Mitte 2021 erreichten die ersten Briefe von Projektträgern des Bundeswirtschaftsministeriums die außeruniversitären, unabhängigen und industrienahen Forschungsinstitute (IFE) der Innovationsallianz Baden-Württemberg (InnBW). Sie wurden aufgefordert, sich künftig auch bei der Bezahlung ihres Leitungspersonals an die Vorgaben des Besserstellungsverbots zu halten, sonst würden sie nicht mehr an den Forschungsprogrammen des Bundes teilnehmen können.
So schildert es die Geschäftsführerin des InnBW, Anke Fellmann. Das deckt sich mit Aussagen von Instituten aus Ost- und Westdeutschland, die etwa in der Zuse-Gemeinschaft oder der Johannes-Rau-Forschungsgemeinschaft (JRF) vertreten sind. Über 100 solcher unabhängigen und außeruniversitären IFE gibt es in Deutschland. Sie forschen größtenteils an Innovationen für KMU, die sich keine eigenen Entwicklungsabteilungen leisten können, sind aber mitunter auch in Projekte mit bundesweiter Relevanz eingebunden.
Diese Institute haben jetzt ein Problem: Einerseits können sie zu Tarifgehältern kein qualifiziertes Leitungspersonal halten oder anlocken. Andererseits können sie ohne Bundesmittel den Laden in vielen Fällen gleich dichtmachen. Ende 2023 läuft eine Übergangsfrist aus, die den Instituten eingeräumt wurde.
Jetzt wollen die IFE mehr öffentlichen Druck machen. Helfen könnten dabei ein Beschluss der Länderchefs, eine Bundesratsinitiative und ein Brandbrief an die zuständigen Bundesministerien. Hinter allem steckt Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Table.Media liegt exklusiv ein Briefwechsel zwischen ihm und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) vor, der zeigt, dass die Fronten zwischen Ländern und Bund verhärtet sind. Es steht ein Showdown zu der Frage bevor, wer die IFE in Zukunft bezahlen soll.
Wir wünschen Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre,

Die grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg kritisiert in einem Brief an das Bundesfinanzministerium eine Situation, die für unabhängige Forschungsinstitute durch die aktuelle Praxis beim Besserstellungsverbot “in Teilen existenzbedrohend” sei. Durch eine geänderte Verwaltungspraxis sei es für die IFE nicht mehr möglich, dem Leitungspersonal marktübliche Konditionen zu zahlen. Damit sei ein wichtiger Innovationsfaktor vor allem für kleine und mittlere Unternehmen in Gefahr.
Das geht aus einem Schreiben hervor, das Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann an Bundesfinanzminister Christian Lindner adressiert hat und das Table.Media jetzt exklusiv vorliegt.
In dem Brief, der zur Kenntnis auch an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) versendet wurde, drängt Kretschmann gemeinsam mit seiner Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) auf eine langfristige Lösung. Als Möglichkeiten dafür schlägt die Landesregierung auf Anfrage eine Gleichstellung mit institutionellen Wissenschaftseinrichtungen wie der Fraunhofer-Gesellschaft im Wissenschaftsfreiheitsgesetz oder eine entsprechende Ergänzung im Bundeshaushaltsgesetz vor.
Nach Informationen von Table.Media bereitet Baden-Württemberg zudem eine Bundesratsinitiative vor, die das gleiche Ziel verfolgt. Eine Sprecherin aus dem Wirtschaftsministerium in Baden-Württemberg kommentiert auf Nachfrage: “Die Landesregierung befindet sich zurzeit in Abstimmung, was die weiteren Schritte anbelangt.” Ziel sei eine zügige und nachhaltige Lösung für die Forschungseinrichtungen.
Bereits auf der Konferenz der Regierungschefs am 16. März hatten die Länder – auf Initiative von Baden-Württemberg – die Bundesregierung in einem gemeinsamen Beschluss dazu aufgefordert, “einen langfristig tragfähigen Rechtsrahmen” für die IFE zu schaffen. Er solle “den betroffenen Forschungs- und Transfereinrichtungen Wettbewerbsfähigkeit auf dem Fachkräftemarkt und Teilnahme an innovationsbezogenen Bundesprogrammen mit geringstmöglichem Bürokratieaufwand” ermöglichen, so die Länderchefs.
Anfang des Jahres hatten auch die Sprecher der Landesgruppen-Ost der Ampel-Parteien einen Brief an das BMWK, das BMBF und das BMF geschickt. Darin hatten sie auf die aus ihrer Sicht besonders prekäre Lage in den ostdeutschen Bundesländern hingewiesen. Hier sei die Wirtschaft noch kleinteiliger und die Unternehmen daher bei Innovationsaktivitäten auf externe Hilfe angewiesen.
In seinem Schreiben betont Grünen-Politiker Kretschmann die Bedeutung der außeruniversitären wirtschaftsnahen Forschung für die kleinen und mittleren Unternehmen, gerade im Hinblick auf aktuelle Herausforderungen wie die Energiewende, den Klimaschutz oder den russischen Angriffskrieg. Die unabhängigen Institute würden in Baden-Württemberg “seit Jahrzehnten einen Schwerpunkt der Innovationspolitik” bilden und seien dort ein Erfolgsmodell des Technologietransfersystems.
Die Institute übernehmen häufig Forschungsaufgaben für KMU, die sich eine eigene Entwicklungs- oder Innovationsabteilung nicht leisten können. Zentraler Punkt der Kritik ist die neue Verwaltungspraxis verschiedener Bundesministerien, vor allem des BMWK und des BMBF. Diese hatten nach Aussage von Interessensverbänden der IFE über ihre Projektträger seit Mitte 2021 deutlich gemacht, dass IFE, die hauptsächlich mit Bundesmitteln finanziert werden und ihr Leitungspersonal außertariflich bezahlen, in Zukunft von der Teilnahme an Bundesforschungsprogrammen ausgeschlossen werden.
Nach Protesten der Länder wurde ins Haushaltsgesetz für 2023 eine Übergangsfrist bis zum Ende des Jahres aufgenommen. Für die Zeit danach müssen für jeden Einzelfall Ausnahmen über das BMF beantragt werden. In seiner Antwort an Winfried Kretschmann, die Table.Media ebenfalls exklusiv vorliegt, weist Christian Lindner genau darauf hin: “Mein Haus hat […] angesichts der Vielzahl der in den zuständigen Förderressorts aufgelaufenen Anträge eine zweimalige Fristverlängerung (für die Jahre 2022 und 2023, Anm. d. Red.) akzeptiert, -um Förderlücken zu vermeiden, und damit einen fairen und pragmatischen Umgang mit der entstandenen Situation an den Tag gelegt.”
Eine Neuregelung im Haushaltsgesetz 2023 sehe zudem vor, erklärt Lindner, dass für Institute, die hauptsächlich mit Landesmitteln finanziert werden, keine Prüfung des Besserstellungsverbots auf Bundesebene notwendig ist. Dies könne seit diesem Jahr das Land selbst regeln. Das löse das Problem aber für kaum eines der betroffenen Institute in Deutschland, sagt Anke Fellmann, Geschäftsführerin der Innovationsallianz Baden-Württemberg (InnBW), einer Vereinigung von unabhängigen IFE. Die meisten Institute seien hauptsächlich von Bund und EU gefördert. Wegen der sich jährlich ändernden Finanzierungsstruktur sei dies ohnehin kein langfristiger Lösungsansatz.
Angesichts der “Arbeitsmarktlage und hohen wirtschaftlichen Risiken”, die das Leitungspersonal trage und “die nicht über tarifliche Einstufungen abgebildet werden könnten”, hält die Landesregierung in Baden-Württemberg generelle Ausnahmen vom Besserstellungsverbot für das Leitungspersonal für “sachgerecht”.
Unverständnis äußert Kretschmann darüber, dass das Bundesfinanzministerium trotz zahlreicher Ausnahmeanträge bisher untätig geblieben sei: “Eine weitere Verzögerung der Entscheidung, über die teilweise seit Wochen und Monaten vorliegenden Anträge, ist den Betroffenen nicht zuzumuten und daher zu vermeiden”, heißt es in dem Brief. Lindner antwortet ihm, dass das BMF Anträge “in der Regel recht zügig” bearbeiten würde. Auf Nachfrage erklärt ein Sprecher des Ministeriums dazu: “Für das Bundesministerium der Finanzen können wir Ihnen mitteilen, dass hier vorliegende vollständige und entscheidungsreife, also hinreichend mit Informationen unterlegte Anträge, zeitnah entschieden werden”. Offene Anträge lägen nicht vor.
Dem widerspricht Anke Fellmann von InnBW entschieden. “Deutschlandweit haben zahlreiche Institute Ausnahmeanträge gestellt und diese mit Unterstützung von Juristen umfassend ausgearbeitet. Die ersten Anträge wurden im Frühjahr 2022 gestellt. Nach unseren Informationen gibt es bislang auf keinen der Ausnahmeanträge eine Entscheidung des BMF.”
Es seien auch keine Ergänzungen oder weiterführende Informationen vom BMF nachgefordert worden, die darauf hinweisen würden, dass die Anträge nicht vollständig oder entscheidungsreif seien. Auf eine Kleine Anfrage der Unionsfraktion, hatte die Bundesregierung im März bestätigt, dass allein beim BMWK bereits 44 Ausnahmeanträge von unabhängigen IFE beim BMWK eingegangen sind, von denen nach einer Vorprüfung bereits 40 Anträge an das BMF weitergeleitet seien.
In diesem Schreiben hatte die Bundesregierung auch dem Vorschlag eine Absage erteilt, Ausnahmen für unabhängige IFE über das Wissenschaftsfreiheitsgesetz zu regeln: “Das Wissenschaftsfreiheitsgesetz ist auf bundesfinanzierte institutionell geförderte Wissenschaftseinrichtungen ausgerichtet”, hieß es damals. Im Gegensatz zu den IFE seien die Bund-Länder institutionell geförderten außeruniversitären Forschungseinrichtungen einem “wissenschaftsadäquaten Controlling unterworfen und verfügen regelmäßig über Überwachungsorgane, über die dem öffentlichen Zuwendungsgeber in der Überwachung der operativen Geschäftsführung ein wesentlicher Einfluss eingeräumt ist.”
Angesichts der aktuellen Steuerverschwendungs-Vorwürfe gegenüber der Fraunhofer-Gesellschaft sei diese Antwort fast zynisch, erklärt dazu Anke Fellmann. Das BMBF nehme eine Zwei-Klassen-Gesellschaft in der Forschung wissentlich in Kauf, sagt Fellmann. In zahlreichen Hintergrundgesprächen seien ihr in den vergangen zwei Jahren schnelles Handeln und langfristige Reglungen versprochen worden. Seitdem sei aber nichts passiert, “dass uns einer Lösung nähergebracht hätte”, sagt Fellmann.
Von ähnlichen Erfahrungen berichtet auch ihre Kollegin aus Nordrhein-Westfalen, Ramona Fels, Geschäftsführerin der Johannes-Rau-Forschungsgemeinschaft. Das sei vor allem deswegen so unverständlich, weil der Bund “keinen einzigen Cent durch die veränderte Praxis spart”. Die unabhängigen IFE seien ohnehin nur über Projektmittel des Bundes finanziert gewesen. Für die Mitarbeiter in diesen Projekten sei das Besserstellungsverbot immer konsequent angewendet worden.
Konkrete Auswirkungen der “Hinhaltetaktik” seien bereits spürbar, so Fellmann: “Wir hatten schon den Fall, dass eines unserer Institute aus der Planungsphase eines Verbundförderprojekts geflogen ist, weil den Verbundpartnern das Risiko zu hoch war, dass es am Ende keine Fördermittel gibt.” Ramona Fels berichtet über erste personelle Konsequenzen. So hätten kürzlich zwei Institutsleiter, die ihre Position seit 20 Jahren bekleiden, halbjährige Verträge unterschreiben müssen, weil eine längere Vertragsdauer aufgrund fehlender Planbarkeit nicht möglich war: “Ein anderes Institut steht bereits ohne kaufmännischen Geschäftsführer da, weil dieser aufgrund der unsicheren Situation gegangen ist”, sagt Ramona Fels.
Die beiden Interessensvertreterinnen sind sich einig, dass die IFE endlich wieder eine langfristige, verbindliche Lösung brauchen. “Aus unserer Sicht könnte man auch einfach zu der vorher gelebten Verwaltungspraxis zurückkehren”, sagt Anke Fellmann. Nach ihren Informationen haben sich die verschärften Maßgaben der Projektträger im Jahr 2021 ergeben, weil Verwaltungsjuristen in den Bundesministerien die Rechtspraxis plötzlich anders ausgelegt hätten. Diese juristische Perspektive sei laut Experten keinesfalls alternativlos.
Mitte 2021 erreichten die ersten Briefe von Projektträgern des Bundeswirtschaftsministeriums die außeruniversitären, unabhängigen und industrienahen Forschungsinstitute (IFE) der Innovationsallianz Baden-Württemberg (InnBW). Sie wurden aufgefordert, sich künftig auch bei der Bezahlung ihres Leitungspersonals an die Vorgaben des Besserstellungsverbots zu halten, sonst würden sie nicht mehr an den Forschungsprogrammen des Bundes teilnehmen können.
So schildert es die Geschäftsführerin des InnBW, Anke Fellmann. Das deckt sich mit Aussagen von Instituten aus Ost- und Westdeutschland, die etwa in der Zuse-Gemeinschaft oder der Johannes-Rau-Forschungsgemeinschaft (JRF) vertreten sind. Über 100 solcher unabhängigen und außeruniversitären IFE gibt es in Deutschland. Sie forschen größtenteils an Innovationen für KMU, die sich keine eigenen Entwicklungsabteilungen leisten können, sind aber mitunter auch in Projekte mit bundesweiter Relevanz eingebunden.
Diese Institute haben jetzt ein Problem: Einerseits können sie zu Tarifgehältern kein qualifiziertes Leitungspersonal halten oder anlocken. Andererseits können sie ohne Bundesmittel den Laden in vielen Fällen gleich dichtmachen. Ende 2023 läuft eine Übergangsfrist aus, die den Instituten eingeräumt wurde.
Jetzt wollen die IFE mehr öffentlichen Druck machen. Helfen könnten dabei ein Beschluss der Länderchefs, eine Bundesratsinitiative und ein Brandbrief an die zuständigen Bundesministerien. Hinter allem steckt Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Table.Media liegt exklusiv ein Briefwechsel zwischen ihm und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) vor, der zeigt, dass die Fronten zwischen Ländern und Bund verhärtet sind. Es steht ein Showdown zu der Frage bevor, wer die IFE in Zukunft bezahlen soll.
Wir wünschen Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre,

Die grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg kritisiert in einem Brief an das Bundesfinanzministerium eine Situation, die für unabhängige Forschungsinstitute durch die aktuelle Praxis beim Besserstellungsverbot “in Teilen existenzbedrohend” sei. Durch eine geänderte Verwaltungspraxis sei es für die IFE nicht mehr möglich, dem Leitungspersonal marktübliche Konditionen zu zahlen. Damit sei ein wichtiger Innovationsfaktor vor allem für kleine und mittlere Unternehmen in Gefahr.
Das geht aus einem Schreiben hervor, das Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann an Bundesfinanzminister Christian Lindner adressiert hat und das Table.Media jetzt exklusiv vorliegt.
In dem Brief, der zur Kenntnis auch an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) versendet wurde, drängt Kretschmann gemeinsam mit seiner Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) auf eine langfristige Lösung. Als Möglichkeiten dafür schlägt die Landesregierung auf Anfrage eine Gleichstellung mit institutionellen Wissenschaftseinrichtungen wie der Fraunhofer-Gesellschaft im Wissenschaftsfreiheitsgesetz oder eine entsprechende Ergänzung im Bundeshaushaltsgesetz vor.
Nach Informationen von Table.Media bereitet Baden-Württemberg zudem eine Bundesratsinitiative vor, die das gleiche Ziel verfolgt. Eine Sprecherin aus dem Wirtschaftsministerium in Baden-Württemberg kommentiert auf Nachfrage: “Die Landesregierung befindet sich zurzeit in Abstimmung, was die weiteren Schritte anbelangt.” Ziel sei eine zügige und nachhaltige Lösung für die Forschungseinrichtungen.
Bereits auf der Konferenz der Regierungschefs am 16. März hatten die Länder – auf Initiative von Baden-Württemberg – die Bundesregierung in einem gemeinsamen Beschluss dazu aufgefordert, “einen langfristig tragfähigen Rechtsrahmen” für die IFE zu schaffen. Er solle “den betroffenen Forschungs- und Transfereinrichtungen Wettbewerbsfähigkeit auf dem Fachkräftemarkt und Teilnahme an innovationsbezogenen Bundesprogrammen mit geringstmöglichem Bürokratieaufwand” ermöglichen, so die Länderchefs.
Anfang des Jahres hatten auch die Sprecher der Landesgruppen-Ost der Ampel-Parteien einen Brief an das BMWK, das BMBF und das BMF geschickt. Darin hatten sie auf die aus ihrer Sicht besonders prekäre Lage in den ostdeutschen Bundesländern hingewiesen. Hier sei die Wirtschaft noch kleinteiliger und die Unternehmen daher bei Innovationsaktivitäten auf externe Hilfe angewiesen.
In seinem Schreiben betont Grünen-Politiker Kretschmann die Bedeutung der außeruniversitären wirtschaftsnahen Forschung für die kleinen und mittleren Unternehmen, gerade im Hinblick auf aktuelle Herausforderungen wie die Energiewende, den Klimaschutz oder den russischen Angriffskrieg. Die unabhängigen Institute würden in Baden-Württemberg “seit Jahrzehnten einen Schwerpunkt der Innovationspolitik” bilden und seien dort ein Erfolgsmodell des Technologietransfersystems.
Die Institute übernehmen häufig Forschungsaufgaben für KMU, die sich eine eigene Entwicklungs- oder Innovationsabteilung nicht leisten können. Zentraler Punkt der Kritik ist die neue Verwaltungspraxis verschiedener Bundesministerien, vor allem des BMWK und des BMBF. Diese hatten nach Aussage von Interessensverbänden der IFE über ihre Projektträger seit Mitte 2021 deutlich gemacht, dass IFE, die hauptsächlich mit Bundesmitteln finanziert werden und ihr Leitungspersonal außertariflich bezahlen, in Zukunft von der Teilnahme an Bundesforschungsprogrammen ausgeschlossen werden.
Nach Protesten der Länder wurde ins Haushaltsgesetz für 2023 eine Übergangsfrist bis zum Ende des Jahres aufgenommen. Für die Zeit danach müssen für jeden Einzelfall Ausnahmen über das BMF beantragt werden. In seiner Antwort an Winfried Kretschmann, die Table.Media ebenfalls exklusiv vorliegt, weist Christian Lindner genau darauf hin: “Mein Haus hat […] angesichts der Vielzahl der in den zuständigen Förderressorts aufgelaufenen Anträge eine zweimalige Fristverlängerung (für die Jahre 2022 und 2023, Anm. d. Red.) akzeptiert, -um Förderlücken zu vermeiden, und damit einen fairen und pragmatischen Umgang mit der entstandenen Situation an den Tag gelegt.”
Eine Neuregelung im Haushaltsgesetz 2023 sehe zudem vor, erklärt Lindner, dass für Institute, die hauptsächlich mit Landesmitteln finanziert werden, keine Prüfung des Besserstellungsverbots auf Bundesebene notwendig ist. Dies könne seit diesem Jahr das Land selbst regeln. Das löse das Problem aber für kaum eines der betroffenen Institute in Deutschland, sagt Anke Fellmann, Geschäftsführerin der Innovationsallianz Baden-Württemberg (InnBW), einer Vereinigung von unabhängigen IFE. Die meisten Institute seien hauptsächlich von Bund und EU gefördert. Wegen der sich jährlich ändernden Finanzierungsstruktur sei dies ohnehin kein langfristiger Lösungsansatz.
Angesichts der “Arbeitsmarktlage und hohen wirtschaftlichen Risiken”, die das Leitungspersonal trage und “die nicht über tarifliche Einstufungen abgebildet werden könnten”, hält die Landesregierung in Baden-Württemberg generelle Ausnahmen vom Besserstellungsverbot für das Leitungspersonal für “sachgerecht”.
Unverständnis äußert Kretschmann darüber, dass das Bundesfinanzministerium trotz zahlreicher Ausnahmeanträge bisher untätig geblieben sei: “Eine weitere Verzögerung der Entscheidung, über die teilweise seit Wochen und Monaten vorliegenden Anträge, ist den Betroffenen nicht zuzumuten und daher zu vermeiden”, heißt es in dem Brief. Lindner antwortet ihm, dass das BMF Anträge “in der Regel recht zügig” bearbeiten würde. Auf Nachfrage erklärt ein Sprecher des Ministeriums dazu: “Für das Bundesministerium der Finanzen können wir Ihnen mitteilen, dass hier vorliegende vollständige und entscheidungsreife, also hinreichend mit Informationen unterlegte Anträge, zeitnah entschieden werden”. Offene Anträge lägen nicht vor.
Dem widerspricht Anke Fellmann von InnBW entschieden. “Deutschlandweit haben zahlreiche Institute Ausnahmeanträge gestellt und diese mit Unterstützung von Juristen umfassend ausgearbeitet. Die ersten Anträge wurden im Frühjahr 2022 gestellt. Nach unseren Informationen gibt es bislang auf keinen der Ausnahmeanträge eine Entscheidung des BMF.”
Es seien auch keine Ergänzungen oder weiterführende Informationen vom BMF nachgefordert worden, die darauf hinweisen würden, dass die Anträge nicht vollständig oder entscheidungsreif seien. Auf eine Kleine Anfrage der Unionsfraktion, hatte die Bundesregierung im März bestätigt, dass allein beim BMWK bereits 44 Ausnahmeanträge von unabhängigen IFE beim BMWK eingegangen sind, von denen nach einer Vorprüfung bereits 40 Anträge an das BMF weitergeleitet seien.
In diesem Schreiben hatte die Bundesregierung auch dem Vorschlag eine Absage erteilt, Ausnahmen für unabhängige IFE über das Wissenschaftsfreiheitsgesetz zu regeln: “Das Wissenschaftsfreiheitsgesetz ist auf bundesfinanzierte institutionell geförderte Wissenschaftseinrichtungen ausgerichtet”, hieß es damals. Im Gegensatz zu den IFE seien die Bund-Länder institutionell geförderten außeruniversitären Forschungseinrichtungen einem “wissenschaftsadäquaten Controlling unterworfen und verfügen regelmäßig über Überwachungsorgane, über die dem öffentlichen Zuwendungsgeber in der Überwachung der operativen Geschäftsführung ein wesentlicher Einfluss eingeräumt ist.”
Angesichts der aktuellen Steuerverschwendungs-Vorwürfe gegenüber der Fraunhofer-Gesellschaft sei diese Antwort fast zynisch, erklärt dazu Anke Fellmann. Das BMBF nehme eine Zwei-Klassen-Gesellschaft in der Forschung wissentlich in Kauf, sagt Fellmann. In zahlreichen Hintergrundgesprächen seien ihr in den vergangen zwei Jahren schnelles Handeln und langfristige Reglungen versprochen worden. Seitdem sei aber nichts passiert, “dass uns einer Lösung nähergebracht hätte”, sagt Fellmann.
Von ähnlichen Erfahrungen berichtet auch ihre Kollegin aus Nordrhein-Westfalen, Ramona Fels, Geschäftsführerin der Johannes-Rau-Forschungsgemeinschaft. Das sei vor allem deswegen so unverständlich, weil der Bund “keinen einzigen Cent durch die veränderte Praxis spart”. Die unabhängigen IFE seien ohnehin nur über Projektmittel des Bundes finanziert gewesen. Für die Mitarbeiter in diesen Projekten sei das Besserstellungsverbot immer konsequent angewendet worden.
Konkrete Auswirkungen der “Hinhaltetaktik” seien bereits spürbar, so Fellmann: “Wir hatten schon den Fall, dass eines unserer Institute aus der Planungsphase eines Verbundförderprojekts geflogen ist, weil den Verbundpartnern das Risiko zu hoch war, dass es am Ende keine Fördermittel gibt.” Ramona Fels berichtet über erste personelle Konsequenzen. So hätten kürzlich zwei Institutsleiter, die ihre Position seit 20 Jahren bekleiden, halbjährige Verträge unterschreiben müssen, weil eine längere Vertragsdauer aufgrund fehlender Planbarkeit nicht möglich war: “Ein anderes Institut steht bereits ohne kaufmännischen Geschäftsführer da, weil dieser aufgrund der unsicheren Situation gegangen ist”, sagt Ramona Fels.
Die beiden Interessensvertreterinnen sind sich einig, dass die IFE endlich wieder eine langfristige, verbindliche Lösung brauchen. “Aus unserer Sicht könnte man auch einfach zu der vorher gelebten Verwaltungspraxis zurückkehren”, sagt Anke Fellmann. Nach ihren Informationen haben sich die verschärften Maßgaben der Projektträger im Jahr 2021 ergeben, weil Verwaltungsjuristen in den Bundesministerien die Rechtspraxis plötzlich anders ausgelegt hätten. Diese juristische Perspektive sei laut Experten keinesfalls alternativlos.