Analyse

Baerbocks abgebrochene Reise: Ein schwerer Rückschlag für die deutsche Außenpolitik

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Veröffentlicht: 15.08.2023,
Letzte Aktualisierung: 28.05.2025

Am Boden: Annalena Baerbock spricht im defekten Regierungsflieger mit Journalisten (Bild: Florian Gärtner / Imago)
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In der Nacht zum Dienstag, morgens gegen sechs Uhr in Abu Dhabi, war der maximale Schaden für die deutsche Diplomatie perfekt: Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und ihr Team entschieden, die geplante Reise nach Australien, Neuseeland und Fidschi abzubrechen. Technische und logistische Probleme hatten der deutschen Außenpolitik und ihrer Ministerin einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht.

Die Blamage hatte sich gegen 1 Uhr morgens angekündigt: Auch beim zweiten Versuch, mit dem Airbus 16-01 aus der Flugbereitschaft der Luftwaffe vom Zwischenstopp in der Vereinigten Arabischen Emiraten nach Australien zu starten, versagte eine wichtige Funktion des Flugzeugs: Wie schon 24 Stunden zuvor ließen sich die Landeklappen, die die Tragflächen vergrößern und dem Flugzeug bei Start und Landung helfen, nicht mehr einfahren. Der Flug musste wie am Vortag abgebrochen werden. Noch einmal wurden 80 Tonnen Kerosin in die Luft versprüht, ehe der Flieger mit Baerbock und ihrer Delegation von etwa 60 Begleitern wieder sicher im Wüstenstaat Vereinigte Arabische Emirate (VAE) landen konnte.

Der Airbus der Luftwaffe war damit bis zur endgültigen Klärung der Ursachen nicht mehr als Transportmittel zu gebrauchen. Weitere Regierungsflieger standen nicht zur Verfügung. Der ursprüngliche Plan, mit Linienflügen ein abgespecktes Programm im Indopazifik zu bestreiten, wurde dann im Morgengrauen von Abu Dhabi aufgegeben: Zu unsicher, zu spät, zu umständlich, zu teuer. Großer Frust machte sich breit bei der Ministerin und ihrem Stab, die diese Reise monatelang vorbereitet hatten.

Der Vorfall ist auf vielen Ebenen ein herber Rückschlag für die deutsche Außenpolitik und die deutsche Außenministerin. Für ihre Diplomatie, ihre Klimapolitik und den Ruf Deutschlands in der Welt:

  • Die viertgrößte Industrienation der Welt schafft es nicht, ihre Außenministerin zu einer sorgfältig vorbereitenten Reise in eine strategisch wichtige Weltregion zu bringen. Gerade im Indopazifik wollte Baerbock kurz nach der Veröffentlichung ihrer Chinastrategie Flagge zeigen: Die westlichen Verbündeten in Australien und Neuseeland unterstützen und sich über die Fortschritte beim Einsatz gegen Cyberkriminalität und über Gegenstrategien zur chinesischen Expansionspolitik informieren.
  • Der Ruf der Ingenieursnation Deutschland, weltweit schon durch den VW-Skandal angeknackst, bekommt eine weitere Schramme. Die Fehlfunktion der Landeklappen im europäischen Vorzeigeprodukt Airbus waren selbst dem erfahrenen Flugkapitän und auch der Lufthansa ein Rätsel. Dabei waren bei einem Testflug am Montagabend die Probleme nicht wieder aufgetreten – sie zeigten sich nur bei vollbesetzer und vollgetankter Maschine. Technisch blieb die Ursache bis zum Schluss ein Rätsel – keine gute Werbung für das „Land der Tüftler“.
  • Auch erfahrene Diplomaten im Auswärtigen Amt erinnern sich nicht, dass es das schon einmal gab: Ein hochrangiges Regierungsmitglied muss eine wichtige Reise aus technisch/logistischen Gründen abbrechen. Und so schnell kommt eine wichtige Figur des Bundeskabinetts nicht wieder in den Südostpazifik, um in einer der geostrategisch wichtigsten Regionen deutsche Präsenz zu zeigen: Beim gemeinsamen Vorgehen gegen China und Russland und bei der Bekämpfung des Klimawandels.
  • Deutschland verliert an „Soft Power“: Die Regierung muss auch die geplante Rückgabe von Artefakten an Vertreter der indigenen Aborignies in Australien verschieben. An Bord des havarierten Airbus waren Gegenstände aus deutschen Museen, die der indigenen Bevölkerung Australiens gehörten, etwa ein Speer und Keulen. Diese erste Rückgabe von indigenen Artefakten sollte ein Zeichen setzen und das Bewusstsein für das kolonialistische Erbe auch in Deutschland voranbringen.
  • Deutschland verpasst die Chance, mit hochrangiger Präsenz von Außenministerin und Medientross eine neue Botschaft in der Republik Fidschi zu eröffnen. Das sollte ein wichtiger Baustein im Rahmen von Baerbocks „Klimaaußenpolitik“ sein. Fidschi war mit Bedacht für die seltene Eröffnung einer neuen deutschen Außenvertretung gewählt worden. Als vom Klimawandel besonders bedrohter Inselstaat und als Gastgeber der Klimakonferenz COP23 in Bonn 2017. Die Eröffnung sollte anschaulich zeigen, wie die Klimaaußenpolitik die Organisation des Auswärtigen Dienstes verändert – unter anderem dadurch, dass alle wichtigen Botschaften die Klimapolitik ihrer Gastländer genau beobachten und unterstützen.
  • Annalena Baerbock musste wichtiges politisches Kapital einsetzen, um sich in einer Notlage von den Vereinigten Arabischen Emiraten helfen zu lassen. Beim ersten ungeplanten längeren Aufenthalt sprach sie auch mit dem Außenminister des Landes. Eigentlich aber will Deutschland die Gastgeber der nächsten Klima-COP im Dezember zu mehr Anstrengungen drängen und Fortschritte bei Klima- und Menschenrechtsfragen einfordern. Mit Baerbocks aktueller „Dankesschuld“ wird das dem arabischen Land gegenüber nun nicht einfacher.

Nicht hilfreich für den Anspruch Deutschlands als Öko-Vorreiter war auch das zweimalige Ablassen von 80 Tonnen Kerosin vor der Landung des defekten Regierungs-Airbus. In den sozialen Medien sorgte das für Unmut und hämische Kommentare. Da störte es auch nicht, dass es internationaler Sicherheitsstandard in der Fliegerei ist, Tanks vor einer ungeplanten Landung zu entleeren. Oder dass diese Schadstoffmenge im Vergleich zu den Emissionen der Öl- und Gasfelder, über denen der Airbus rund um Abu Dhabi schwebte, absolut nicht ins Gewicht fallen. 

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