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Geopolitik

Wie wir Amerika wieder für Europa begeistern können

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Von Experts

Veröffentlicht: 27.02.2025,
Letzte Aktualisierung: 28.05.2025

Von Wolfgang Ischinger

Wolfgang Ischinger, ehemaliger Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC)

Vor fast genau 30 Jahren, in der März-April Ausgabe von Foreign Affairs, veröffentlichte Richard Holbrooke einen Aufsatz mit der Überschrift: “ America, A European Power“. Wohlgemerkt: ohne Fragezeichen! 

Der damalige Kernsatz,, hier ins Deutsche übersetzt, lautete wie folgt: „Im 21. Jahrhundert wird Europa weiterhin die aktive amerikanische Präsenz und Beteiligung brauchen, die ein notwendiges Element der machtpolitischen Stabilität des Kontinents in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gewesen ist.“ Eine kluge Prognose, der auch 30 Jahre später wenig hinzuzufügen ist. Bleibt zu hoffen, dass das auch im Trumpschen Weißen Haus so gesehen wird. 

Welche Argumente stützen wohl heute auf beiden Seiten des Atlantiks die Forderung nach fortgesetztem Engagement der USA in Europa, insbesondere, aber nicht nur durch die Nato? 

  1. In den neunziger Jahren gab es Stimmen auf beiden Seiten des Atlantiks, die dafür plädierten, nach dem Ende des Warschauer Pakts auch das NATO-Bündnis allmählich aufzugeben. Seit Beginn der revisionistischen Ära der Russischen Föderation, also spätestens seit 2014, können wir mit einem Seufzer der Erleichterung feststellen, dass es das nordatlantische Bündnis nicht nur weiterhin gibt, sondern dass es sowohl an innerer Kohäsion wie an Mitgliederzahl und Abschreckungsmacht weiter gewachsen ist.
  2. Dass die Ukraine den russischen Großangriff von Ende Februar 2022 abwehren und Überleben konnte, ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika in der ersten Amtszeit von Donald Trump die ersten waren, die der Ukraine sogenannte „lethal Weapons“ also tödliche Waffensysteme, geliefert haben. In diesem Fall handelte es sich um die Panzerabwehrwaffe Javelin. Ohne den Einsatz der Javelin hätte es den russischen Kräften womöglich gelingen können, Kiew innerhalb von wenigen Tagen – so wie ursprünglich geplant – einzunehmen. Es ist deshalb nicht abwegig zu argumentieren, dass die Ukraine ihr Überleben in den kritischen Tagen des Frühjahrs 2022 nicht zuletzt der Unterstützung durch die erste Trump-Administration verdankt.
  3. Nach der Annexion der Krim und angesichts der beginnenden Konflikte in der Ost-Ukraine, entschied die damalige amerikanische Regierung, die Auseinandersetzung mit Russland und dem Ukraine-Konflikt den Europäern zu überlassen. Stichworte sind Minsk und Normandie-Format. Leider führte dieser amerikanische Führungsverzicht nicht zum Erfolg, sondern ermunterte anscheinend die russische Seite nur zur weiteren Eskalation bis hin zu der Invasion im Februar 2022.

All das erinnert fatal an die Vorgänge vor 30 Jahren, als angesichts des blutigen Bosnien-Krieges von europäischer Seite die Stunde Europas ausgerufen wurde, die mit einer kompletten Bauchlandung endete. Erst durch das aktive politisch militärische Eingreifen der USA konnte dieser Krieg beendet und eine Friedensregelung schließlich mit dem Data Abkommen vom November 1995 erreicht werden.

Es ist deshalb doch erfreulich, dass die Trump Administration eben nicht den Fehler der Obama-Administration von 2014/15 wiederholt und die Auflösung des Ukraine-Kriegs an die Europäer verwiesen hat. Es ist angesichts der gemachten Erfahrungen deshalb doch erfreulich, dass die Trump-Administration sich freiwillig in die Verantwortung begibt, bei der Beendigung dieses Kriegs eine tragende Rolle zu spielen. Wer denn sonst außer der amerikanischen Regierung hätte den ersten Schritt, also eine Kontaktaufnahme mit der russischen Regierung, auf sich nehmen können oder wollen?

Allerdings wird Washington in den kommenden Verhandlungen massiv auf die europäischen Bündnispartner angewiesen sein. Welches militärische „leverage“ gegenüber Moskau hätte Washington denn bei der Beilegung dieses Kriegs, wenn nicht die gebündelte Macht der Nato-Partner zur Verfügung stünde? Die US-Armeepräsenz in Europa ist zwar in den letzten Jahren verstärkt worden – aber sie steht in keinem Verhältnis zu den Hunderttausenden von russischen Soldaten in der Ukraine bzw. in den westlichen Militärbezirken Russlands. Ergo: Washington braucht seine europäischen Partner und gibt das ja auch ganz offen zu, wenn die Bereitstellung europäischer Kräfte zur möglichen Absicherung oder Durchsetzung einer Vereinbarung ins Spiel gebracht wird. 

Im Gegenzug werden wir, die Europäer, klug genug sein, Washington den Satz aus dem US-amerikanischen Revolutionskrieg „No taxation without Representation“ in abgewandelter Form entgegenzuhalten: „keine Stationierungs-Beteiligung ohne politische Verhandlungsbeteiligung“!

Die beste und eleganteste Form, eine diplomatisch-politische Einbeziehung sowohl der Ukraine wie der europäischen Partner wie auch zum Beispiel der Türkei zu erreichen , wäre die Einrichtung des historisch vielfach bewährten Formats der Kontaktgruppe unter US-Führung. Wir dürfen Washington daran erinnern, dass dieses innovative und erfolgreiche Format eine US-Erfindung ist, auf die die USA stolz sein können. 

Der Holbrooke-Aufsatz von 1995 endet mit dem prophetischen Satz: „Die vor uns liegende Aufgabe ist genauso enorm wie die Notwendigkeit, sie anzupacken. Wer sich jetzt abwendet, wird später einen viel höheren Preis bezahlen müssen“.

Ja: wir brauchen die USA, um diesen Krieg dauerhaft zu beenden. Aber die USA werden umgekehrt Europa brauchen, um diesen Kraftakt erfolgreich leisten zu können. Es spricht deshalb wie schon 1995 alles – auch aus US-Sicht – dafür, dass Amerika auch weiterhin eine europäische Macht bleibt. 

Wolfgang Ischinger ist Professor Emeritus of Security Policy and Diplomatic Practice. Er ist Senior Fellow an der Hertie School und Founding Director des Centre for International Security. Von 2008 bis 2022 war er Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz und ist seitdem Präsident des Stiftungsrats der Stiftung Münchner Sicherheitskonferenz. 

-> Lesen Sie im Security.Table, warum Ischinger Berichte über Stoltenbergs Rückzug zurückweist.

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