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- Ehrgeizige multilaterale Abkommen sind auch in Zeiten weltweiter geopolitischer Spannungen möglich. Über der COP15 hatte ebenso wie über der Klima-COP27 im ägyptischen Sharm el Sheikh im November die Angst vor einer Lähmung der internationalen Gemeinschaft gehangen. Aber auch die Folgen von Pandemie, weltweiter Inflation, Hungerkrise und russischem Angriffskrieg haben einen erfolgreichen Abschluss nicht verhindert. Offenbar verlieren die UN-Staaten trotz schwierigen Umfelds die wichtigen Überlebensfragen nicht völlig aus dem Blick.
- Autokratische Regierungen als COP-Leitungen bevorzugen einen anderen Verhandlungsstil: Die chinesische Präsidentschaft der COP15 und die ägyptische Konferenzführung der COP27 haben ihre Rolle teilweise anders definiert als bisherige Präsidentschaften. Bislang galten meist maximale Transparenz, die Beteiligung aller Gruppen und die Akzeptanz des „party-driven process“ als höchstes Gut, also die Autonomie der Mitgliedsländer. Nun aber legten Chinesen und Ägypter deutlich weniger Zwischenergebnisse vor. Dafür gab es teilweise intransparente Verhandlungsführung, teils chaotische Organisation, offene und versteckte Konfrontation mit „unbequemen“ Ländern. Das erzeugte zwar viel Unmut – lieferten aber überraschende Ergebnisse. Auch die nächste Klima-COP wird in einem Land stattfinden, in dem keine westlich geprägte Demokratie herrscht: den Vereinigten Arabischen Emiraten.
- Die Natur wird auch für die Klima-Nerds wichtiger. Bisher haben sich die Klima-COPs hauptsächlich auf technische und politische Lösungen konzentriert. „Nature-based solutions“ waren oft ein Thema für unverbindliche Wohlfühl-Termine. Jetzt gibt es die Verpflichtungen aus dem Montreal-Abkommen, die zum ersten Mal auch mit Zahlen (30-Prozent-Ziele für Schutzgebiete, Restaurierung von zerstörten Flächen, Finanzierung) unterlegt sind. Das kann bei den Klima-Verhandlungen nicht mehr unter den Tisch fallen. Und verhandelt wurden diese Ziele oft von den gleichen Delegationen und Ministerien, die auch beim Klima am Tisch sitzen.
- Mit der Konzentration auf Natur kommen die indigenen Bevölkerungen stärker in den Blick. Ihre Rolle ist im Klima-Prozess schon angelegt, aber noch nicht besonders gewichtig. Mit dem Fokus auf den indigenen Gemeinschaften als Hüterinnen der Biodiversität wird sich die Bedeutung dieser Gruppen ändern, wenn es beispielsweise um Fragen des Kohlenstoff-Marktes bei den Klima-Gesprächen (Artikel 6-Verhandlungen) geht. Das könnte auch innerhalb der UN-Staaten zu neuen internen Konflikten führen.
- Die Verteilung von Geld spielt auch beim Naturschutz eine Hauptrolle. Aber Details sind wie in der Klimadebatte ungeklärt. Die Industriestaaten haben zwar zugesagt, ihre Hilfen auf jährlich 20 Milliarden Dollar bis 2025 praktisch zu verdreifachen. Aber ob diese Zusage eingehalten wird, ist nach der Erfahrung mit den verpassten 100 Milliarden Dollar ab 2020 im Klimabereich unsicher. Unklar ist auch weiterhin, wer wie viel an wen zu zahlen hat – und ob es Doppelzählungen mit den Klima-Milliarden geben könnte. Auch der Kreis der Geberländer wurde nicht erweitert – wie bislang bleibt es bei den Industrieländern und freiwilligen Beiträgen anderer Staaten. China hat einen eigenen Fonds zur Sicherung der Biodiversität in Entwicklungsländern mit 232 Millionen Dollar angekündigt.
- Der Abbau von umweltschädlichen Subventionen steht oben auf der Agenda. Zumindest auf dem Papier. COP15 beschloss, 500 Milliarden Dollar an staatlichen Hilfen zu überprüfen, die der Umwelt und dem Klima schaden. Was daraus folgt, ist völlig offen – auch weil schon die G7- und G20-Beschlüsse zum Abbau dieser „perversen Subventionen“ kaum umgesetzt werden. Und weil sich in der Energiekrise die Summe der staatlichen Hilfen für fossile Energien auf knapp 700 Milliarden fast verdoppelt hat.
- Die gewohnten Verhandlungsblöcke geraten in Unordnung: China als selbst ernannte Schutzmacht der G77 brüskierte in Montreal die afrikanischen Länder Demokratische Republik Kongo, Kamerun und Uganda. Bei der COP27 ließen die AOSIS-Inselstaaten erkennen, dass sie von China Hilfe bei der weltweiten Klimafinanzierung erwarten. Indien näherte sich mit seinem Vorstoß zum Auslaufen aller fossilen Energien der EU-Position an. Die Südländer-Koalition BRICS aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika zeigt seit dem russischen Krieg in der Ukraine und der Wiederwahl von Präsident Lula in Brasilien keine einheitliche Position. Multinationale Allianzen wie die „High Ambition Coalition“ über die Lager hinweg könnten je nach Interessenlage profitieren. Mitarbeit: Timo Landenberger