Veröffentlicht: 18.02.2022,
Letzte Aktualisierung: 28.05.2025

Chinas Zahlen wecken schönste Fantasien. 1937 machte Carl Crow seinen amüsanten Ratgeber über Geschäfte im Reich der Mitte dank seinem Titel „400 Millionen Kunden“ zum Bestseller. Auch Australiens Ross Terrill gelang 1971 ein Verkaufshit. Er hatte sein Buch nur „800 Millionen“ genannt. Immer, wenn Peking mit dreistelligen Nummern lockt, lösen sie selbst bei nüchternen Zeitgenossen wie etwa die Sportmanager Karl-Heinz Rummenigge oder Thomas Bach pawlowsche Reflexe aus.
Wie viele Menschen leben in China? Nach dem von Peking alle zehn Jahre durchgeführten Zensus, für den sieben Millionen Volkszähler (zuletzt 2020) alle Haushalte landesweit aufsuchten, waren es 1,4 Milliarden.
Wirklich? Selbst ein Mao Zedong zweifelte einst. Als ihn US-Reporter Edgar Snow am 9. Januar 1965 fragte, wie groß die Bevölkerung in der Volksrepublik sei, verriet ihm der Große Vorsitzende ein Staatsgeheimnis: Ihm sei gesagt worden: „680 bis 690 Millionen.“ Aber das glaube er nicht: „Wie können wir so viele sein?“. Mit Statistiken sei es so eine besondere Sache. Bauernfamilien hätten Vorteile, wenn sie nur ihre Geburten meldeten, aber nicht alle Todesfälle.
Chinesische Zahlen werden daher oft mit dem Zusatz versehen „左右“ (links und rechts), seien also nur eine „ungefähre“ Annäherung an die Wirklichkeit. Doch es sind gerade die Superlative, die Ausländer vom Potenzial Chinas und seines Marktes schwärmen lassen.
Das gilt auch für den Sport. Anfang 2017 lud der FC Bayern München uns Korrespondenten zur Eröffnung seiner China-Vertretung in das „German Centre“ Shanghai ein. Vereinschef Karl-Heinz Rummenigge erklärte, warum sein Klub so spät in China Fuß fasse, wo doch Barcelona, Real Madrid oder Manchester United längst Flagge zeigten: Dafür habe er einen guten Grund: Seine Bayern hätten es inzwischen auf „136 Millionen Fans“ in Chinas Sozialmedien gebracht. Nun könnten sie loslegen und für „nachhaltiges Grundrauschen“ sorgen. Rummenigge sagte nicht, wie er zu den Zahlen kam. Statistisch würde sich demnach jeder zehnte Chinese für den deutschen Rekordmeister begeistern. Von so einem Verhältnis wagt der FC zu Hause nicht mal zu träumen. Mit Stand 1. Februar 2022 zählte der Verein in Deutschland 358.399 klubregistrierte Mitglieder.
Die Magie, die von Chinas schieren Massen ausgeht, wirkte auch auf IOC-Chef Thomas Bach. Nachdem er 2015 Präsident Xi Jinping getroffen hatte, erzählte er überall, Xi wollte 300 Millionen seiner Landsleute bis zum Start der Winterspiele 2022 zu aktiven Fans von Eis und Schnee machen. Bach verbreitete überall diese frohe Botschaft, als handelte es sich um die Missionierung von Ungläubigen.