheit beitragen und nicht Aktionismus sind”.

Christian Ehler – Abgeordneter (CDU/EVP) im Europäischen Parlament und Mitglied des Forschungsausschusses ITRE
Der gebürtige Münchner sitzt seit 2004 im Europaparlament, davor war er im Landtag von Brandenburg. Christian Ehler hat Journalistik, Politologie und Volkswirtschaftslehre studiert und nach der Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule zum Thema US-Handelspolitik promoviert. Er war Projektleiter und später Geschäftsführer etwa des WISO-Instituts oder der Projektgesellschaft Bahnerprobungs- und Technologiezentrum Berlin/Brandenburg GmbH. Der 61-Jährige ist Mitglied im Ausschuss Industrie, Forschung und Energie (ITRE) des Europäischen Parlaments. In der vergangenen Legislaturperiode war er Ko-Berichterstatter für Horizon Europe und will sich auch am laufenden Gesetzgebungsprozess für das 10. Forschungsrahmenprogramm (FP10) beteiligen. Ein ausführliches Interview lesen Sie hier.

Markus Blume – Bayerischer Staatsminister für Wissenschaft und Kunst
Als Markus Blume (49) im Jahr 2023 auch im Kabinett Söder III bayerischer Wissenschaftsminister blieb, waren einige Beobachter überrascht. Man hatte den ehemaligen Generalsekretär der CSU, der 2022 Nachfolger von Bernd Sibler im Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst wurde, bereits für höhere Posten gehandelt. In der Wissenschaftscommunity des Freistaats waren die meisten zufrieden, denn der lautere Blume setzt neben dem immer wieder in der Wissenschaftspolitik mitmischenden Söder auch eigene Akzente. Mit den Mitteln der High Tech-Agenda ist Bayern vergleichsweise gut aufgestellt. Erst zuletzt konnten Bayerns Universitäten wieder Spitzenplätze im wichtigen THE-Ranking erlangen – zumindest im nationalen Vergleich. Das tröstete immerhin etwas über das nicht ganz so gute Abschneiden im Exzellenzcluster-Wettbewerb hinweg. Denn eines mag der ehemalige Eisläufer Blume sicher nicht: Wenn Bayern im bundesweiten Vergleich nicht an der Spitze steht.

Katharina Fegebank – Wissenschaftssenatorin der Freien und Hansestadt Hamburg
Katharina Fegebank (47) studierte Politikwissenschaften, Anglistik und Öffentliches Recht in Freiburg sowie Europawissenschaften in Berlin. Seit 2005 ist sie Mitglied der Grünen, seit 2015 Zweite Bürgermeisterin Hamburgs – und Senatorin für Wissenschaft. Fegebanks großes Ziel war und ist es, aus der traditionellen Handels- und Hafenstadt eine Wissenschaftsmetropole zu machen. Im Stadtteil Bahrenfeld soll bis 2040 ein “Zukunftsort” um das Desy herum entstehen. Fegebank ist trotz aller Konkurrenz erklärte Unterstützerin des föderalen Systems. Seit vielen Jahren reist sie immer wieder nach Israel, zuletzt im März 2024 mit sieben Wissenschaftsministern der Länder, um ihre Solidarität mit den Wissenschaftlern dort zu zeigen.

Petra Olschowski – Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst in Baden-Württemberg
Sie habe das beste Ministerium, antwortete Petra Olschowski auf die Frage, ob sie gerne mit einer Kollegin oder einem Kollegen tauschen würde. Die Freude an ihrem Amt ist der 59-Jährigen anzumerken. Die Sorge einiger, dass die der Kunst zugewandte Olschowski kein Interesse an der Wissenschaft haben könnte, stellte sich als unberechtigt heraus. Dabei trat sie 2022 als Nachfolgerin der beliebten Theresia Bauer ein durchaus schwieriges Erbe an. Zuvor war die als österreichische Staatsbürgerin in Stuttgart geborene Olschowski bereits seit 2016 Staatssekretärin im baden-württembergischen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst. In der Kunstszene hatte sie sich als Geschäftsführerin der Kunststiftung Baden-Württemberg und als Rektorin der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart einen Namen gemacht. Innovation und Transformation verstehe sie nicht nur technologisch, sondern auch gesellschaftlich, sagte sie im Gespräch mit Table.Briefings.
2. November 2024, Humboldt-Universität zu Berlin
Berlin Science Week, Live-Podcast “Fragile Freiheit” Mehr
4. November 2024, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung
Diskussion Bedrohte Wissenschaft: Ungeliebte Wahrheit Mehr
4. November 2024, TU Berlin
Diskussion “Resiliente Universität. Internationale Kooperation in Zeiten der Krise” Mehr
7.-9. November 2024, Berlin
Konferenz Falling Walls Science Summit 2024 Mehr
8. November 2024, Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung, Berlin
Diskussion Bedrohte Wissenschaft: Politische Einflussnahme Mehr
11.-12. Dezember, Berlin
Forum Wissenschaftskommunikation Wissenschaftskommunikation für eine starke Demokratie und offene Gesellschaft Mehr
Die Kommission hat am Dienstag das Arbeitsprogramm des Europäischen Innovationsrats (EIC) vorgelegt. Das Programm wird im kommenden Jahr 1,4 Milliarden Euro ausgeben können, um die europäische Deep-Tech-Forschung sowie Start-ups mit hohem Potenzial zu unterstützen. Für sein Arbeitsprogramm 2025 hat der EIC knapp 200 Millionen Euro mehr zur Verfügung als 2024.
Nach Angaben der Kommission bringt das neue Arbeitsprogramm neben der Aufstockung der Mittel weitere Verbesserungen mit sich. Dazu gehören ein besserer Zugang zu Beteiligungskapital im Rahmen des Scale-up-Programms (STEP). Auch seien weitere Verbesserungen auf der Grundlage der Empfehlungen des EIC-Beirats erfolgt. Die gezielte Unterstützung, insbesondere im Rahmen der STEP-Aufforderung zur Aufstockung, werde dazu beitragen, kritische Finanzierungslücken zu schließen und ein stärkeres, widerstandsfähigeres Innovationsökosystem in Europa aufzubauen, sagte Iliana Ivanova, noch amtierende Kommissarin für Innovation und Forschung.
Die Kommission hat den Europäischen Innovationsrat nach einer Pilotphase (2018 bis 2020) im Jahr 2021 als festen Bestandteil von Horizon Europe etabliert. Eine Besonderheit des EIC ist die Förderung einzelner Unternehmen, vorwiegend Start-ups und KMUs, welche sowohl in Form von Zuschüssen als auch Investitionen unterstützt werden. Die Investitionen erfolgen derzeit durch direkte Eigenkapitalbeteiligungen oder quasi-Eigenkapital und werden vom EIC-Fonds verwaltet. Dieser Fonds zielt auch darauf ab, private Co-Investitionen anzuziehen, um das Wachstum innovativer Unternehmen in strategischen Sektoren weiter zu fördern.
Die wichtigsten Punkte im neuen EIC-Arbeitsprogramm:
Die drei Hauptförderschienen des EIC-Arbeitsprogramms sind:
Kritik an den bisherigen EIC-Programmen gab es vor allem wegen der komplexen Antragsverfahren und administrativen Anforderungen. Viele Start-ups sahen sich durch die hohen Auflagen behindert. Mit den Anpassungen des Programms und zusätzlichen Fördermöglichkeiten will die EU Prozesse vereinfachen und flexibler reagieren. vis
Im Juli hat die CDU/CSU-Fraktion zur Fördermittelaffäre bereits eine Große und eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt. Zufrieden mit den Antworten des BMBF war sie bekanntlich nicht. Das zeigte sich unter anderem im September nach der zweiten Sondersitzung des Forschungsausschusses mit Bettina Stark-Watzinger.
Nun legen die Abgeordneten nach und fordern in einer neuerlichen Kleinen Anfrage von der Bundesregierung weiterhin Aufklärung. Sie haben 65 Fragen formuliert, in denen es vor allem um die ordnungsgemäße Dokumentation und Archivierung entscheidungsrelevanter Vorgänge im BMBF geht. Unter anderem geht es um:
“Wir haben alle Punkte aufgeschrieben, bei denen wir immer noch keine Antwort bekommen haben”, sagt Thomas Jarzombek (CDU) auf Anfrage von Table.Briefings. Insbesondere die Frage, ob es eine Schattenkommunikation der BMBF-Leitung gibt, treibe ihn und seine Parteikollegen um. “Die Aussage der Ministerin hierzu hat erhebliche neue Fragen aufgeworfen.” abg
Mit einer “Berliner Erklärung” haben die deutsche Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und die Chinesische Akademie der Wissenschaften (CAS) ihre Kooperation bekräftigt und wirksame Schritte zur Dekarbonisierung gefordert. Bei der “Science for Future”-Konferenz zum Thema “On the Path to Carbon Neutrality” in Berlin am Montag und Dienstag unterzeichneten die Vorsitzenden Gerald Haug und Jianguo Hou das Papier und bekräftigten eine Stellungnahme aus dem Jahr 2019.
Die Erklärung betont, es sei “dringend erforderlich, Wege zur Kohlenstoffneutralität zu beschreiten“. Dafür müssten “wirksame Maßnahmen zur CO₂-Reduzierung aller relevanten Sektoren, einschließlich Energie, Industrie, Verkehr und Gebäude sowie Land- und Forstwirtschaft entwickelt werden”. Wichtig seien “angemessene Rahmenbedingungen”, die Förderung sauberer Technologien und “verstärkte Forschung zur Kohlenstoffneutralität”. Unter anderem fordert die Erklärung
Deutschland hat sich gesetzlich zur Klimaneutralität aller Sektoren bis 2045 verpflichtet. China strebt vor 2060 “Kohlenstoffneutralität” an, was andere Treibhausgase wie etwa Methan oder Stickoxid nicht berücksichtigt. bpo
Studierende haben keinen verfassungsrechtlichen Anspruch auf höheres Bafög. Das entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Aus dem vom Grundgesetz abgeleiteten Recht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums könne kein Recht für mittellose Hochschulzugangsberechtigte auf staatliche Leistungen hergeleitet werden, die ein Studium ermöglichen. Der Anspruch auf existenzsichernde Leistungen bestehe nicht, wenn man eine existenzsichernde Arbeit aufnehmen könne, hieß es weiter – auch wenn dann unter Umständen Studieren unmöglich werde.
Im konkreten Fall hatte sich eine Masterstudentin an das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gewandt. Sie wollte dort einen höheren Bafög-Betrag einklagen, weil sie die Höhe der gesetzlichen Grundpauschale im Zeitraum von Oktober 2014 bis Februar 2015 für verfassungswidrig hielt.
Der Leipziger Senat setzte das Verfahren aus und legte dem Bundesverfassungsgericht die Frage vor, ob die Grundpauschale im entsprechenden Zeitraum mit dem Grundgesetz vereinbar war. Das Gericht bejahte das nun. Es erklärte weiter: “Aus dem objektiv-rechtlichen sozialstaatlichen Auftrag zur Förderung gleicher Bildungs- und Ausbildungschancen folgt derzeit keine spezifisch auf die Hochschulausbildung bezogene Handlungspflicht des Staates.”
Zugleich betonte das höchste deutsche Gericht aber auch, dass angesichts der besonderen Bedeutung sozialer Durchlässigkeit der Bildungs- und Ausbildungswege ein Auftrag des Staates zur Förderung gleicher Bildungs- und Ausbildungschancen folge.
Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) erklärte, der Beschluss unterstreiche abermals, dass der Bundestag beim Bafög seinen sozialpolitischen Gestaltungsspielraum nutzen müsse. Zwar lasse sich aus dem Grundgesetz kein unmittelbarer Anspruch auf eine bildungsspezifische Sozialleistung ableiten. “Wenn das Parlament aber dem eigenen Anspruch beim Bafög gerecht werden will, muss diese Förderung substanziell ausfallen.”
Auch nach der jüngsten Erhöhung liege der Bafög-Bedarfssatz noch weit unter dem Grundbedarf beim Bürgergeld, kritisierte der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Andreas Keller. Das sei “zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben”. Die Bundesregierung dürfe die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht zum Anlass nehmen, in Sachen Bafög-Reform “die Hände in den Schoß zu legen”.
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger betonte in der ARD-Sendung “Bericht aus Berlin”, für die Regierung sei klar: “Bafög ist ein wichtiger Baustein für die Bildungsgerechtigkeit in unserem Land und wir werden es immer weiter stärken.” Alle zwei Jahre werde die Förderung auch mit Blick auf die Inflation geprüft – und gegebenenfalls mit Anpassungen oder Sondermaßnahmen reagiert.
Der Vorsitzende des Bildungsausschusses im Bundestag, Kai Gehring (Grüne), verteidigte ebenfalls die Reformen der Ampel. Die Regierung habe das größte Plus aller Zeiten für das Bafög beschlossen und eine dringende Trendwende eingeleitet. “Alle Reformstufen dieser Koalition zusammengenommen wurden die Bedarfssätze um rund 11 Prozent erhöht, die Wohnkostenpauschale um fast 17 und die Freibeträge um ganze 27 Prozent”, sagte Gehring – räumte aber ein: Unerlässlich und überfällig sei ein regelmäßiger Erhöhungsmechanismus, wie er bei anderen Leistungen mit Rechtsanspruch längst üblich sei. tg mit dpa
Nature: Wissenschaftler für Harris. Ein Großteil der Leser des Wissenschaftsmagazins Nature steht bei den Präsidentschaftswahlen auf der Seite der demokratischen Kandidatin Kamala Harris. Sie fürchten Trumps Politik vor allem in den Bereichen Klima, Wissenschaftspolitik und Wissenschaftsfinanzierung. (“The US election is monumental for science, say Nature readers – here’s why”)
Zeit: EU zum Top-Wissenschaftsstandort machen. Die EU will durch die Wissenschaft den Wirtschaftsstandort Europa langfristig absichern. Dafür braucht es den Willen zu Exzellenz, Geld und Kooperationen, fordert der Geschäftsführer von German U15 Jan Wöpking in einem Gastbeitrag. Neben Großbritannien, Israel, Südkorea und Kanada sollten weitere Wissenschaftsnationen EU-Partner werden. (“Mehr europäische Exzellenz wagen!”)
taz: Wissenschaftsrat fordert mehr Dauerstellen. “Für Daueraufgaben braucht es Dauerstellen”. Das fordern in diesem Fall nicht die einschlägigen Beschäftigteninitiativen, sondern Wissenschaftsratsmitglied Birgit Spinath im Gespräch mit der taz. Als Vorsitzende des Ausschusses für Tertiäre Bildung beschäftigt sie sich mit den Personalstrukturen im Wissenschaftssystem. Sie berichtet auch, welche Vorschläge der Wissenschaftsrat bisher erarbeitet hat. (“Hochschulen müssen sich bewegen”)
FAZ: Russland behandelt Osteuropa-Historiker wie Kriminelle. Russland bedroht die deutsche Russlandforschung existenziell, aber die deutsche Politik hält anscheinend unbeirrt an bestehenden Russlandverbindungen fest, kritisiert der Osteuropa-Historiker Martin Schulze Wessel. Als Beispiel führt er das Museum Berlin-Karlshorst an, zu dessen Trägerverein nach wie vor Ministerien der Russischen Föderation gehören. (“Halbe Transformation”)
Stern: Leipziger Studierende gegen Rechtsruck. Studierende der Universität Leipzig fordern von ihrer Uni, gegen rechte Gewalt, Diskriminierung und Ungleichbehandlung vorzugehen. Unter anderem soll jede Form der Zusammenarbeit mit Mitgliedern der AfD oder anderer rechtsextremer Gruppen ausgeschlossen werden. (“Uni Leipzig muss sich gegen Rechtsruck wehren”)
NZZ: Zürich beendet Kooperation mit Shenzhen. Die Zürcher Hochschule der Künste hat entschieden, die Kooperation mit der chinesischen Designhochschule in Shenzhen zu beenden. Ausschlaggebend dafür waren Herausforderungen in der Zusammenarbeit sowie die Nähe des chinesischen Partners zum Militär. (“Zürcher Kunsthochschule stoppt Zusammenarbeit mit einer Universität in Shenzhen, die dem chinesischen Militär nahesteht”)
ORF: Bedrohung von Wissenschaftlern nimmt ab. Nach einem Bericht der Anlaufstelle “Science Care” ist zwei Jahre nach Ende der Corona-Pandemie die Zahl der Bedrohungen und Beschimpfungen von Wissenschaftlern rückläufig. Allerdings könne noch keine Entwarnung gegeben werden. (“Rückenstärkung für angefeindete Forscher”)

Die Vorbereitungen für das nächste EU-Forschungsrahmenprogramm sind gestartet und nach dem Letta- und dem Draghi-Bericht ist der Heitor-Bericht zur Evaluierung von Horizon 2020 erschienen. Höchste Zeit, einen Blick auf dessen finanzielle, thematische und programmatische Ausgestaltung zu werfen. Und eine deutsche Position in der europäischen Debatte zu definieren.
Neue Erkenntnisse fallen nicht vom Himmel, sie entstehen insbesondere in der Forschung in einem bestimmten Umfeld: Es braucht Freiheit im Denken, Orte zum Forschen und den Austausch über Grenzen hinweg. Diese drei Voraussetzungen machen den Mehrwert der europäischen Forschungskooperation aus.
Doch die Antwort darauf kann gerade nicht eine zentrale Ausgabestelle der Europäischen Kommission sein. Im Gegenteil: Anstelle eines Superfonds braucht es weniger, aber dafür stärker zielgerichtete Programme. Insofern sind die Vorschläge des Heitor-Reports grundsätzlich zu begrüßen. Diese Grundsätze sind aus deutscher Sicht wichtig:
Im Jahr 2021 lag die Quote der Investitionen für Forschung und Entwicklung lediglich bei 2,2 Prozent des EU-BIP und somit deutlich hinter den USA (3,5 Prozent) und China (2,4 Prozent). Auch das ist eine europäische Wahrheit. Das heißt: In allen Bereichen ist eine massive Erweiterung des FuE-Budgets notwendig, um das Drei-Prozent-Ziel zu erreichen. Von wissenschaftlicher Seite sind in der Vergangenheit ausreichend hervorragend förderfähige Anträge eingereicht worden, um auch ein 10. Forschungsrahmenprogramm mit einem Budget von über 200 Milliarden Euro vollständig auszuschöpfen.
Doch nicht nur die Höhe des Budgets ist entscheidend. Forschende sollen sich maßgeblich auf ihre Forschung konzentrieren können und weniger Zeit für Anträge, Berichte und Dokumentation aufwenden. Ein “trust in science” muss politisch gelebt werden: Anstatt Forschende unzählige Metadaten zu ihren Projekten erheben zu lassen, die ohnehin kaum verarbeitet werden können, sollten gezielte Begleitstudien in Auftrag gegeben werden, um die Relevanz und Schlagkraft von FuE zu belegen. In diesem Sinne ist sowohl der Vorschlag einer Einheit, in der innovative Regulation erprobt werden kann, als auch die aktuelle Ausweitung von Finanzierungen mittels Pauschalbeträgen zu begrüßen.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Ruppert Stüwe ist Mitglied im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung. Zu seinen forschungspolitischen Schwerpunkten gehören der Umgang mit Forschungsdaten, Außenwissenschaftspolitik und Forschungssicherheit sowie die Hochschulmedizin.

Wird mal wieder ein mexikanischer Drogenboss gefasst, feiern Politiker und Medien das als Erfolg im Kampf gegen die organisierte Kriminalität. Dabei haben solche Ereignisse eher einen gegenteiligen Effekt, wie der Mathematiker Rafael Prieto-Curiel herausgefunden hat. Fehlt nach einer Verhaftung der Kopf eines Drogenkartells, entstehen mehr neue kriminelle Gruppen, die sich weiter aufspalten und auch untereinander bekämpfen. Das Ausmaß der Gewalt nehme dann sogar noch zu. Für seinen Forschungsansatz wird er auf dem Falling Walls Summit in Berlin mit dem Breakthrough-Preis in der Kategorie Sozial- und Geisteswissenschaften ausgezeichnet.
Rafael Prieto-Curiel wurde selbst in Mexiko geboren und erlebte, wie seine Heimat durch Drogenhandel, Korruption und andere Verbrechen immer unsicherer wurde. Er wollte herausfinden, warum die Gewalt trotz stärkerer Strafverfolgung, mehr Polizeieinsätzen und längerer Haftzeiten weiter zunahm. In Mexiko-Stadt studierte er Angewandte Mathematik und arbeitete fünf Jahre bei der Polizei, wo er für Prognosen der städtischen Kriminalität zuständig war. 2013 ging er nach Großbritannien, promovierte am University College London und forschte an der Oxford University, wo er sich mit kriminellen Organisationen in Lateinamerika, Gewalt sowie nachhaltiger Mobilität befasste.

Für viel Aufmerksamkeit sorgte sein Artikel im Fachmagazin Science im vergangenen Jahr. Er und sein Team hatten erstmals die Entwicklung der mexikanischen Drogenkartelle innerhalb eines Jahrzehnts analysiert. Sie stellten fest, dass alle 150 Kartelle zusammengenommen weit mehr Mitglieder rekrutieren als sie verlieren. Trotz Tausender Verhaftungen im Jahr wuchsen sie zwischen 2012 und 2022 von 115.000 auf 175.000 Mitglieder an, was sie zum fünftgrößten “Arbeitgeber” des Landes mache.
Der Algorithmus lieferte auch eine Prognose: Konzentriere sich die Politik weiterhin allein auf Verhaftungen, würden die Kartelle bis 2027 um 26 Prozent wachsen, was auf der Basis des mathematischen Modells zu 40 Prozent mehr Todesopfern führen würde.
Prieto-Curiels Fazit: Die einzige Möglichkeit, aus dem Kreislauf der Gewalt auszubrechen, bestehe darin, die Rekrutierung neuer Mitglieder zu verhindern. “Die meisten werden als Teenager im Alter zwischen 14 und 17 angeworben”, sagte der Mathematiker im Podcast von Science. “Die Hälfte von ihnen wird in zehn Jahren entweder im Gefängnis sitzen oder tot sein.” Die Verherrlichung der Macht und des Reichtums der Drogenbosse – auch durch Netflix-Serien wie “Narcos” – führe dazu, dass sie für junge Leute aus armen Verhältnissen vor allem auf dem Land und in kleineren Städten attraktiv erscheinen.
Seit Mai 2022 forscht Prieto-Curiel am Complexity Science Hub in Wien. Dort versuchen Forschende mit den Mitteln der Komplexitätsforschung aus großen Datenmengen sinnvolles Wissen für die Gesellschaft zu gewinnen. Prieto-Curiel entwickelte zum Beispiel ein mathematisches Modell, um vorherzusagen, wohin Menschen migrieren, wenn sie ihr Herkunftsland verlassen. Er analysierte Zahlen über Menschen in Österreich, die aus verschiedenen Herkunftsländern stammen, darunter vor allem aus der Ukraine, Deutschland, Syrien und Serbien. Es zeigte sich: Entscheidender als die Nähe zur ursprünglichen Heimat ist, ob an einem Ort bereits eine Diaspora der eigenen Nationalität vorhanden ist.
“Seit der Schule ist Mathematik mein Werkzeug”, sagt Prieto-Curiel. “Wenn ich ein Problem sehe, will ich es gleich mathematisch analysieren.” Das schätzen auch große internationale Organisationen wie die OECD und die Weltbank, für die Prieto-Curiel immer wieder tätig ist. Er berät sie in Fragen der städtischen Kriminalität und Gewalt aus wissenschaftlicher Sicht. Alice Ahlers
“Breaking the Wall of Drug Cartel Analysis” lautet der Titel von Rafael Prieto-Curiels Kurzvortrag am 9. November 2024 um 14.55 Uhr beim Falling Walls Science Summit in Berlin. Das Programm des Summit finden Sie hier, weitere Porträts der Table.Briefings-Reihe “Breakthrough-Minds” lesen Sie hier.
Cecilia G. Flocco vom Leibniz-Institut DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH wurde in den Vorstand der Europäischen Mikrobiologischen Vereinigungen (Federation of European Microbiological Societies, FEMS) gewählt. Die Braunschweiger Forscherin, die an der Schnittstelle zwischen Biowissenschaften, Wissenschaftspolitik und Diplomatie arbeitet, tritt ihr Amt zum 1. Januar 2025 an.
Martin Keller, Direktor des US-amerikanischen National Renewable Energy Laboratory (NREL), wird neuer Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft. Der Mikrobiologe tritt sein Amt als Nachfolger von Otmar D. Wiestler am 1. November 2025 an. Mehr über Martin Keller und seine Pläne lesen Sie hier.
Ulrike Machold wird neue Vizepräsidentin der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT). Die Veterinärmedizinerin, die seit 2014 an der HSWT lehrt, tritt ihr Amt als Ständige Vertretung des Präsidenten am Campus Triesdorf am 1. Januar 2025 an.
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Bildung.Table. Ausbildung und Studium: Warum die Politik mehr Durchlässigkeit schaffen muss. Damit junge Menschen den für sie richtigen Bildungsweg finden können, sollte die Bildungspolitik bundesweit Übergänge zwischen beruflicher und akademischer Bildung etablieren. Das fordern Bertelsmann Stiftung und CHE in einem neuen Policy-Paper. Mehr
Climate.Table. COP29: Vor diesen zehn Klimatrends warnt die Wissenschaft. Die COP29 soll sich mit Themen befassen, die in der öffentlichen Aufmerksamkeit zu kurz kommen, meint ein Verbund von Thinktanks: Es geht etwa um Gesundheit, Methan, Lieferketten und Fairness. Der Vorwurf: Viele Verhandler sind nicht auf dem Stand der Wissenschaft. Mehr
Climate.Table. Drei UN-Berichte: So weit entfernt ist die Welt von ihren Klimazielen. Drei aktuelle Berichte von UN-Behörden schlagen vor der COP29 Alarm: Die Klimapläne der Länder sind ungenügend, die CO₂-Emissionen steigen trotz aller Anstrengungen weiter. Und die Atmosphäre ist so voller Treibhausgase wie vor drei bis fünf Millionen Jahren. Damals war der Meeresspiegel zehn Meter höher als heute. Mehr
Security.Table. Pistorius beim Cyber Innovation Hub: Neue Technik für die Drohnenabwehr. Das CIHBw sieht sich als “Schnittstelle” zwischen Start-ups und Bundeswehr. Der Fokus liegt vor allem auf der Entwicklung von Drohnen-Technik. Mehr
der Delegations-Besuch der Chinese Academy of Sciences (CAS) hat in dieser Woche die Forschungscommunity bis hinauf zu den Spitzen deutscher Wissenschaftsorganisationen beschäftigt. Nach der Pandemie bahnt sich in der Beziehung etwas Entspannung an. Über allem hängt aber wie ein Damoklesschwert die Debatte über die geopolitische Zeitenwende. Max-Planck-Präsident Patrick Cramer warnt vor Abkopplung und fordert stattdessen ein “Moonshot-Projekt” für die Wissenschaftsbeziehungen zwischen Europa und China, wie Sie im Interview lesen können.
Der gemeinsame Kampf von Forschenden gegen Krebs oder die Klimakrise könnte zur Verständigung der Kulturen beitragen, sagt Cramer. Bei einem De-Coupling von China befürchtet er dagegen irreparable Folgen für die deutsche Wissenschaft. Um sicherzustellen, dass Forschende der MPG nicht mit militärnahen Institutionen Chinas zusammenarbeiten, kündigt Cramer einen “China Council” für seine Forschungsgesellschaft an.
Über die Wissenschaftspersonalie der Woche haben wir gestern per Table.Alert berichtet: Martin Keller wird neuer Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft. Sein Amtsantritt ist im November 2025. Der gebürtige Regensburger ist vor knapp 30 Jahren in die USA gegangen, seit 2015 leitet er das National Renewable Energy Laboratory (NREL) in Golden/Colorado. Meine Kollegin Anne Brüning hat mit ihm über seine Pläne bei Helmholtz gesprochen. Falls Sie noch einmal nachlesen wollen, finden Sie den Beitrag hier.
In den zurückliegenden Ausgaben des Research.Table haben wir Ihnen die entscheidenden Köpfe der deutschen Wissenschaftsszene in unserer Rubrik “Top of the Table” vorgestellt. Die Liste der 100 Entscheiderinnen und Entscheider komplettieren wir heute mit der Rubrik “Politik”. Wir hoffen, Sie haben bekannte Gesichter wiederentdeckt und vielleicht sogar das eine oder andere neu kennengelernt. Mit dabei diesmal natürlich auch Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger, die aktuell in der Fördermittelaffäre unter Druck steht. Die Union hat dazu einen neuen Fragenkatalog eingereicht. Was drin steht, lesen Sie in dieser Ausgabe.
Ich wünsche Ihnen eine erhellende Lektüre,

Herr Cramer, die MPG und die Chinese Academy of Science (CAS) pflegen seit 50 Jahren wissenschaftsdiplomatische Beziehungen. Zur Feier des Jubiläums war eine chinesische Delegation in Berlin. Wie war die Begegnung?
Das Treffen am Montag mit 120 chinesischen Kolleginnen und Kollegen war nicht nur produktiv und professionell, sondern auch herzlich. Eine Wiederannäherung nach der Pandemiezeit. CAS-Präsident Hou Jiangou hat mich zu einem China-Besuch eingeladen, den ich auch gerne mache. Es ist wieder einfacher, in das Land zu gelangen. Man hat auf dem Treffen gespürt, dass viele Beziehungen und auch einige Freundschaften zwischen Forschenden in diesen Jahren und Jahrzehnten entstanden sind und das ermöglicht einen Austausch jenseits der Politik.
Science Diplomacy war bereits 1974 gefragt: Weil die DFG aus Chinas Sicht zu enge Beziehungen zu Taiwan pflegte, bat die Bundesregierung damals die MPG, die Wissenschaftsbeziehungen zu organisieren. Wie ist der Status im Jahr 2024?
Die geopolitische Situation macht uns zu schaffen, weil es ein starkes Misstrauen gibt, vor allem in den USA, aber auch in Europa. Aus meiner Sicht müssen wir unseren eigenen Weg finden. Dabei müssen wir unabhängig vom Wahlausgang die Freundschaft und die transatlantische Zusammenarbeit mit den USA aufrechterhalten, aber gleichzeitig ist auch Kooperation mit anderen Ländern wie China, notwendig. Die Risiken, die damit einhergehen, müssen wir ernst nehmen, Maßnahmen zu ihrer Eindämmung ergreifen und wissen, welche Kollaborationen wir risikofrei eingehen können.
Sie haben dazu innerhalb der MPG ein Ampelsystem für die Zusammenarbeit mit China angekündigt. Wie reagieren Ihre chinesischen Partner darauf?
Dieses System dient dazu, dass wir uns Forschungsprojekte anschauen und auf mögliche Risiken hin überprüfen, wie etwa Nähe zum Militär. Zwei Drittel der Projekte können einfach weiterlaufen, weil sie unverdächtig sind. Andere Projekte schauen wir uns im Detail an. In schwierigen Fällen wird eine Präsidenten-Kommission beraten, ein “China Council”. Sie soll ein Votum abgeben, ob die Projekte empfohlen werden oder nicht. Ich habe unseren chinesischen Kollegen offen darüber berichtet und kommuniziert, dass all das für uns auch als Schutz der Kooperation dient, damit wir sie aufrechterhalten können. Das fanden sie sehr gut.
Wo ziehen Sie konkret die Grenzen in der Zusammenarbeit?
Wir lehnen die Nutzung von Forschungsergebnissen für militärische Zwecke ab und ebenso für die Überwachung der Bevölkerung. Wir sind zudem besorgt über die Einschränkungen der Wissenschaftsfreiheit in China und die Verschärfung von Regelungen zur Verfügbarkeit von Forschungsdaten. Ein großer Erfolg des Treffens in dieser Woche war, dass unsere chinesischen Kollegen sicherstellen, dass Forschungsdaten, die wir in gemeinsamen Projekten erhalten, auch auf beiden Seiten zur gleichen Zeit zur Verfügung stehen. Es bringt also etwas, wenn man miteinander spricht, statt nur übereinander.
Nur noch wenige deutsche Wissenschaftler arbeiten und forschen in der Volksrepublik. Was tun sie in der MPG gegen einen Mangel an China-Kompetenz?
Während der Pandemie arbeiteten im Jahr 2021 tatsächlich nur noch 120 deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an langfristigen Forschungsprojekten in China. Das ist völlig unzureichend. Die Max-Planck-Gesellschaft hat allein 1.400 bis 1.500 chinesische Mitarbeiter in Deutschland. Um diese Balance zu verbessern, haben wir sogenannte Summer Schools vereinbart. Das sind niedrigschwellige Angebote von vier bis sechs Wochen, für die Forschende aus Deutschland nach China reisen und das dortige Wissenschaftssystem kennenlernen sollen.
Sie haben schon in der Vergangenheit vor einem De-Coupling gewarnt. Was würde fehlen, wenn wir uns von China in der Wissenschaft abkoppeln?
Uns würde der Zugang zu einzigartigen Forschungsinfrastrukturen fehlen und langjährige Forschungspartnerschaften würden wegbrechen. Wir haben eine Umfrage in der Max-Planck-Gesellschaft gemacht, bei der 55 Prozent der Befragten angegeben haben, dass die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit China wichtig oder sogar essenziell für ihre eigene Forschung ist. In den letzten fünf Jahren wurden in Kooperationsprojekten zwischen der MPG und der CAS mehr als 3.700 gemeinsame Publikationen veröffentlicht. Sie ist damit unsere zweitwichtigste internationale Partnerinstitution, nach dem französischen Centre National de la Recherche Scientifique. Außerdem müssen wir in Zeiten geopolitischer Konflikte einen Gesprächskanal jenseits der Politik offenhalten.
Die Bundesregierung gibt ambivalente Signale: Der Bundeskanzler verspricht bei seiner China-Reise mehr Forschungskooperation, die Forschungsministerin warnt davor. Was halten Sie für richtig?
Ich fand es richtig, dass Olaf Scholz bei seinem China-Besuch im April klargemacht hat, dass wir die Kooperationen wollen. Es ist mühsam, Strukturen wieder aufzubauen, wenn sie einmal verloren gegangen sind. Generell gilt, dass die Wissenschaft über Kooperationen selbst entscheiden muss, auch weil man im Detail in die Projekte hineinschauen muss. Die Politik sollte nicht eingreifen, sondern Hilfsangebote bereitstellen. Diese hat Bettina Stark-Watzinger aber auch zugesagt. Sie hat sich zudem für unsere Handlungsempfehlungen für China-Kollaborationen bedankt und dafür, dass wir uns ernsthaft mit dem Thema beschäftigen.
Welche politische Initiative wäre aus Ihrer Sicht eine Unterstützung für die schwierige Beziehungsarbeit?
Zunächst müssen exzellente Forschende aus China wieder leichter Visa für Deutschland bekommen. Wir schaden uns selbst, wenn wir zu restriktiv bei Einreisegenehmigungen sind. Dann möchte ich aufgreifen, was am Montag ein chinesischer Kollege gefragt hat: “Wo ist eigentlich unser Moonshot-Projekt?” Diese Frage würde ich gerne als Wunsch formuliert an die Politik weitergeben: Es gibt drängende Menschheitsaufgaben, die infrage kommen würden. Da wäre zum Beispiel die Heilung von Krebs oder die Bekämpfung der Klimakrise und die Umstellung auf eine nachhaltige Wirtschaft. Konkret könnte man sich zum Beispiel die Arbeit an einer weltweiten Wasserstoffinfrastruktur von der Chemie bis zur Ökonomie vorstellen. Die Regierung macht ja schon Projekte dazu.
Diese Hoffnung hatte man mit Blick auf Russland allerdings auch. ITER war ein Projekt, das nach dem Kalten Krieg entstand. Jetzt steht es nach dem Start des russischen Angriffskriegs ziemlich unter Druck.
Ich glaube, man sollte für ein solches Moonshot-Projekt neben Top-Down einen Bottom-up-Ansatz verfolgen. Man sollte Wissenschaftler finden, die ein wirkliches Interesse haben, Forschungsprojekte voranzutreiben und wenn man Potenzial sieht für ein sinnvolles, effizientes gemeinsames Vorgehen, dann sollte die Politik das verstärken. Wir werden alles tun, was in unserer Macht steht, um uns für solche internationalen Kollaborationen einzusetzen, weil ich glaube, dass sie einen positiven Effekt auf die Verständigung der Kulturen, die Ausbildung der nächsten Generationen und die globale Innovationsfähigkeit haben.
Am Ende bleibt man aber von der Geopolitik abhängig. Wenn China in naher Zukunft in Taiwan einmarschiert, wären mutmaßlich auch die wissenschaftlichen Beziehungen stark betroffen. Wie wirkmächtig kann Science Diplomacy überhaupt sein?
Darauf würde ich gerne eine konkrete Antwort geben. CAS-Präsident Huo Jiangou war jetzt bereits zum zweiten Mal binnen eines Jahres bei uns in Deutschland, aber auch bei europäischen Partnern. Nach seinem letzten Besuch hat er in Interviews betont, dass man von den gegenseitigen Kooperationen abhängig sei, und auch seine Regierung aufgefordert, sich nicht abzukoppeln. Wir haben jetzt viel darüber gesprochen, wie wir vom Austausch profitieren. Aber andersherum ist es ja auch so. China profitiert von unseren Ideen, unseren Herangehensweisen. Science Diplomacy funktioniert dann gut, wenn beide Seiten profitieren.


Kai Gehring – MdB (Grüne) und Vorsitzender des Forschungsausschusses des Deutschen Bundestags
Er gilt als sachkundig und ist allseits geschätzt. Das prädestiniert Kai Gehring für sein Amt als Vorsitzender des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung. Ruhig, aber bestimmt leitet er die Sitzungen. Von Politikkollegen wird er als moderierend und lösungsorientiert wahrgenommen. Auf Wissenschaftsseite respektiert man ihn für seine Fachkenntnis und sein Engagement – angefangen von Wissenschaftsfreiheit und Internationalisierung bis hin zum Kampf gegen Antisemitismus und zur Ewigkeitsaufgabe Hochschulsanierung. Gehring ist Diplom-Sozialwissenschaftler und seit 2005 im Bundestag, wo er Essen vertritt. Zur nächsten Bundestagswahl will der 46-Jährige nicht mehr antreten, gab er im Juni bekannt, bis dahin aber weiter sein Bestes geben, wie er kürzlich im Interview sagte.

Thomas Jarzombek – MdB (CDU) und Mitglied des Forschungsausschusses des Deutschen Bundestags
Wochenlang hat Thomas Jarzombek die Kritik seiner Fraktion am Agieren von Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger aufrecht gehalten. Per Kleiner und Großer Anfrage sorgte er dafür, dass die Fördermittel-Affäre über die Sommerpause nicht in Vergessenheit geriet. Seine Fragen in der Sondersitzung Anfang September waren derart auf den Punkt, dass sich alle Parteien (die FDP ausgenommen) seiner Forderung an die Forschungsministerin, diese doch endlich einmal zu beantworten, anschlossen. Jarzombek, 1979 im Rheinland geboren und in Berlin gern mit dem Fahrrad unterwegs, sitzt seit 2009 für die CDU im Deutschen Bundestag. Er war Koordinator für Luft- und Raumfahrt und Beauftragter für digitale Wirtschaft und Start-ups. Während seines Wirtschaftsstudiums in Düsseldorf hat er selbst gegründet, und zwar ein Unternehmen für IT-Services.

Bettina Stark-Watzinger – Bundesministerin für Bildung und Forschung
Sie weckte Hoffnungen. Endlich wieder eine Ministerin mit wissenschaftlichem Background an der Spitze des BMBF, so dachten viele. Bettina Stark-Watzinger (56) hat Volkswirtschaftslehre an den Universitäten Mainz und Frankfurt studiert und ein Trainee-Programm bei der BHF Bank absolviert. Sie hat mit ihrer Familie einige Jahre in London gelebt, ihr Englisch ist entsprechend perfekt. Nach ihrer Rückkehr war Stark-Watzinger im Forschungsmanagement tätig, zuletzt als Geschäftsführerin des Forschungszentrums SAFE, bevor sie 2017 in den Bundestag einzog. Sie ist seit 2004 Mitglied der FDP, seit 2021 Bundesministerin. Mit ihrer Expertise aus Wirtschaft und Wissenschaft sollte sie neue Impulse setzen. In der Wissenschaft hat sie die Sprind befreit, sich sehr um das Thema Fusion bemüht, aber wichtige Projekte sind noch nicht fertig: Dati, WissZeitVG, Forschungsdatengesetz. Vor allem die Fördermittel-Affäre belastet ihr Amt.

Jens Brandenburg – Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung
Eigentlich ist im BMBF sein Namensvetter und Staatssekretärskollege Mario Brandenburg für den Bereich Forschung zuständig. Weil aber die Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft ein zentrales Thema in dieser Legislatur waren, stand der dafür verantwortliche 38-jährige Bildungsexperte Jens Brandenburg im Fokus. Seit dem Abitur ist Brandenburg bei den Jungen Liberalen. 2017 zog er für die FDP auf einem der hinteren Plätze der baden-württembergischen Landesliste in den Bundestag ein. Vom einfachen Parlamentarier zum Staatssekretär im BMBF – seine steile Karriere hat sich Brandenburg als bildungspolitischer Sprecher seiner Fraktion erarbeitet. Auch wenn die Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes politisch holprig lief, wird Brandenburg von der Wissenschaftscommunity und auch der politischen Konkurrenz als kooperativer und versierter Kollege wahrgenommen.

Anna Christmann – MdB (Grüne), Luft- und Raumfahrtkoordinatorin der Bundesregierung und Start-up-Beauftragte des BMWK
Anna Christmann ist die forschungspolitische Schnittstelle des BMWK. Nicht nur in den ihr anvertrauten Bereichen Luft- und Raumfahrt und Start-ups, sondern darüber hinaus auch beim Thema Daten und KI hat es die 41-Jährige immer wieder mit Bezügen zur Wissenschaft zu tun. Konkret sind hier ihre Projekte wie das erste deutsche Weltraumgesetz, die Forschungszulage für Unternehmen oder der Aufbau des Dateninstituts zu nennen. Anna Christmann steht für eine proaktive Herangehensweise und weiß ihre politischen Aktivitäten öffentlichkeitswirksam zu positionieren. Im BMWK wird die Grünen-Bundestagsabgeordnete nach Informationen von Table.Briefings als neue Parlamentarische Staatssekretärin gehandelt. Sie soll Franziska Brantner nachfolgen, die Mitte November zur neuen Grünen-Vorsitzenden gewählt werden will.

Holger Mann – MdB (SPD) und Mitglied des Forschungsausschusses des Deutschen Bundestags
Holger Mann ist 1979 in Dresden geboren und im Erzgebirge aufgewachsen. Seit 1997 lebt er in Leipzig – und aus dieser Stadt zog er 2021 als Spitzenkandidat der SPD in den Bundestag ein. Er nennt eine “innovative Wissenschaft”, bessere Bildung und eine Stärkung der Wissenschaftskommunikation als seine Ziele. Mann kritisiert das Handeln der AfD deutlich und unterstützte die bundesweiten Demonstrationen gegen rechts nach dem umstrittenen Treffen einiger AfD-Mitglieder in Potsdam. Der aktuelle Kurs seiner Partei in der Migrations- und Asylpolitik findet ebenfalls seine Kritik. Politiker seien gefordert, auf Ängste zu reagieren, aber “das verpflichtet uns zugleich dazu, politische Maßnahmen vorzuschlagen, die wirklich zu mehr Sicherheit beitragen und nicht Aktionismus sind”.

Christian Ehler – Abgeordneter (CDU/EVP) im Europäischen Parlament und Mitglied des Forschungsausschusses ITRE
Der gebürtige Münchner sitzt seit 2004 im Europaparlament, davor war er im Landtag von Brandenburg. Christian Ehler hat Journalistik, Politologie und Volkswirtschaftslehre studiert und nach der Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule zum Thema US-Handelspolitik promoviert. Er war Projektleiter und später Geschäftsführer etwa des WISO-Instituts oder der Projektgesellschaft Bahnerprobungs- und Technologiezentrum Berlin/Brandenburg GmbH. Der 61-Jährige ist Mitglied im Ausschuss Industrie, Forschung und Energie (ITRE) des Europäischen Parlaments. In der vergangenen Legislaturperiode war er Ko-Berichterstatter für Horizon Europe und will sich auch am laufenden Gesetzgebungsprozess für das 10. Forschungsrahmenprogramm (FP10) beteiligen. Ein ausführliches Interview lesen Sie hier.

Markus Blume – Bayerischer Staatsminister für Wissenschaft und Kunst
Als Markus Blume (49) im Jahr 2023 auch im Kabinett Söder III bayerischer Wissenschaftsminister blieb, waren einige Beobachter überrascht. Man hatte den ehemaligen Generalsekretär der CSU, der 2022 Nachfolger von Bernd Sibler im Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst wurde, bereits für höhere Posten gehandelt. In der Wissenschaftscommunity des Freistaats waren die meisten zufrieden, denn der lautere Blume setzt neben dem immer wieder in der Wissenschaftspolitik mitmischenden Söder auch eigene Akzente. Mit den Mitteln der High Tech-Agenda ist Bayern vergleichsweise gut aufgestellt. Erst zuletzt konnten Bayerns Universitäten wieder Spitzenplätze im wichtigen THE-Ranking erlangen – zumindest im nationalen Vergleich. Das tröstete immerhin etwas über das nicht ganz so gute Abschneiden im Exzellenzcluster-Wettbewerb hinweg. Denn eines mag der ehemalige Eisläufer Blume sicher nicht: Wenn Bayern im bundesweiten Vergleich nicht an der Spitze steht.

Katharina Fegebank – Wissenschaftssenatorin der Freien und Hansestadt Hamburg
Katharina Fegebank (47) studierte Politikwissenschaften, Anglistik und Öffentliches Recht in Freiburg sowie Europawissenschaften in Berlin. Seit 2005 ist sie Mitglied der Grünen, seit 2015 Zweite Bürgermeisterin Hamburgs – und Senatorin für Wissenschaft. Fegebanks großes Ziel war und ist es, aus der traditionellen Handels- und Hafenstadt eine Wissenschaftsmetropole zu machen. Im Stadtteil Bahrenfeld soll bis 2040 ein “Zukunftsort” um das Desy herum entstehen. Fegebank ist trotz aller Konkurrenz erklärte Unterstützerin des föderalen Systems. Seit vielen Jahren reist sie immer wieder nach Israel, zuletzt im März 2024 mit sieben Wissenschaftsministern der Länder, um ihre Solidarität mit den Wissenschaftlern dort zu zeigen.

Petra Olschowski – Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst in Baden-Württemberg
Sie habe das beste Ministerium, antwortete Petra Olschowski auf die Frage, ob sie gerne mit einer Kollegin oder einem Kollegen tauschen würde. Die Freude an ihrem Amt ist der 59-Jährigen anzumerken. Die Sorge einiger, dass die der Kunst zugewandte Olschowski kein Interesse an der Wissenschaft haben könnte, stellte sich als unberechtigt heraus. Dabei trat sie 2022 als Nachfolgerin der beliebten Theresia Bauer ein durchaus schwieriges Erbe an. Zuvor war die als österreichische Staatsbürgerin in Stuttgart geborene Olschowski bereits seit 2016 Staatssekretärin im baden-württembergischen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst. In der Kunstszene hatte sie sich als Geschäftsführerin der Kunststiftung Baden-Württemberg und als Rektorin der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart einen Namen gemacht. Innovation und Transformation verstehe sie nicht nur technologisch, sondern auch gesellschaftlich, sagte sie im Gespräch mit Table.Briefings.
2. November 2024, Humboldt-Universität zu Berlin
Berlin Science Week, Live-Podcast “Fragile Freiheit” Mehr
4. November 2024, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung
Diskussion Bedrohte Wissenschaft: Ungeliebte Wahrheit Mehr
4. November 2024, TU Berlin
Diskussion “Resiliente Universität. Internationale Kooperation in Zeiten der Krise” Mehr
7.-9. November 2024, Berlin
Konferenz Falling Walls Science Summit 2024 Mehr
8. November 2024, Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung, Berlin
Diskussion Bedrohte Wissenschaft: Politische Einflussnahme Mehr
11.-12. Dezember, Berlin
Forum Wissenschaftskommunikation Wissenschaftskommunikation für eine starke Demokratie und offene Gesellschaft Mehr
Die Kommission hat am Dienstag das Arbeitsprogramm des Europäischen Innovationsrats (EIC) vorgelegt. Das Programm wird im kommenden Jahr 1,4 Milliarden Euro ausgeben können, um die europäische Deep-Tech-Forschung sowie Start-ups mit hohem Potenzial zu unterstützen. Für sein Arbeitsprogramm 2025 hat der EIC knapp 200 Millionen Euro mehr zur Verfügung als 2024.
Nach Angaben der Kommission bringt das neue Arbeitsprogramm neben der Aufstockung der Mittel weitere Verbesserungen mit sich. Dazu gehören ein besserer Zugang zu Beteiligungskapital im Rahmen des Scale-up-Programms (STEP). Auch seien weitere Verbesserungen auf der Grundlage der Empfehlungen des EIC-Beirats erfolgt. Die gezielte Unterstützung, insbesondere im Rahmen der STEP-Aufforderung zur Aufstockung, werde dazu beitragen, kritische Finanzierungslücken zu schließen und ein stärkeres, widerstandsfähigeres Innovationsökosystem in Europa aufzubauen, sagte Iliana Ivanova, noch amtierende Kommissarin für Innovation und Forschung.
Die Kommission hat den Europäischen Innovationsrat nach einer Pilotphase (2018 bis 2020) im Jahr 2021 als festen Bestandteil von Horizon Europe etabliert. Eine Besonderheit des EIC ist die Förderung einzelner Unternehmen, vorwiegend Start-ups und KMUs, welche sowohl in Form von Zuschüssen als auch Investitionen unterstützt werden. Die Investitionen erfolgen derzeit durch direkte Eigenkapitalbeteiligungen oder quasi-Eigenkapital und werden vom EIC-Fonds verwaltet. Dieser Fonds zielt auch darauf ab, private Co-Investitionen anzuziehen, um das Wachstum innovativer Unternehmen in strategischen Sektoren weiter zu fördern.
Die wichtigsten Punkte im neuen EIC-Arbeitsprogramm:
Die drei Hauptförderschienen des EIC-Arbeitsprogramms sind:
Kritik an den bisherigen EIC-Programmen gab es vor allem wegen der komplexen Antragsverfahren und administrativen Anforderungen. Viele Start-ups sahen sich durch die hohen Auflagen behindert. Mit den Anpassungen des Programms und zusätzlichen Fördermöglichkeiten will die EU Prozesse vereinfachen und flexibler reagieren. vis
Im Juli hat die CDU/CSU-Fraktion zur Fördermittelaffäre bereits eine Große und eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt. Zufrieden mit den Antworten des BMBF war sie bekanntlich nicht. Das zeigte sich unter anderem im September nach der zweiten Sondersitzung des Forschungsausschusses mit Bettina Stark-Watzinger.
Nun legen die Abgeordneten nach und fordern in einer neuerlichen Kleinen Anfrage von der Bundesregierung weiterhin Aufklärung. Sie haben 65 Fragen formuliert, in denen es vor allem um die ordnungsgemäße Dokumentation und Archivierung entscheidungsrelevanter Vorgänge im BMBF geht. Unter anderem geht es um:
“Wir haben alle Punkte aufgeschrieben, bei denen wir immer noch keine Antwort bekommen haben”, sagt Thomas Jarzombek (CDU) auf Anfrage von Table.Briefings. Insbesondere die Frage, ob es eine Schattenkommunikation der BMBF-Leitung gibt, treibe ihn und seine Parteikollegen um. “Die Aussage der Ministerin hierzu hat erhebliche neue Fragen aufgeworfen.” abg
Mit einer “Berliner Erklärung” haben die deutsche Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und die Chinesische Akademie der Wissenschaften (CAS) ihre Kooperation bekräftigt und wirksame Schritte zur Dekarbonisierung gefordert. Bei der “Science for Future”-Konferenz zum Thema “On the Path to Carbon Neutrality” in Berlin am Montag und Dienstag unterzeichneten die Vorsitzenden Gerald Haug und Jianguo Hou das Papier und bekräftigten eine Stellungnahme aus dem Jahr 2019.
Die Erklärung betont, es sei “dringend erforderlich, Wege zur Kohlenstoffneutralität zu beschreiten“. Dafür müssten “wirksame Maßnahmen zur CO₂-Reduzierung aller relevanten Sektoren, einschließlich Energie, Industrie, Verkehr und Gebäude sowie Land- und Forstwirtschaft entwickelt werden”. Wichtig seien “angemessene Rahmenbedingungen”, die Förderung sauberer Technologien und “verstärkte Forschung zur Kohlenstoffneutralität”. Unter anderem fordert die Erklärung
Deutschland hat sich gesetzlich zur Klimaneutralität aller Sektoren bis 2045 verpflichtet. China strebt vor 2060 “Kohlenstoffneutralität” an, was andere Treibhausgase wie etwa Methan oder Stickoxid nicht berücksichtigt. bpo
Studierende haben keinen verfassungsrechtlichen Anspruch auf höheres Bafög. Das entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Aus dem vom Grundgesetz abgeleiteten Recht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums könne kein Recht für mittellose Hochschulzugangsberechtigte auf staatliche Leistungen hergeleitet werden, die ein Studium ermöglichen. Der Anspruch auf existenzsichernde Leistungen bestehe nicht, wenn man eine existenzsichernde Arbeit aufnehmen könne, hieß es weiter – auch wenn dann unter Umständen Studieren unmöglich werde.
Im konkreten Fall hatte sich eine Masterstudentin an das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gewandt. Sie wollte dort einen höheren Bafög-Betrag einklagen, weil sie die Höhe der gesetzlichen Grundpauschale im Zeitraum von Oktober 2014 bis Februar 2015 für verfassungswidrig hielt.
Der Leipziger Senat setzte das Verfahren aus und legte dem Bundesverfassungsgericht die Frage vor, ob die Grundpauschale im entsprechenden Zeitraum mit dem Grundgesetz vereinbar war. Das Gericht bejahte das nun. Es erklärte weiter: “Aus dem objektiv-rechtlichen sozialstaatlichen Auftrag zur Förderung gleicher Bildungs- und Ausbildungschancen folgt derzeit keine spezifisch auf die Hochschulausbildung bezogene Handlungspflicht des Staates.”
Zugleich betonte das höchste deutsche Gericht aber auch, dass angesichts der besonderen Bedeutung sozialer Durchlässigkeit der Bildungs- und Ausbildungswege ein Auftrag des Staates zur Förderung gleicher Bildungs- und Ausbildungschancen folge.
Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) erklärte, der Beschluss unterstreiche abermals, dass der Bundestag beim Bafög seinen sozialpolitischen Gestaltungsspielraum nutzen müsse. Zwar lasse sich aus dem Grundgesetz kein unmittelbarer Anspruch auf eine bildungsspezifische Sozialleistung ableiten. “Wenn das Parlament aber dem eigenen Anspruch beim Bafög gerecht werden will, muss diese Förderung substanziell ausfallen.”
Auch nach der jüngsten Erhöhung liege der Bafög-Bedarfssatz noch weit unter dem Grundbedarf beim Bürgergeld, kritisierte der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Andreas Keller. Das sei “zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben”. Die Bundesregierung dürfe die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht zum Anlass nehmen, in Sachen Bafög-Reform “die Hände in den Schoß zu legen”.
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger betonte in der ARD-Sendung “Bericht aus Berlin”, für die Regierung sei klar: “Bafög ist ein wichtiger Baustein für die Bildungsgerechtigkeit in unserem Land und wir werden es immer weiter stärken.” Alle zwei Jahre werde die Förderung auch mit Blick auf die Inflation geprüft – und gegebenenfalls mit Anpassungen oder Sondermaßnahmen reagiert.
Der Vorsitzende des Bildungsausschusses im Bundestag, Kai Gehring (Grüne), verteidigte ebenfalls die Reformen der Ampel. Die Regierung habe das größte Plus aller Zeiten für das Bafög beschlossen und eine dringende Trendwende eingeleitet. “Alle Reformstufen dieser Koalition zusammengenommen wurden die Bedarfssätze um rund 11 Prozent erhöht, die Wohnkostenpauschale um fast 17 und die Freibeträge um ganze 27 Prozent”, sagte Gehring – räumte aber ein: Unerlässlich und überfällig sei ein regelmäßiger Erhöhungsmechanismus, wie er bei anderen Leistungen mit Rechtsanspruch längst üblich sei. tg mit dpa
Nature: Wissenschaftler für Harris. Ein Großteil der Leser des Wissenschaftsmagazins Nature steht bei den Präsidentschaftswahlen auf der Seite der demokratischen Kandidatin Kamala Harris. Sie fürchten Trumps Politik vor allem in den Bereichen Klima, Wissenschaftspolitik und Wissenschaftsfinanzierung. (“The US election is monumental for science, say Nature readers – here’s why”)
Zeit: EU zum Top-Wissenschaftsstandort machen. Die EU will durch die Wissenschaft den Wirtschaftsstandort Europa langfristig absichern. Dafür braucht es den Willen zu Exzellenz, Geld und Kooperationen, fordert der Geschäftsführer von German U15 Jan Wöpking in einem Gastbeitrag. Neben Großbritannien, Israel, Südkorea und Kanada sollten weitere Wissenschaftsnationen EU-Partner werden. (“Mehr europäische Exzellenz wagen!”)
taz: Wissenschaftsrat fordert mehr Dauerstellen. “Für Daueraufgaben braucht es Dauerstellen”. Das fordern in diesem Fall nicht die einschlägigen Beschäftigteninitiativen, sondern Wissenschaftsratsmitglied Birgit Spinath im Gespräch mit der taz. Als Vorsitzende des Ausschusses für Tertiäre Bildung beschäftigt sie sich mit den Personalstrukturen im Wissenschaftssystem. Sie berichtet auch, welche Vorschläge der Wissenschaftsrat bisher erarbeitet hat. (“Hochschulen müssen sich bewegen”)
FAZ: Russland behandelt Osteuropa-Historiker wie Kriminelle. Russland bedroht die deutsche Russlandforschung existenziell, aber die deutsche Politik hält anscheinend unbeirrt an bestehenden Russlandverbindungen fest, kritisiert der Osteuropa-Historiker Martin Schulze Wessel. Als Beispiel führt er das Museum Berlin-Karlshorst an, zu dessen Trägerverein nach wie vor Ministerien der Russischen Föderation gehören. (“Halbe Transformation”)
Stern: Leipziger Studierende gegen Rechtsruck. Studierende der Universität Leipzig fordern von ihrer Uni, gegen rechte Gewalt, Diskriminierung und Ungleichbehandlung vorzugehen. Unter anderem soll jede Form der Zusammenarbeit mit Mitgliedern der AfD oder anderer rechtsextremer Gruppen ausgeschlossen werden. (“Uni Leipzig muss sich gegen Rechtsruck wehren”)
NZZ: Zürich beendet Kooperation mit Shenzhen. Die Zürcher Hochschule der Künste hat entschieden, die Kooperation mit der chinesischen Designhochschule in Shenzhen zu beenden. Ausschlaggebend dafür waren Herausforderungen in der Zusammenarbeit sowie die Nähe des chinesischen Partners zum Militär. (“Zürcher Kunsthochschule stoppt Zusammenarbeit mit einer Universität in Shenzhen, die dem chinesischen Militär nahesteht”)
ORF: Bedrohung von Wissenschaftlern nimmt ab. Nach einem Bericht der Anlaufstelle “Science Care” ist zwei Jahre nach Ende der Corona-Pandemie die Zahl der Bedrohungen und Beschimpfungen von Wissenschaftlern rückläufig. Allerdings könne noch keine Entwarnung gegeben werden. (“Rückenstärkung für angefeindete Forscher”)

Die Vorbereitungen für das nächste EU-Forschungsrahmenprogramm sind gestartet und nach dem Letta- und dem Draghi-Bericht ist der Heitor-Bericht zur Evaluierung von Horizon 2020 erschienen. Höchste Zeit, einen Blick auf dessen finanzielle, thematische und programmatische Ausgestaltung zu werfen. Und eine deutsche Position in der europäischen Debatte zu definieren.
Neue Erkenntnisse fallen nicht vom Himmel, sie entstehen insbesondere in der Forschung in einem bestimmten Umfeld: Es braucht Freiheit im Denken, Orte zum Forschen und den Austausch über Grenzen hinweg. Diese drei Voraussetzungen machen den Mehrwert der europäischen Forschungskooperation aus.
Doch die Antwort darauf kann gerade nicht eine zentrale Ausgabestelle der Europäischen Kommission sein. Im Gegenteil: Anstelle eines Superfonds braucht es weniger, aber dafür stärker zielgerichtete Programme. Insofern sind die Vorschläge des Heitor-Reports grundsätzlich zu begrüßen. Diese Grundsätze sind aus deutscher Sicht wichtig:
Im Jahr 2021 lag die Quote der Investitionen für Forschung und Entwicklung lediglich bei 2,2 Prozent des EU-BIP und somit deutlich hinter den USA (3,5 Prozent) und China (2,4 Prozent). Auch das ist eine europäische Wahrheit. Das heißt: In allen Bereichen ist eine massive Erweiterung des FuE-Budgets notwendig, um das Drei-Prozent-Ziel zu erreichen. Von wissenschaftlicher Seite sind in der Vergangenheit ausreichend hervorragend förderfähige Anträge eingereicht worden, um auch ein 10. Forschungsrahmenprogramm mit einem Budget von über 200 Milliarden Euro vollständig auszuschöpfen.
Doch nicht nur die Höhe des Budgets ist entscheidend. Forschende sollen sich maßgeblich auf ihre Forschung konzentrieren können und weniger Zeit für Anträge, Berichte und Dokumentation aufwenden. Ein “trust in science” muss politisch gelebt werden: Anstatt Forschende unzählige Metadaten zu ihren Projekten erheben zu lassen, die ohnehin kaum verarbeitet werden können, sollten gezielte Begleitstudien in Auftrag gegeben werden, um die Relevanz und Schlagkraft von FuE zu belegen. In diesem Sinne ist sowohl der Vorschlag einer Einheit, in der innovative Regulation erprobt werden kann, als auch die aktuelle Ausweitung von Finanzierungen mittels Pauschalbeträgen zu begrüßen.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Ruppert Stüwe ist Mitglied im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung. Zu seinen forschungspolitischen Schwerpunkten gehören der Umgang mit Forschungsdaten, Außenwissenschaftspolitik und Forschungssicherheit sowie die Hochschulmedizin.

Wird mal wieder ein mexikanischer Drogenboss gefasst, feiern Politiker und Medien das als Erfolg im Kampf gegen die organisierte Kriminalität. Dabei haben solche Ereignisse eher einen gegenteiligen Effekt, wie der Mathematiker Rafael Prieto-Curiel herausgefunden hat. Fehlt nach einer Verhaftung der Kopf eines Drogenkartells, entstehen mehr neue kriminelle Gruppen, die sich weiter aufspalten und auch untereinander bekämpfen. Das Ausmaß der Gewalt nehme dann sogar noch zu. Für seinen Forschungsansatz wird er auf dem Falling Walls Summit in Berlin mit dem Breakthrough-Preis in der Kategorie Sozial- und Geisteswissenschaften ausgezeichnet.
Rafael Prieto-Curiel wurde selbst in Mexiko geboren und erlebte, wie seine Heimat durch Drogenhandel, Korruption und andere Verbrechen immer unsicherer wurde. Er wollte herausfinden, warum die Gewalt trotz stärkerer Strafverfolgung, mehr Polizeieinsätzen und längerer Haftzeiten weiter zunahm. In Mexiko-Stadt studierte er Angewandte Mathematik und arbeitete fünf Jahre bei der Polizei, wo er für Prognosen der städtischen Kriminalität zuständig war. 2013 ging er nach Großbritannien, promovierte am University College London und forschte an der Oxford University, wo er sich mit kriminellen Organisationen in Lateinamerika, Gewalt sowie nachhaltiger Mobilität befasste.

Für viel Aufmerksamkeit sorgte sein Artikel im Fachmagazin Science im vergangenen Jahr. Er und sein Team hatten erstmals die Entwicklung der mexikanischen Drogenkartelle innerhalb eines Jahrzehnts analysiert. Sie stellten fest, dass alle 150 Kartelle zusammengenommen weit mehr Mitglieder rekrutieren als sie verlieren. Trotz Tausender Verhaftungen im Jahr wuchsen sie zwischen 2012 und 2022 von 115.000 auf 175.000 Mitglieder an, was sie zum fünftgrößten “Arbeitgeber” des Landes mache.
Der Algorithmus lieferte auch eine Prognose: Konzentriere sich die Politik weiterhin allein auf Verhaftungen, würden die Kartelle bis 2027 um 26 Prozent wachsen, was auf der Basis des mathematischen Modells zu 40 Prozent mehr Todesopfern führen würde.
Prieto-Curiels Fazit: Die einzige Möglichkeit, aus dem Kreislauf der Gewalt auszubrechen, bestehe darin, die Rekrutierung neuer Mitglieder zu verhindern. “Die meisten werden als Teenager im Alter zwischen 14 und 17 angeworben”, sagte der Mathematiker im Podcast von Science. “Die Hälfte von ihnen wird in zehn Jahren entweder im Gefängnis sitzen oder tot sein.” Die Verherrlichung der Macht und des Reichtums der Drogenbosse – auch durch Netflix-Serien wie “Narcos” – führe dazu, dass sie für junge Leute aus armen Verhältnissen vor allem auf dem Land und in kleineren Städten attraktiv erscheinen.
Seit Mai 2022 forscht Prieto-Curiel am Complexity Science Hub in Wien. Dort versuchen Forschende mit den Mitteln der Komplexitätsforschung aus großen Datenmengen sinnvolles Wissen für die Gesellschaft zu gewinnen. Prieto-Curiel entwickelte zum Beispiel ein mathematisches Modell, um vorherzusagen, wohin Menschen migrieren, wenn sie ihr Herkunftsland verlassen. Er analysierte Zahlen über Menschen in Österreich, die aus verschiedenen Herkunftsländern stammen, darunter vor allem aus der Ukraine, Deutschland, Syrien und Serbien. Es zeigte sich: Entscheidender als die Nähe zur ursprünglichen Heimat ist, ob an einem Ort bereits eine Diaspora der eigenen Nationalität vorhanden ist.
“Seit der Schule ist Mathematik mein Werkzeug”, sagt Prieto-Curiel. “Wenn ich ein Problem sehe, will ich es gleich mathematisch analysieren.” Das schätzen auch große internationale Organisationen wie die OECD und die Weltbank, für die Prieto-Curiel immer wieder tätig ist. Er berät sie in Fragen der städtischen Kriminalität und Gewalt aus wissenschaftlicher Sicht. Alice Ahlers
“Breaking the Wall of Drug Cartel Analysis” lautet der Titel von Rafael Prieto-Curiels Kurzvortrag am 9. November 2024 um 14.55 Uhr beim Falling Walls Science Summit in Berlin. Das Programm des Summit finden Sie hier, weitere Porträts der Table.Briefings-Reihe “Breakthrough-Minds” lesen Sie hier.
Cecilia G. Flocco vom Leibniz-Institut DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH wurde in den Vorstand der Europäischen Mikrobiologischen Vereinigungen (Federation of European Microbiological Societies, FEMS) gewählt. Die Braunschweiger Forscherin, die an der Schnittstelle zwischen Biowissenschaften, Wissenschaftspolitik und Diplomatie arbeitet, tritt ihr Amt zum 1. Januar 2025 an.
Martin Keller, Direktor des US-amerikanischen National Renewable Energy Laboratory (NREL), wird neuer Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft. Der Mikrobiologe tritt sein Amt als Nachfolger von Otmar D. Wiestler am 1. November 2025 an. Mehr über Martin Keller und seine Pläne lesen Sie hier.
Ulrike Machold wird neue Vizepräsidentin der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT). Die Veterinärmedizinerin, die seit 2014 an der HSWT lehrt, tritt ihr Amt als Ständige Vertretung des Präsidenten am Campus Triesdorf am 1. Januar 2025 an.
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