Standpunkt

What’s cooking in Brussels

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Veröffentlicht: 25.11.2022,
Letzte Aktualisierung: 30.05.2025

Von Claire Stam
Schwarz-weiß Portrait von Claire Stam

Café-Kultur in Brüssel. Die Temperaturen sinken – und die Zahl der Homeworker in den Cafés steigt. Sie bleiben lange, konsumieren wenig und sparen Geld: Angesichts der steigenden Strompreise, die sich innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt haben, wollen die Gäste vor allem ihre Geldbeutel entlasten. Wenn er seine Gäste fragt, ob sie lange bleiben werden, fallen die Antworten immer gleich aus, erzählt der Besitzer eines Cafés unweit des berühmten Place Flagey. Sie tun es, weil es schöner ist, als zu Hause zu bleiben und auch billiger. Ähnliche ist die Situation auch in den Vierteln Centre und Saint-Gilles, wenn man die Frage am Tresen stellt.

Manche Café-Besitzer haben auf die „Squatteurs de table“ – was man in etwa mit Tischbesetzer übersetzen könnte – reagiert: Sie drehen die Musik auf, sodass manche Gäste bereits mit Kopfhörern im Café sitzen. Oder sie schalten das WLAN ab. Oder sie gehen pädagogisch vor und fordern die Gäste auf, ihre Sachen zu packen. Dies gilt vor allem für die Mittagszeit, um die Tische für Gäste freizuhalten, die tatsächlich zum Essen kommen.

Was auf den ersten Blick wie eine amüsante Anekdote erscheinen mag, birgt jedoch eine eiskalte Realität im thermischen und politischen Sinne des Wortes: Während Deutschland sich anschickt, einen Strompreisdeckel einzuführen, der in Frankreich bereits umgesetzt wird, gibt es in Belgien nur Sozialtarife für einkommensschwache Haushalte. Die Mittelschicht und eine große Anzahl von Unternehmen bekommen die steigenden Energiepreise dagegen mit voller Wucht zu spüren. Die Inflation in Belgien stieg im Oktober von 11,3 Prozent auf 12,3 Prozent und erreichte damit den höchsten Stand seit Juni 1975, als sie 12,50 Prozent betrug.

Auf die Ebene der Cafés übertragen bedeutet das zum Beispiel, dass die Strom- und Gasrechnung unseres Cafébesitzers in der Nähe des Place Flagey innerhalb eines Jahres von 2.500 auf 6.500 Euro pro Monat gestiegen ist. Und nicht nur Cafés sind betroffen, auch Pommesbuden, Bäckereien, Handwerker. Alle erleben, wie die Preise für Rohstoffe in die Höhe schnellen.

Die belgische Regierung verfügt nicht über den gleichen wirtschaftlichen und finanziellen Spielraum wie ihre beiden großen Nachbarn. Da ist es nicht verwunderlich, dass der belgische Premierminister Alexander De Croo und seine Energieministerin Tinne Van der Straeten eine europäische Lösung fordern. Sie sind sich der großen sozialen Instabilität bewusst, die der Preisanstieg in ihrem Land auslösen kann. Nach all den Energiegipfeln haben die Belgier noch keine konkreten Ergebnisse gesehen – die Preise sind immer noch hoch. Und sie brauchen Ergebnisse, die sofort wirken.

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